Von wegen verstaubt
11.03.2023 Fricktal, Porträt, Laufenburg, Sulz, PersönlichAnita Stocker liebt die Gegenwart, taucht aber gerne in längst vergangene Zeiten ein.
Die Begeisterung für alte Dinge und Vergangenes macht die Rheinsulzerin mit ihrem Studium in Geschichte und Kunstgeschichte auch gleich zu ihrem Beruf. Beim Laufenburger Verein Museum Schiff wird Anita Stocker als Präsidentin vorgeschlagen. An der Museumszukunft ist sie bereits beteiligt.
Susanne Hörth
«Etwas in die Hand nehmen können, es zu studieren und dabei herauszufinden, wie es hergestellt, angeeignet, weitergegeben und als Schenkung oder Ankauf schliesslich ins Museum gelangte; solche Objektgeschichten faszinieren mich.» Die Begeisterung in Anita Stockers Stimme wird durch die Bewegungen ihrer Hände, mit denen sie einen imaginären Gegenstand umfasst und erfühlt zusätzlich verstärkt. Die junge Frau ertappt sich dabei und lacht herzlich: «Verstaubte Sachen sind halt meine Passion.» Wobei verstaubt so überhaupt nicht zutrifft. Durch ihre Neugierde, ihren Wissensdrang und gleichzeitig auch durch ihre Begeisterung versteht es die 31-Jährige, längst Vergangenes wieder zum Leuchten zu bringen. Für sich wie für andere.
Schon als Kind ein Faible für Altes
«Mein Interesse für Geschichte und alte Sachen wurde geweckt, als ich noch ganz klein war. Mit meinem Patenonkel und meinen Eltern war ich regelmässig auf Flohmärkten oder in Brockenstuben unterwegs. Alte Dinge zu sammeln, wurde zu meiner Leidenschaft.» Aber nicht nur. Geschichte und Kunstgeschichte faszinierten Anita Stocker so sehr, dass sie es auch gleich zu ihrem Beruf machte. Aufgewachsen in Obermumpf und später in Rheinsulz besuchte sie nach der Laufenburger Bezirksschule das Gymnasium in Muttenz und begann danach an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Uni Basel ihr Bachelorund aktuell ihr Masterstudium in Geschichte und Kunstgeschichte.
Parallel dazu arbeitet sie bei der Firma Erne in Laufenburg in einem 50-Prozent-Pensum als Sachbearbeiterin. Neben dem Studium zu arbeiten, es damit zu finanzieren nimmt sie als Selbstverständlichkeit. «Man soll für seine Träume auch kämpfen müssen. Ich will es aus eigener Kraft schaffen», sagt die angehende Kunsthistorikerin überzeugt. «Meine Arbeit als Sachbearbeiterin sorgt zudem dafür, dass ich mich in der Administration und Organisation auskenne.» Was ihr bei den verschiedensten Aufgaben im Alltag immer wieder zugutekomme, schmunzelt sie.
Das gleiche gilt für die Historikerin auch bezogen auf die früheren Tätigkeiten bei zwei renommierten Auktionshäusern, eines davon im Kanton St. Gallen, das andere im Kanton Bern. «Das half mir enorm, mein Wissen noch zu erweitern.» Ergänzt wird dieses Wissen zudem durch die verschiedensten Hobbys der Rheinsulzerin. Etwa dem Reisen durch die Kulturstädte Europas, dem Unterwegs-sein in der Natur, den Besuchen von Museen und Kunsthäusern, dem Zeichnen und auch der Liebe zur Musik.
Wie sehr auch die Lokalgeschichte die junge Frau interessiert, wird gleich mehrfach deutlich. Bei der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde (FBVH) gehört sie seit 2015 dem Vorstand an, ist unter anderem für die Koordination und Organisation von Vereinsexkursionen verantwortlich und unterstützt bei der Öffentlichkeitsarbeit. Schon seit vielen Jahren trifft man sie zudem bei Ausstellungen, Führungen und Vorträgen im Laufenburger Museum Schiff an. Eine Altstadtliegenschaft, welche sie von der Architektur ebenso fasziniert wie die darin präsentierten vielfältigen Themenausstellungen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Seit 2019 ist Anita Stocker nun bereits im Vorstand des Museumsvereins Schiff tätig. Als Mitglied im Projektteam «Modernisierung und Sanierung» begleitet sie zudem das Museum in seine etwas veränderte Zukunft. Läuft alles nach Plan, so beginnen noch in diesem Jahr die Detailarbeiten für die Baueingabe der rund 5 Millionen Franken teuren Sanierung des Museums. Zum aktuellen Stand dieser Arbeiten wird auch an der kommenden Vereins-GV im April berichtet. Eine Versammlung, die ausserdem einen Wechsel im Präsidium mit sich bringen wird. «Ich habe Anita Stocker vorgeschlagen. Sie erfüllt alle Voraussetzungen und ist bestens für dieses Amt gerüstet», sagte schon vor einiger Zeit der amtierende Präsident Hannes Burger zur NFZ. Er selbst wird dem Vorstand als Mitglied erhalten bleiben. «Wenn ich gewählt werde, weiss ich, dass ich in Hannes Burger eine wichtige Unterstützung erhalte», so Anita Stocker. Gleichzeitig ist sie, für die Teamarbeit kein leeres Wort ist, sich bewusst, dass sie auch Entscheide treffen und den Verein nach aussen repräsentieren muss. Mit ihrem gut gefüllten Wissensrucksack und der eingangs beschriebenen Begeisterung ist sie bestens dafür geeignet. Zudem sorgt sie auch für die längst erwünschte Verjüngung im Museumsvorstand. Anita Stocker möchte mit ihrer Arbeit für das Museum Schiff zusammen mit ihren Vorstandsmitgliedern bestehende Brücken festigen und neue schaffen. «Ich wünsche mir, dass das Museum Schiff ein Leuchtturm wird, wir hier einen Mehrwert für alle Generationen schaffen können und dass hier ein Begegnungsort wird.» Sie freut sich auf einen Ort, der den Blick zurück ermöglicht, gleichzeitig modern und erweiterbar ist.
So sehr sie das Fassbare an dieser Museum-Welt schätzt, so sehr weiss sie auch, wie wichtig der digitale Auftritt ist. Sie dankt an dieser Stelle Gerhard Kunsemüller, der die neue Webseite des Vereins gestaltet hat. Eine Gestaltung, die Anita Stocker zusammen mit der Kuratorin Ariane Danacher ebenfalls mitbegleiten durfte. Ganz wichtig ist es ihr, dass trotz Umbaus und damit geschlossenen Museums dieses nach wie vor präsent ist.
Eine Altstadt, zu der sie auch einen familiären Bezug hat. Dass dieser weit in der Vergangenheit liegt, passt ebenfalls. «Meine Urgrossmutter ist im ehemaligen Hebammenhaus in Laufenburg aufgewachsen in der Nähe des Museums.» Damit schliesse sich ein weiterer Kreis.
Angst, dass ihr bei ihrer Arbeit das Material ausgehen könnte, hat sie nicht. «Das Heute ist die Geschichte von morgen.»