Ein Ort voller Geschichten

  22.08.2020 Kultur, Laufenburg

Im Zuge der Ummauerung des Laufenburger Wasen entstand um das Jahr 1270 das Wasentor. Rund 300 Jahre später folgte dann der dazugehörende, mächtige Turm. Er war Wachturm und lange Jahre auch das Bezirksgefängnis. Hinter den dicken Mauern verbirgt sich viel Eindrückliches.

Susanne Hörth

Schmal und in die Ecke gedrückt, wird die abwechselnd aus dunklen und hellen Holzbrettern bestehende Tür beim Wasenturm kaum wahrgenommen. Es ist der Turm selbst, der durch seine Mächtigkeit und dem grossen Torbogen besticht. Das Tor zum Wasen. Was verbirgt der fast 22 Meter (bis zur Traufe, also ohne Dach) hohe Turm in seinen dicken Mauern? Einer der das weiss, es der NFZ auf einer Entdeckungstour durch die Jahrhunderte auch gerne verrät, ist Rudolf Lüscher, ehemaliger Laufenburger Stadtammann, heute unter anderem als Laufenburger Stadtführer tätig. Die Zeitreise beginnt noch vor dem Einlass. Rudolf Lüscher steht auf den Stufen, die zur schmalen Tür empor führen. Er weist auf die Bogenöffnung zu seiner rechten Seite: «Es ist kurz nach 1270 als einfaches Tor bei der Ummauerung des Wasens entstanden. Der heutige Turm datiert mit einer Inschrift aus dem Jahre 1581.» Zum Tor, so Lüscher, habe einst auch ein doppeltürmiges Vorwerk und eine Zugbrücke gehört.

Das Turmglöckchen verkündet in diesem Moment die volle Stunde. Es ist eigentlich für das Geläut der Spitalkapelle hergestellt worden und befindet sich seit 1822 im Wasenturm. Die Inschrift «H.H. Weitnauer von Basel goss mich, gib Gott die Ehr, 1665» verrät das Entstehungsdatum der Glocke.

Dann dreht Lüscher den mitgebrachten Schlüssel im Schloss der unscheinbaren Holztüre. Das Verborgene dahinter beginnt mit einer schmalen, langen Steintreppe. Entlang der Turmmauer führt sie zur ersten Etage, welche sich über dem Tor befindet. Im Vorraum lagern Trommeln. Keine alten, sondern die aktuellen Instrumente der Laufenburger Tambouren. Sie können einen Teil des Wasenturms als Probelokal nutzen. Rudolf Lüscher dreht sich um, dabei knarren die alten Holzdielen unter seinen Füssen. Er zeigt auf eine der Türen Die sich dahinter befindende, ehemalige Wachstube stehe den Stadtschützen als

Archivraum zur Verfügung, sagt er. Im zweiten, dritten und vierten Geschoss sind bei insgesamt sechs Holztüren dicke Schlösser, zusätzliche Verriegelungen sowie verschliessbare Durchreichmöglichkeiten angebracht. «Von 1801 bis 1985 diente der Turm als Bezirksgefängnis und später noch als Arrestzelle für die Armee», erklärt Lüscher. Wenn keine der Zellen besetzt war, wurde dies durch eine weisse, hinausgehängte Fahne verkündet. Bei einem der Türschlösser sind Stücke des Holzes ausgebrochen und ermöglichen den Blick ins Innere. Wollte hier ein Häftling ausbrechen oder hat der Zahn der Zeit am Material genagt? Vielleicht beides. Zwei der sehr spartanisch eingerichteten Zellen im vierten Obergeschoss demonstrieren den Teilnehmern der Altstadtführungen, dass die Personen, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren, hier mit Sicherheit kein Wohlfühldasein fristeten. Vor den Zellen zeigt Rudolf Lüscher auf eine schwere Eisentür. Hier habe die Frau des Gefängniswächters die Mahlzeiten für die Inhaftierten durchgereicht.

Richtung Dachgeschoss
Auf schmalen Holzstiegen geht es weiter hinauf. Zu dem, bisher für Besucher nicht zugänglichen Bereich. Hier tut sich nochmals ein Tor in die Vergangenheit auf. In der grossen Turmstube befand sich der Wachraum. Durch die Maueröffnungen konnten die Wachhabenden das Geschehen auf allen vier Seiten beobachten. Dabei ging es nicht nur darum, Feinde frühzeitig zu entdecken. «Hier oben hielt man vor allem Feuerwache», erklärt Lüscher. Er steht an einer Fensteröffnung und zeigt auf die Burgruine, die sich in der Verlängerung seines Armes befindet.

Unterhalb der Fensteröffnung befindet sich eine Art Trog mit einem Ausguss durch das Mauerwerk. «Wahrscheinlich, um heisses Pech hinausgiessen zu können», vermutet Rudolf Lüscher. Mitten im Raum, von dem aus auch ein Teil des eindrücklichen Dachgebälk-Kunstwerkes auftut, befindet sich in einer Art Kasten mit gläsernen Türen das alte Laufwerk der Turmuhr. Eindrücklich wie das Innere in diesem fünften Geschoss ist auch der Blick aus den Fenstern und den Schiessscharten von allen Seiten. Im Inneren des Turms

faszinieren die vielen Details eines grossen Ganzen. Die Reise in die Vergangenheit gestaltet sich dadurch zu einem spannenden Erlebnis.

 


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