Vom Wetter profitiert jede Sau
20.02.2020 Fricktal, WetterDer Winter 2020 aus der Sicht von Fricktalern
Zu warm, windig und feucht – der Winter wird seinem Namen bisher alles andere als gerecht. Ganz so schlecht ist sein Ruf trotz allem nicht, wie die NFZ im Gespräch mit vom Wetter Betroffenen feststellte. Vor allem der viele Regen ist willkommen.
Simone Rufli
«Es ist doch schön, dass die Vögel schon jetzt pfeifen und das Gras auf den Wiesen schon wächst.» Biologe Heiner Keller aus Zeihen will nicht lamentieren. Er freut sich ganz einfach über die Folgen des milden Wetters. «Die Natur arrangiert sich. Veränderungen gab es immer und wird es immer geben. Vielleicht gingen sie früher nicht so schnell vonstatten, aber sie waren zum Teil auch gravierend.» Keller erinnert an seine Jugend vor rund 50 Jahren: «Damals gab es in einem Zeitraum von zehn Jahren drei bis vier Totalausfälle in den Reben als Folge des Spätfrostes. Heute kommt das vielleicht noch alle 10 bis 20 Jahre einmal vor.»
Mehr Abwehrkräfte
Positive Aspekte des aussergewöhnlichen Winters erkennt auch Urs Steck, Abteilungsleiter Wald und Landschaft im Forstbetrieb Region Möhlin. «Die Bäume profitieren von den wiederkehrenden Regenfällen der letzten Wochen. Können die Bäume in dieser Zeit des Jahres viel Wasser aufnehmen, verfügen sie später über mehr Abwehrkräfte. So betrachtet kann es für mich bis in den Sommer hinein mit diesem Wetter weitergehen», hält Steck fest. Nach einer Reihe von trockenen Jahren mit grossen Problemen insbesondere für Weisstannen und Buchen müsse der Wald derzeit etwas weniger leiden. «Umgekehrt fördert das mild-feuchte Wetter den Pilzwuchs und das wiederum macht vor allem den Eschen zu schaffen.» Zu schaffen macht dem Förster auch die zunehmende Gefahr durch Totholz. Sowohl für Spaziergänger wie auch für Waldarbeiter werde es immer gefährlicher, sich im Wald aufzuhalten. «Es gibt immer mehr Gefahr durch herabfallende, dürre Äste. Die Bäume leben zwar noch, doch bei den heftigen Winden, wie wir sie vermehrt erleben, brechen die Äste.» Eine Folge der Trockenheit der vergangenen Jahre.
Ganz andere Überlegungen macht sich Hans Waldmeier aus Mumpf. Der Inhaber eines Sportartikelgeschäftes stellt fest, dass in diesem Winter vor allem weniger Familien ins Geschäft kommen, um sich spontan mit Wintersportartikeln auszurüsten. «Liegt im Schwarzwald kein Schnee, so bekomme ich das zu spüren. Viele Familien wollen nämlich nur tageweise in den Schwarzwald in den Schnee und nicht für Ferien in die Berge.»
Vom Regen gesättigt
Ein kalter Winter mit Schnee wäre auch im Sinn von Hansruedi Apolloni. Der Landwirt aus Kaisten denkt dabei vor allem an Schädlinge, die bei Kälte eher eingehen, als bei den aktuellen Temperaturen. «Ist es richtig kalt, brauchen wir weniger Insektizide.» Zu warm ist es in diesem Winter auch für den Winter-Weizen. Apolloni: «Der Winter-Weizen, den wir im Oktober gesät haben, ist die ganze Zeit über gewachsen, anstatt nach der Aussaat zu ruhen. Wir werden sehen, wie sich das auf die Qualität auswirkt.» Ein so milder Winter und dazu eine Reihe von dicht aufeinanderfolgenden Stürmen, das sei schon aussergewöhnlich. Trotz der milden Temperaturen können die Bauern nicht früher auf die Felder. «Wegen den intensiven Niederschlägen sind die Felder mit Wasser gesättigt. Das macht es für den Moment unmöglich, sie mit schweren Maschinen zu befahren. Sollte es im Frühling oder Sommer wieder sehr trocken sein, werden wir aber von dieser Feuchtigkeit profitieren.» Apolloni ist auch Schadensschätzer für Wildschweinschäden. «Bei diesen Temperaturen bringen die Sauen jedes Junge durch den Winter, was die Population ansteigen lässt. Und wenn der Boden nicht gefroren ist, können die Tiere ihn überall aufbrechen.»
Kein gefrorener Boden heisst auch, dass die Salzlager voll bleiben und der Betrieb auf den Baustellen anhält. Und wenn kein Schnee fällt, braucht es keine Schneeräumungsfahrzeuge. Für Adrian Herzog, Geschäftsführer von Herzog Transporte in Wölflinswil und vom Kanton mit der Schneeräumung beauftragt, hat das zwei Seiten. «Ich kann meine Fahrzeuge anderweitig einsetzen. Umgekehrt vermissen meine Chauffeure und ich selber das einmalige Erlebnis, wenn wir des Nachts den frischen Schnee zwischen Oberhof und Rheinfelden von den Strassen schieben können.»