«Meine Lieder sind aus dem Leben gegriffen»

  04.10.2018 Fricktal, Laufenburg

Trotz seines Erfolges sieht sich Musiker Bligg nicht als Promi

Er fühlt sich wohl in einem schlichten Umfeld, schätzt die Nähe zu den Leuten und er findet Kaisten schön. Hier startet Bligg am 3. November seine Tour unter dem Titel «KombiNation».

Susanne Hörth

Im Gespräch mit der NFZ-Journalistin lacht der Mundart-Musiker Bligg immer wieder herzhaft. Wird ernst, wenn es um Starallüren geht, die mag er nicht. Er widerspricht bei abwertenden Bemerkungen zu Land und Leuten. Leidenschaftlich wird er bei der schwyzerdütschen Sprache. Diese pflegt er, hat dafür sogar eine eigene Rechtschreibung entwickelt. Seine Liedtexte erzählen Geschichten aus dem Alltag. Manche hat Bligg selbst erlebt, vieles begegnet ihm, wenn er durchs Land tourt. «Ich bin auch privat sehr viel unterwegs, unternehme etwas mit meinem kleinen Sohn, gehe wandern oder fischen», sagt der 42-Jährige. Und manchmal trifft man ihn am Stammtisch an. Etwa am 3. November in der Sporthalle in Kaisten.

NFZ: Warum starten Sie Ihre nächste Tour auf dem Land?
Bligg:
Bei der Tour «KombiNation» wollten wir ganz bewusst die Pole mal etwas verschieben. Vermehrt wieder zu den Leuten gehen und nicht einfach nur in den Metropolen spielen.

Sie kommen als erstes nach Kaisten. Wie kam es dazu?
Zu den organisatorischen Überlegungen gehörte ebenfalls, eine leere Halle zu finden, die den gewünschten Möglichkeiten entspricht. Die Sporthalle in Kaisten bietet diese Möglichkeiten.

Welche Möglichkeiten?
Bei der «KombiNation»-Tour spielen wir bei Daten mit einem Sternchen nicht nur eine Show. Wir gehen zu den Leuten, richten uns in der Halle ein, offerieren ein abendfüllendes Programm mit Stammbeiz, Party vor und nach dem Konzert. Das lässt sich alles in einer leeren Sporthalle wie in Kaisten machen. Wir bringen alles mit, bauen alles auf. Im Volkshaus in Basel, wo wir auch auftreten werden, ist schon alles gegeben. Da wäre das beispielsweise nicht möglich.

Trifft man Sie in Kaisten am Konzert-Stammtisch persönlich an?
Auf jeden Fall, wir machen ja auch bei allen Konzerten eine Autogrammstunde nach der Show. Da ist natürlich jeder, der ans Konzert kommt, herzlich willkommen.

Sie scheinen die Nähe zu den Leuten nicht zu scheuen?

Habe ich noch nie, werde ich nie.

Das ist sicher ein Teil Ihres Erfolges. In Ihren Songs bringen Sie rüber, was jeder selber kennt, schon irgendwie auch erlebt hat. Viele Leute spüren sich in Ihren Liedern.
Schön, dass Sie das so sehen. Es ist ganz bewusst so geworden. Es ist aber nicht so, dass ich mich am Anfang meiner Karriere hingesetzt habe und mir auf einem Reissbrett notiert habe, wie ich die Leute am besten erreichen kann. Bei mir ist alles sehr authentisch. Das fängt schon beim Namen Bligg an. Ich heisse mit Nachnamen Bliggensdorfer.

Und die Liedtexte…
… sie sind aus dem Leben gegriffen. So wie ich es als Schweizer Bürger auch erlebe. Ich bin zum Teil auf dem Land, zum Teil in der Stadt gross geworden. Durch meine Musik bin ich die letzten Jahre zudem sehr viel durchs Land gereist. Dabei habe ich sehr viele traditionelle Elemente, viele Berufe in der Praxis kennengelernt.

Und sind zu einem erfolgreichen Mundart-Musiker geworden.
Trotzdem sehe ich mich selber nicht als abgehoben an. Mein ganzes Umfeld ist schlicht. Ich fühle mich sehr wohl in dieser Welt. Trotz des Erfolges, den ich in den letzten Jahren erfahren durfte, führe ich ein ganz normales Leben. Ich glaube, das hilft mir auch als Künstler, all diese Themen aufzugreifen. Ich gehöre nicht zu den Künstlern, die durch ihren Erfolg eine Distanz zu ihrem Alltag bekommen.

Wo bleibt da der Promi Bligg?
Der Ausdruck Promi passt nicht zu mir, damit will ich nichts zu tun haben. Ich will Musik machen. Es freut mich sehr, wenn die Leute an dieser Musik Plausch haben. Und sie an einem Konzert zwei Stunden lang den Alltag vergessen.

NFZ: Werden Sie durch Begegnungen mit den Leuten zu Ihren Liedtexten inspiriert? Bligg: Das ist sicher so. Rosalie etwa ist in einer Mittagspause entstanden. Als uns ein Typ gefragt hat, ob wir von ihm Rosen kaufen wollen.

Oder auch der Song Stammtisch. Dieser ist entstanden aus einer Zeit, die ich als Handwerker erlebt habe. Dann, wenn man sich zum Znüni oder zum Fürobebier getroffen hat. Das gibt natürlich Inspirationsstoff. Ich versuche, es witzig aufzugreifen.

Manchmal auch ein wenig böse?
Ich finde, Zynismus oder Ironie sind Stilmittel, die man anwenden kann. Egal ob als Buchautor, Comedian oder Songschreiber. Ich spiele damit in meinen Texten.

Stammen all diese Texte von Ihnen?
Ja, ich habe alle meine mittlerweile über 250 veröffentlichten Songs selbst geschrieben. Hierzu hat sich auch eine eigene Geschichte entwickelt.

Die wäre?
Mittlerweile werden meine Lieder oft auch in den Schulen aufgegriffen und gesungen. Deshalb haben wir begonnen, die Texte auch im CD-Book zu veröffentlichen. Wäre ich ein deutscher Künstler, so würden meine Texte, so wie ich sie singe, auch niedergeschrieben. Beim Schwyzerdütsch aber gibt es keine Rechtschreiberegeln. Ich musste quasi eine eigene schwyzerdütsche Rechtschreibung kreieren.

Schreibe ich nun «de Wäg» oder «dä Weg» oder «Dä Wäg». Das ist nur ein kleines Beispiel. Es ist letztlich ein unglaublicher Aufwand, den man auf sich nimmt.

Warum tun Sie das?
Aus Leidenschaft zur Sprache, auch für das Publikum, das mich seit Jahren so trägt. Dafür hocke ich so lange im Büro. Ich würde nie sagen, ich habe unsere schwyzerdütsche Rechtschreibung erfunden, aber ich konnte sie sicher ein bisschen beeinflussen. Und hinterlasse damit irgendwie auch Spuren.

Bei der Spurensuche in diesen geschriebenen Texten stellt man fest, dass der als sehr spontan und experimentierfreudige bekannte Bligg ebenso ein absoluter Perfektionist ist. Geht Spontanität und Perfektionismus denn zusammen?
Interessant, dass Sie das so sagen, und megaschön, dass ich das mal gefragt werde. Im Studio, wenn ich mich dorthin ein paar Monate lang verkrieche,

um ein neues Album aufzunehmen, ist Spontanität stückweise schon gefragt. Letztlich aber muss alles genau stimmen. Bei einer Show hingegen wäre es schade, das Spontane nicht passieren zu lassen. Wenn beispielsweise einer seinen Polterabend am Konzert feiert und ich ihn auf die Bühne holen kann, beschere ich ihm ein unvergessliches Erlebnis. Im Büro, im Studio geht man perfektionistischer an die Sache als an einem Konzert, wo sich etwas spontan entwickelt.

Gehen Sie gelassen in das Konzert in Kaisten oder werden Sie nervös sein?
Ich freue mich sehr. Die Nervosität ist aber genauso gross wie bei einem Konzert in Zürich. Ich mache keine Unterschiede. Die Leute kommen zu mir an ein Konzert, nehmen den Weg auf sich, haben Erwartungen, die ich erfüllen möchte. Ja, ich werde ganz sicher nervös sein.

Kennen Sie das Dorf?
Ich bin im Vorfeld jeden einzelnen Konzert-Ort abgefahren und habe bei den Ortstafeln Clips für unsere Website gemacht, auch für Facebook. Ich bin auch ein wenig in Kaisten geblieben, habe hier zu Mittag gegessen. Und ehrlich, das sage ich nicht nur einfach so: Kaisten ist richtig schön.


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