Vom Bodenlegen
18.11.2024 FricktalDen Weg zum Traumberuf säumen mehrere Streckenhelfer
Entscheiden sich Jugendliche für eine Lehre, schwingt das Kaufmännische obenaus. Handwerk hat einen schweren Stand. Anruf bei der Berufsberatung.
Ronny Wittenwiler
Handwerk hat goldenen Boden, heisst es so schön. Doch das Schönreden allein hilft nicht weiter. Gemessen an seiner Beliebtheit glänzt der Boden im beheizten Büro deutlich mehr. «Nach wie vor ist das Kaufmännische besonders gefragt bei Jugendlichen», sagt Barbara Gisi, Teamleiterin der Berufsberatung (ask!) in Rheinfelden. Hinzu kommen Pflegeberufe, Informatik, der Detailhandel. «Handwerksberufe haben einen schweren Stand», sagt Gisi. Betriebe hätten teilweise Mühe, Lernende für sich zu gewinnen. Was vielleicht unverschämt klingt, gar abwertend gegenüber ebendiesem goldenen Boden, scheint Realität: Statt sich die Hände dreckig zu machen, wird das Büro vorgezogen. Gisi sagt es so: «Multimedia-Produkte zu verkaufen oder in einem Büro zu arbeiten, stellen sich viele Jugendliche ‹cooler› vor, als körperlich anspruchsvolle Arbeit zu leisten.» Doch es gibt feine Unterschiede. Jugendliche in ländlichen Gemeinden würden noch eher eine handwerkliche Richtung einschlagen als solche in Gemeinden mit urbaner Prägung. Gisi spricht von einer Art Berufsstolz: «Wenn beispielsweise der Vater bereits Landmaschinenmechaniker war und der Sohn in die Stapfen tritt.» Gisis Beobachtungen sind frei jeglicher Wertung. Auch hierzu: «Manchmal stelle ich fest, dass es eine ziemlich grosse Rolle spielt, was die anderen aus der Klasse als einen ‹guten› Beruf definieren. Ich habe schon erlebt, dass praktisch sämtliche Jungs einer Klasse sich für den Beruf ‹Automobilfachmann› interessierten.»
Die Möglichkeiten aufzeigen
Die Schwierigkeit bei der Vermittlung im Bereich Handwerk haben Betroffene erkannt. Gisi nennt ein Beispiel: «Mit dem gegründeten Verein ‹Schule trifft Wirtschaft› arbeiten die Schulen im Kanton eng mit dem Gewerbe zusammen, um den Jugendlichen die Vielfalt an Berufsmöglichkeiten aufzuzeigen – so etwa in Form von Tischmessen.» Bei solchen Angeboten wirken auch die Beratungsdienste von «ask!» mit.
Und alle anderen ans Gymi?
Auch das Fach «Berufliche Orientierung», verankert im Lehrplan 21, ist Jugendlichen bereits eine Art Kompass; vor allem auf Stufe Sekundarund Realschule. In einem früheren Interview mit der NFZ erklärte Markus Kindler, dass im Gegensatz zur Bezirksschule – wo die meisten Abgänger eine weiterführende Schule besuchen – bereits neunzig Prozent aller Jugendlichen der Sekundarschule eine Berufslehre absolvieren. Kindler ist Schulleiter an der Sekundar- und Realschule in Möhlin. «Auch eine Berufslehre ist gut» – dieses Credo zu vermitteln, versteht Kindler als Aufgabe eines Lehrers auf dieser Schulstufe. «Ein Gymnasium, eine Fachmittelschule, eine Wirtschaftsmittelschule ist nicht das einzige; auch eine Lehre ist toll, etwas, worauf man aufbauen kann und sich Türen öffnen.» Das bringt uns zur provokativen Frage, ob die Beratungsdienste Bezirksschüler mit guten Schulleistungen einfach aufs Gymnasium schicken? Gisi winkt ab. «Wir schauen immer gemeinsam mit den Jugendlichen an, was passend sein könnte – ob Berufslehre oder Mittelschule.» Zwar kämen tendenziell weniger Jugendliche aus der Bezirksschule in eine Beratung als Real- und Sekundarschüler. Gisi sagt aber: «Wir empfehlen auch den Bezirksschülerinnen und Bezirksschülern, zu schnuppern und die Wahl einer Mittelschule nicht nur aufgrund eines Notenschnittes zu treffen. Einige haben im Verlauf der Mittelschule irgendwann einen ‹Durchhänger›. Dann hilft es zu wissen, wieso man sich damals vielleicht bewusst für die Mittelschule entschieden hat und dass berufliche Grundbildungen geprüft und ausgeschlossen wurden. Und man hat mittels Schnupperlehren bereits einen Fuss in der Arbeitswelt drin.»
Mehrere Bodenleger
Schule, Gewerbe, Beratungsdienste: Längst sind sie alle einander nähergekommen. Gemeinsam im Verbund versuchen sie, den Boden zu legen, der junge Menschen auf ihrem Weg in die berufliche Zukunft begleitet. Es soll ein goldener Boden sein, unabhängig vom gewählten Beruf. www.beratungsdienste.ch