Eine Expo für das ganze untere Fricktal
14.05.2019 Rheinfelden, FricktalRaymond Keller ist OK-Präsident der Expo19. Er hat in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit in den Grossanlass investiert. Das Miteinander aller Gewerbevereine im unteren Fricktal ist dem 48-Jährigen ein wichtiges Anliegen. Für eine nächste regionale Gewerbeausstellung würde er sich wieder als Präsident zur Verfügung stellen.
«Eine Gewerbeschau bleibt zeitgemäss »
Raymond Keller zu den Zukunftsaussichten des Fricktaler Gewerbes
Das Herz von Raymond Keller schlägt für das Gewerbe: Der Präsident des Gewerbevereins Rheinfelden ist auch OK-Präsident der regionalen Gewerbeschau Expo19 in Rheinfelden. Im Interview erklärt er, was ihn antreibt.
Valentin Zumsteg
NFZ: Herr Keller, wie geht es der Wirtschaft im Fricktal?
Raymond Keller: Im Baugewerbe spüren wir einen wahnsinnigen Preisdruck. So etwas habe ich in den vergangenen 20 Jahren als Geschäftsleiter noch nie erlebt. Es gibt in der Region zahlreiche Elektroinstallations-Firmen und Baugeschäfte, die aufgeben mussten. Die Auftragslage im Fricktal erachte ich immer noch als gut bis sehr gut. Ich würde es begrüssen, wenn bei Aufträgen auch das lokale und regionale Gewerbe berücksichtigt wird.
Wenn der Preisdruck so gross ist, kann man dann überhaupt noch Geld verdienen?
Ja, das ist möglich. Man darf aber keine Fehler machen. Sobald man eine Arbeit zweimal machen muss, hat man verloren. Wenn alles reibungslos abläuft, dann verdient man Geld. Es gibt aber auch bei uns Baustellen, die nicht rentieren. Das sind aber glücklicherweise die Ausnahmen. Manche Aufträge nehmen wir nicht an, weil die Preise so tief sind, dass man nicht mehr ausbilden kann.
Im Fricktal wird viel gebaut. Ist das Fluch oder Segen?
Im Moment ist das sicher ein Segen. Langfristig habe ich das Gefühl, dass das Fricktal irgendwann verbaut ist. Ein Problem ist der Verkehr. Die Strassen sind immer mehr verstopft – hier wären Kapazitätssteigerungen dringend nötig.
Wie schwierig ist es, qualifizierte Mitarbeiter und Lehrlinge zu finden?
Mit den Lehrlingen hatten wir bei uns im Geschäft in den vergangenen Jahren Glück, was ich nicht von vielen Firmen höre. Die Ausbildung ist uns ein wichtiges Anliegen, wir investieren viel in den Berufsnachwuchs. Wir machen regelmässig bei «Schule trifft Wirtschaft», «Tisch-Messen» und der «Lehrstellenbörse» mit. Neue Mitarbeiter zu finden, die arbeiten und nicht nur einen hohen Lohn wollen, das ist hingegen extrem schwierig. Der Berufsstolz und die Freude an der Arbeit sind ein bisschen verloren gegangen. Heute ist vor allem das Geld der Antrieb, warum man arbeiten geht. Viele suchen einen easy Job. Doch das gibt es auf dem Bau nicht, hier braucht man Hand und Kopf.
Was machen Sie, um gute Leute zu finden?
Wir haben gerade lange nach einem Bauleiter, Servicemonteuren und Industriemonteuren gesucht. Auf dem normalen Weg fanden wir niemanden. Vor allem Spezialisten sind fast nicht zu bekommen. Jetzt nehmen wir mit dem Personalbüro unserer Unternehmens-Gruppe in Zürich einen neuen Anlauf. Heute ist das mit mehr Kosten und Aufwand verbunden.
Wie viele Grenzgänger arbeiten bei Ihnen?
Wir haben einen in Frankreich wohnhaften Algerier und vier Mitarbeiter mit Wohnsitz in Deutschland. Alle anderen, die bei uns arbeiten, wohnen in der Schweiz. Die meisten sind schon seit vielen Jahren bei uns.
Was kann eine Gewerbeschau beitragen, damit die Fricktaler Betriebe weiterhin erfolgreich arbeiten?
Wenn man erfolgreich sein will, braucht es einen guten Stand und man muss seine Produkte und Dienstleistungen überzeugend präsentieren. Dazu sind gute Leute am Stand nötig. Wir zum Beispiel präsentieren an der Gewerbeschau unseren neuen Online-Shop. Die Gewerbeschau kann helfen, dieses Angebot bekannt zu machen. An einem solchen Anlass kommen Tausende von Leuten, die grundsätzlich an den Angeboten des lokalen und regionalen Gewerbes interessiert sind. Das ist eine Chance, die jeder Teilnehmer nutzen kann.
Sie sind zum ersten Mal OK-Präsident. Was hat Sie bewogen, das Amt zu übernehmen?
Eigentlich nichts (lacht). Ich suchte einen OK-Präsidenten – was mir leider nicht gelang. Ich erklärte mich dann aber bereit, das Amt zu übernehmen, weil wir die Gewerbeschau neu regional lancierten. Alle Gewerbevereine des Bezirks stehen dahinter – das hat mich motiviert, mich zu engagieren.
Wie viel Zeit haben Sie in die Organisationsarbeit gesteckt?
Das wäre nicht gut, wenn ich das sagen würde. Dann würde ich keinen Nachfolger finden. Im Zusammenhang mit der Expo habe ich allein über 2500 Mails erhalten, gelesen und die meisten davon beantwortet. Das mache ich in meiner Freizeit. Sicherlich investiere ich aber auch viel Arbeitszeit für die Expo.
Würden Sie es wieder machen?
Ich habe gesagt, ich mache es drei Mal. Dazu stehe ich immer noch. Ich glaube, ich konnte viel lernen und profitieren. Es ist unglaublich, wie viele Leute man kennenlernt und wie viele Kontakte geknüpft werden können. Das ist eine Entschädigung für die viele Zeit, die man dafür investiert.
Ist eine Gewerbeschau heute eigentlich noch zeitgemäss?
Ja, davon bin ich felsenfest überzeugt. Es geht nichts über den persönlichen Kontakt. Als wir innerhalb des Gewerbevereins über die Zukunft der Gewerbeschau diskutiert haben, ging es auch um solche Grundsatzfragen. Wir werden an der Expo19 den Besucherstrom messen und so feststellen, ob wir damit noch Erfolg haben.
Ab wie vielen Besuchern ist es ein Erfolg?
Ab 20 000 Leuten bin ich zufrieden. 25000 wären sehr gut. Wir hoffen aber auf 30 000 Leute.
Ihre Idee war es, die Gewerbeschau regional durchzuführen. Ist dieses Konzept aufgegangen?
Ja, das ist sehr gut aufgegangen. Wir haben zum Beispiel sehr viele Aussteller aus Möhlin und auch aus anderen Gemeinden im unteren Fricktal.
Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Wann findet die nächste regionale Gewerbeschau im unteren Fricktal statt?
Das Ziel ist, in drei Jahren wieder eine regionale Gewerbeschau durchzuführen.
Und wo?
Dazu möchte ich mich nicht äussern. Ich könnte mir aber Möhlin vorstellen. Das entscheidet aber der Gewerbeverein Möhlin. Egal, wo sie durchgeführt wird: Ich würde mich als OK-Präsident zur Verfügung stellen. Ich möchte den regionalen Gedanken weiterverbreiten.
Gibt es irgendwann eine Gewerbeschau für das ganze Fricktal?
Das glaube ich weniger. Der Weg ist zu weit. Ich könnte mir aber eine gemeinsame Organisation vorstellen – oder ein Ideenaustausch. Für Zusammenarbeit bin ich immer offen.
Vom «faulen Schüler» zum Geschäftsführer
Raymond Keller hat eine erstaunliche berufliche Karriere hingelegt: «Ich war ein Scheidungskind aus dem Augarten und ein fauler Schüler», erzählt der 48-Jährige. Nach der Realschule begann er eine Lehre als Elektromonteur bei der Firma Ruther AG. «Auch in der Lehre habe ich anfangs wenig gemacht für die Berufsschule. Irgendwann hat mir der Lehrmeister Ernst Gasser gesagt, dass es so nicht geht. Ich begann mich anzustrengen.» Er schloss die Lehre mit der Note 5,0 ab. Anschliessend arbeitete er weitere sechs Jahre bei seinem Lehrbetrieb, danach wechselte er zu einer grösseren Firma in Basel. Nach dreieinhalb Jahren kehrte er als 29-Jähriger zur Ruther AG zurück und konnte den Posten des Geschäftsführers übernehmen. Berufsbegleitend bildete er sich zum Kontrolleur/Chefmonteur weiter und legte die Meisterprüfung ab. Als er die Geschäftsleitung übernahm, zählte das Unternehmen 16 Mitarbeiter. Heute sind es 65, davon 14 Lehrlinge. Die Ruther AG gehört zur Baumann/ Koelliker-Gruppe. Sein Tipp an alle Schüler und Lernenden: «Wenn man sich anstrengt, kann man viel erreichen.»
Seit 2017 präsidiert Raymond Keller den Gewerbeverein Rheinfelden. In seiner Freizeit ist er gerne aktiv: Er fährt Motorrad und Ski, segelt und spielt Golf. Der Vater von zwei Kindern wohnt in Rheinfelden. (vzu)