«Viele Traditionen haben heidnische Ursprünge»

  19.12.2023 Rheinfelden

Unterwegs mit einem Linguisten durch die Geschichte der Weihnachtsbräuche

Der Rheinfelder Stadtführer und Sprachwissenschaftler Robi Conrad hat sich intensiv mit Weihnachten beschäftigt. Viele Traditionen haben wir den heidnischen Kulturen zu verdanken.

Valentin Zumsteg

Was heisst eigentlich Weihnachten und woher stammt der Begriff ? Auf diese Fragen weiss der Rheinfelder Linguist und Stadtführer Robi Conrad Antwort. Er macht jedes Jahr eine Weihnachtsführung durch das Zähringerstädtchen und hat viel dafür recherchiert: «Der Begriff Weihnachten entstand im 7. und 8. Jahrhundert, in der Zeit nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches und damit dem Anfang eines christlichen Abendlandes. Man begann, die Geburt Christi zu feiern mit geweihten, heiligen Nächten. Mittelhochdeutsch hiess das: Ze den wihen Nahten. Daraus wurde Weihnachten.»

Vom Jul-Fest zu Weihnachten
Auch wenn der Begriff christlich geprägt ist, haben viele Bräuche, die wir in der Weihnachtszeit begehen, ganz andere Hintergründe. «Fast alle Traditionen unserer Weihnachtsfeiern verdanken wir den Wikingern oder Germanen. Sie sind also heidnischen Ursprungs»», sagt der Stadtführer. Die Wikinger feierten drei Tage nach der Wintersonnenwende – also am 24. Dezember – ihr Jul-Fest. «In Skandinavien heisst deshalb Weihnacht immer noch Jul – oder Joulu in Finnland. Das wirkliche Geburtsdatum von Christus ist eine nicht belegte Legende. Die Orthodoxe Kirche feiert zum Beispiel den 6. und 7. Januar als sein Geburtsdatum.» Die Kirche war bestrebt, das heidnische Jul-Fest in ein christliches Fest umzuwandeln. «Da Grünzeug als heidnisch betrachtet wurde, gab es in den Kirchen lange keine Tannenbäume. Nur Krippenspiele waren ursprünglich zugelassen», erzählt Conrad.

Aber schon die Römer liebten das Grünzeug. «Im Winter wurden im alten Rom, in Ägypten und auch in China immergrüne Pflanzen zum Jahreswechsel aufgestellt. Sie galten als Symbol für ein ewiges Lebens.»

Erste Tannenbäume kamen Mitte des 16. Jahrhunderts im Elsass und auch am rechten Rheinufer auf. «Sie waren der Ersatz für die immergrünen Zweige. Die Tannenbäume kamen in Mode, erst nur auf öffentlichen Plätzen und ab Ende des 16. Jahrhunderts auch in Privathäusern. Damals aber noch ohne Kerzen, diese waren viel zu teuer. Nur der Adel und die Kirche konnten sie sich leisten.» Weil das Mittelalter durch eine permanente Holzknappheit geprägt war, gab es ein Gesetz gegen das illegale Schlagen von Tannenbäumen.

Von Wotan über Nikolaus zum Christkind
Was an Weihnachten für viele Leute nicht fehlen darf, sind die Geschenke. «Ursprünglich erfolgte die Bescherung durch Sankt Nikolaus am 6. Dezember. Dies, weil schon Göttervater Wotan oder Odin den lieben Kindern anfangs Dezember Geschenke brachte und so eigentlich der Vorgänger von Nikolaus war», führt Robi Conrad aus. Mit den Präsenten sollte den Kindern die Wartezeit bis zur Rückkehr des Lichts verkürzt werden. «In und nach der Reformation schwand aber die Heiligenverehrung. Deshalb bringt das Christkind ab dem 16. Jahrhundert jeweils am 24. Dezember die Geschenke.» Eine Ausnahme bildet der angelsächsische Raum. Dort bringt Father Christmas oder Santa in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember die Geschenke und legt diese in die aufgehängten Strümpfe.

Da haben wir also die Bescherung: Dieser Begriff stammt übrigens vom Mittelhochdeutschen «beschern», was so viel heisst wie verteilen oder zuteilen. Mit dem Bechern von Glühwein hat es nichts zu tun, wie Robi Conrad mit einem Lachen betont.


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