Wählerstimmen: die Gewinner und Verlierer

  26.10.2023 Fricktal, Politik

Wählerwanderung im Bezirk Rheinfelden: Die SVP und die Mitte vermochten bei den Wahlen am meisten Neuwähler zu gewinnen. Stimmen verloren haben die Grünen, weil sie nicht mobilisieren konnten.

Walter Herzog

Die Nationalratswahlen 2023 sind bereits Geschichte. Wie immer gibt es Gewinner und Verlierer, sowohl unter den Kandidaten als auch unter den Parteien. Die NFZ will der Frage auf den Grund gehen, wer denn eigentlich anders gestimmt hat als beim letzten Mal, bei den Nationalratswahlen 2019. In Ulm in Deutschland gibt es ein Institut (siehe Kasten «Wer macht die Statistiken?»), welches sich seit Jahren in ganz Europa und auch in der Schweiz mit diesen Fragen auseinandersetzt. Mit Hilfe vieler detaillierter Wahldaten, nationalen Befragungen und plausiblen Annahmen werden Statistiken erarbeitet, welche aufzeigen, wie viele Bürger sich von einer Partei ab, hin zu einer anderen Partei gewandt haben. Auf diese Weise ergibt sich ein interessantes Bild, woher Parteien ihre zusätzlichen Stimmen erhalten haben – oder warum andere Stimmen verloren haben. Eine wichtige «Partei» sind dabei auch die Nichtwähler. Denn wer es schafft, neue Wählende zu aktivieren, erhält zusätzliche Stimmen. Die von diesem Institut für die Bezirke Rheinfelden und Laufenburg (siehe Grafiken) errechneten Wählerwanderungen zeigen interessante Entwicklungen. Rund 1,5 Prozent der 29360 Wahlberechtigten gingen im Bezirk Rheinfelden zusätzlich an die Urne. Von diesen 447 Wählenden schafften es die SVP mit 337 und die Mitte mit 129 Stimmen am meisten zu profitieren. Dank diesem erfolgreichen Mobilisieren im Wahlkampf kamen bei der SVP rund 60 Prozent des Stimmengewinnes dieser Partei zustande. Die Mitte profitierte zu rund zwei Drittel vom Zusammenschluss mit der BDP. Anders bei den Grünen, 101 Grünwählende von 2019 gingen im Jahre 2023 gar nicht mehr an die Urne, diese Stimmen gingen der Partei verloren. Die Grafiken zeigen aber auch, dass 109 ehemalige Grün-Wählende neu die SP unterstützt haben. Obwohl bei der FDP 68 Wählende neu die SVP wählten, verzeichnete die FDP dennoch keinen Rückgang, weil sie von Neuwählenden und Stimmen von anderen Parteien profitierte. Die Analyse zeigt aber auch, dass bei 12426 Wählenden bei einer Wahlbeteiligung von 41,1 Prozent nicht einmal die Hälfte aller Bürgerinnen und Bürger stimmen ging. 59 Prozent nahmen am Wahlprozess gar nicht teil! Geringe Verschiebungen haben folglich grössere Veränderungen zur Folge.


Die SVP mobilisierte

Wählerwanderung im Bezirk Laufenburg: Auch im Oberen Fricktal zeigt sich ein ähnliches Bild: Die SVP gewann am meisten Neuwähler, erhielt aber auch Stimmen aus allen anderen Lagern. Die Grünen hingegen verloren über 100 Wählende an die SP. Die Mitte vermochte nur teilweise vom Zusammenschluss mit der BDP zu profitieren. Ein Teil der ehemaligen BDP-Wählenden wanderte zu anderen Parteien ab. Der Siegeszug der SVP hat sich auch im Bezirk Laufenburg deutlich niedergeschlagen. Der Zuwachs war sogar deutlich höher als im Bezirk Rheinfelden, und der Anteil der SVP-Wählenden an der Gesamtheit aller Wählenden erreichte mit 40,94 Prozent eine beachtliche Höhe. Bestimmt spielte hier der Christoph Riner-Effekt mit, weil nicht wenig Wählende unbedingt wieder einen Fricktaler Nationalrat wollten. Mit Erfolg, wie die Ergebnisse zeigten. Der Bezirk Laufenburg hat 23181 Stimmberechtigte, von denen 11208 oder 48 Prozent an der Wahl teilnahmen. Obwohl der Bezirk Laufenburg folglich über 23000 Wahlberechtigte verfügt, reichten der SVP lediglich 565 zusätzliche Wählerstimmen zum grossen Wahlerfolg.

Dies darum, weil bei 48 Prozent Wahlbeteiligung mit 11208 Wählenden nicht ganz die Hälfte aller Bürger stimmen ging. Geringe Verschiebungen von Partei zu Partei hatten daher auch im Bezirk Laufenburg grössere Veränderungen zur Folge. (WH)


Wer macht die Statistiken?

Das Institut für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung in Ulm unter der Leitung von Andreas J. Kohlsche hat für unsere Zeitung die Ergebnisse der Nationalratswahlen im Fricktal analysiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Berechnung der Wählerwanderungen zwischen den Wahlen 2019 und 2023. Die Firma stellt seit 1980 Statistiken für Wahlen und Abstimmungen in Europa her. Die Wählerwanderungen werden mit einem statistischen Verfahren berechnet. Dieses bezieht ein Maximum an individuellem Wählerverhalten ein (Panaschierstatistik und nationale Nachwahlbefragungen). Als Ergebnis können Wanderungssaldi oder Nettowanderungen von einer Partei zur anderen dargestellt werden. In den Grafiken werden die Saldi nicht nur in absoluten Wählerzahlen (Parteistimmen geteilt durch Zahl der Stimmen pro Wähler), sondern auch in Prozent aller Wahlberechtigten ausgewiesen, da auch die «Nichtwähler» eine «Partei» im Sinne der Statistik sind. Alle diese Daten sind statistische Werte, denn die einzelnen Wähler und ihr Verhalten sind natürlich wegen dem Datenschutz nicht bekannt. (nfz)


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