Von den Energie-Zielen weit entfernt
24.03.2022 Brennpunkt, Laufenburg, FricktalMartin Leuenberger zeichnet ein düsteres Bild
Das von Martin Leuenberger geführte Grüngutverwertungs-Unternehmen Leureko AG mit Sitz in Laufenburg betreibt vier Kompostieranlagen in der Nordwestschweiz sowie eine Vergärungsanlage für Biogas in Pratteln. Den Biogasbetrieb ausbauen kann er nicht – und selbst wenn, er hätte noch viele weitere Probleme.
Simone Rufli
Seit 2006 produziert die Biogasanlage in Pratteln jährlich etwa 9 Millionen Kilowattstunden Gas. «2,5 bis 3 Millionen Kilowattstunden Energie benötigen wir in Form von Diesel, Strom und Wärme, um den Fermenter zu betreiben», so Martin Leuenberger. Am Ende bleiben somit rund 6,5 Millionen Kilowattstunden überschüssige Energie – Gas, das ins Erdgasnetz weitergegeben werden kann.
Nicht einmal ein Prozent Biogas
Leuenberger richtet den Blick von seiner Anlage auf das grosse Ganze und stellt trocken fest: «Über den ganzen Energiesektor betrachtet, ist der Anteil erneuerbarer Energien durch Biogas verschwindend klein.» Die Statistik aus dem Jahr 2020 spricht eine deutliche Sprache: Dreiviertel unserer Energie stammt nach wie vor aus nicht erneuerbaren Quellen; ein Viertel aus erneuerbaren mit einem grossen Zuwachs im Bereich Sonnenenergie. «Von diesem einen Viertel aus erneuerbaren Quellen liegt der Anteil Biogas, der aus Biomasse gewonnen wird, nicht einmal bei einem Prozent», rückt Leuenberger die Relationen zurecht.
Für den erfahrenen Biogas- und Kompostieranlagenbetreiber, der auch im Vorstand von Biomasse Suisse engagiert ist, liegt die Erklärung auf der Hand: «Ökonomie bestimmt über Ökologie. Am Ende muss es rentieren, drauflegen kann keiner. Sind die Kosten für die Herstellung des Biogases inklusive der dafür benötigten Gebäude, der Grundstücksfläche und der Anlage nicht gedeckt, dann sind die Gegebenheiten für die Ausschöpfung des Potentials nicht gegeben.»
Zu viel Hofdünger
Und so wird auch in Pratteln aus holzigem Grüngut direkt Kompost. Leureko AG produziert jährlich etwa 20 000 Kubikmeter Kompost für die Landwirtschaft und rund 1500 Kubikmeter Komposterde für den privaten Gebrauch. Recycling-Dünger, der dem Boden in der Landwirtschaft die wertvollen Nährstoffe zurückführt, die ihm durch die Bearbeitung entzogen werden. «Doch Achtung. Auch in der Landwirtschaft gibt es Absatzprobleme», betont Leuenberger und verweist auf die gesetzlichen Bestimmungen. «Pro drei Jahre darf ein Bauer pro Hektare Ackerfläche nur einen Zentimeter Kompost ausbringen. Wenn ich nun mit überschüssigem Material ins Berner Seeland fahren muss, denke ich nicht, dass das ökologisch sinnvoll ist.» Zudem hätten die Kantone Luzern, Thurgau und Teile von St. Gallen viel zu viel Hofdünger, der bereits heute quer durch die Schweiz gekarrt werde.
Verschmutzung durch Plastik
Von der Biomasse, die in Pratteln anfällt, landet am Ende einiges im Schwarz-Kehricht, der wiederum in die Kehrichtverbrennungsanlage gefahren wird. Der Grund: Verschmutzung durch Plastik. «Bei jeder Lieferung, die eintrifft, müssen meine Mitarbeiter zuerst in mühsamer Handarbeit die nicht zersetzbaren, weil ölbasierten Plastikteile entfernen. Dazu gehören ironischerweise auch die winzig kleinen Kleber, die auf Bioprodukten angebracht sind», ärgert sich Leuenberger. Befindet sich im angelieferten Grüngut und Bioabfall Plastik – «wir reden hier von über 200 verschiedenen Kunststoffsorten» – können feine Plastikpartikel im Kompost und Flüssignährstoff nicht verhindert werden und gelangen so zurück in den Naturkreislauf und letztlich in unsere Nahrung.
Ärgerlich und dazu gefährlich für die Maschine seien auch die vielen Metallteile, Steine und zerbrochenen Gartenplatten, die vor allem mit den Grüngutsammelfahrzeugen angeliefert werden.
Martin Leuenberger fordert ein Umdenken
Weg von der Fünfer-und-Weggli-Politik
Um trotz wachsendem Energiebedarf die Energiewende zu bewerkstelligen, müssen die Prioritäten neu gesetzt werden, ist der Laufenburger Grüngutverwertungsunternehmer überzeugt.
Simone Rufli
Mit Herstellern von Lebensmittelverpackungen habe er schon diverse Gespräche geführt «und immer festgestellt, dass es die Kosten sind, die den Ausschlag geben, ob etwas gemacht wird oder eben nicht. Es ist diese Fünfer-und-Weggli-Politik, die uns daran hindert, nennenswerte Fortschritte in Richtung der angestrebten Energiewende zu erzielen», ist Martin Leuenberger überzeugt. Die Wende lasse sich nur bewerkstelligen, wenn die Prioritäten neu gesetzt würden.
Ausbau in Pratteln nicht möglich
«Im Vergleich zum wachsenden Energiehunger, den unsere Gesellschaft hat, haben wir mit solchen Anlagen ganz bescheidene Möglichkeiten.» Und selbst wenn er in den Ausbau der Anlage in Pratteln investieren wollte, «ich kann hier nicht ausbauen.» Auf der einen Seite Autobahn und Hauptstrasse, auf zwei anderen Seiten ein Wildtierkorridor von nationaler Bedeutung, der höhere Priorität geniesse und dann noch das angrenzende Längi-Gebiet/ Salina Raurica. «Der Baselbieter Landrat diskutiert seit über 30 Jahren darüber, welcher Zone das Gebiet zugeordnet werden soll. Getan hat sich nichts.» Ob sich allenfalls ein Weg findet, in Rheinfelden eine neue Anlage zu bauen, sei noch nicht klar. «Das Grubenareal war schon mal angedacht.»
Geruch stört Anwohner
Einen Standort für Biogas-Anlagen zu finden, sei schwierig. Nähe zu Wohngebieten führe unweigerlich zu Reklamationen: «Vergärung ist ein biochemischer Vorgang. Je nach angeliefertem Material ändert sich die Geruchs-Immission. Der Bio-Filter stellt sich auf die vorhandene Luft ein, aber er braucht Zeit, um die entsprechenden Mikroorganismen aufzubauen. Bis der Filter angepasst ist, hat sich die Zusammensetzung wieder geändert.»
Auf dem Gelände in Pratteln wird Biomasse aus der Agglomeration Basel und durch den GAF (Gemeindeverband Abfallbewirtschaftung Unteres Fricktal) aus dem unteren Fricktal angeliefert. 25 000 Tonnen Material kommen pro Jahr hier an, werden fermentiert und zu Biogas oder Kompost verarbeitet. Äste, also Holz-Bestandteile können von den Bakterien nicht zersetzt und somit auch nicht zu Gas verarbeitet werden. Speisereste aus der Gastronomie, die ihrer Ölanteile wegen, einen höheren Energiegehalt aufweisen, wurden in den vergangen zwei Corona-Jahren weniger angeliefert.
Zur Energiewende hat Leuenberger eine klare Meinung: «Schaffen können wir eine Wende nur, wenn wir uns ändern und die gesetzlichen Vorgaben auf das Ziel ausrichten – und wenn wir eine Lösung finden, Energie, die gerade nicht gebraucht wird, sinnvoll zu speichern.»