Sollen die Autobahnen ausgebaut werden?

  10.11.2024 Fricktal, Abstimmungen

Pro und Contra zur Abstimmung am 24. November: Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen

Pro

Ja zum punktuellen Ausbau der Nationalstrassen!

Die Nationalstrassen haben in der Schweiz einen extrem hohen Stellenwert. Auf rund 3 % des gesamten Strassennetzes werden über 40 % des Individual- und rund 70 % des Güterverkehrs abgewickelt. Sie sind das Rückgrat unseres Strassenverkehrssystems und essenziell für die Mobilität in der Schweiz. Die Nationalstrassen entlasten die Städte, Gemeinden und Quartiere und schaffen dort Raum für die Entwicklung des Fuss- und Veloverkehrs, sowie für die öffentlichen Transportmittel. Seit den 1990er-Jahren hat sich der Verkehr verdoppelt, auch auf Grund des Bevölkerungswachstums. Die Staustunden steigen seit Jahren und darunter leidet vor allem die Zuverlässigkeit unseres Verkehrssystems.

Wir alle sind betroffen durch Staus!
Fliesst der Verkehr nicht auf den Nationalstrassen, versucht er auszuweichen. Autos und Lastwagen belasten Dorf- und Quartierstrassen und machen sie unsicherer. Staus beeinträchtigen so die Lebensqualität durch erhöhte Lärmbelastung und Luftverschmutzung. Wir alle sind betroffen durch die Folgen von Staus und Verkehrsüberlastungen. Ganze Agglomerationen leiden unter den Folgen des Ausweichverkehrs. Das Gewerbe ist mitbetroffen, indem die Planbarkeit ihrer Gütertransporte beeinträchtigt wird. Und Staus haben auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft durch Produktivitätseinbussen, verzögerte Lieferungen und verlorene Arbeitsstunden. Die Landwirtschaft ist ebenso betroffen und profitiert von den Ausbauten. Viele Produktionsmittel gelangen via Autobahnen zu den landwirtschaftlichen Betrieben, wie z. B. Futtermittel, Dünger, Saatgut oder Maschinen. Die Produkte der Landwirtschaft gelangen dann oft ebenfalls via Autobahnen zu den Verarbeitungs- und Verteilbetrieben.

Der Ausbau erzeugt nicht automatisch mehr Verkehr!
Der bestehende Verkehr soll verflüssigt werden. Es werden keine neuen Strassenverbindungen gebaut. Das hätte Mehrverkehr zur Folge. Das Ziel der sechs Teilprojekte ist jedoch, punktuell Stauschwerpunkte zu beheben und den Ausweichverkehr zurück auf die Autobahnen zu bringen. Jeder, der nach Basel fährt, kennt das Problem: nicht nur auf der Autobahn staut sich der Verkehr, sondern auch der Grossraum Basel ist morgens und abends komplett überlastet. Durch den neuen Tunnel wird der Verkehr entlastet durch die Trennung von Durchgangs- und Regionalverkehr.

Die Schweiz wird nicht zubetoniert!
Die geplanten sechs Ausbauprojekte bei Basel, Genf, Region Bern, Schaffhausen und St. Gallen sind so geplant, dass der Landverbrauch möglichst gering ausfällt. Eingriffe in die Umwelt werden mit Ersatzmassnahmen und Renaturierungen ausgeglichen. Die Tunnelprojekte beanspruchen zudem kein zusätzliches Land. Die Zufahrten zu den Tunnels werden mit Lärmschutzmassnahmen ausgestaltet.

In Schienen- und Strassenverkehr investieren!
Für die zukünftige Mobilität in der Schweiz ist die Gesamtsicht erforderlich. Es braucht sowohl den Strassen- wie den Schienenverkehr. Deshalb investiert der Bund in beide Verkehrsträger. Der Bund will die Bahn mit weiteren Ausbauprojekten erweitern. Im Ausbauschritt 2025 wird die Kapazität in grossen Bahnknoten, wie Genf, Basel und Bern und an vielen anderen Orten steigen. Eine Angebotsverdichtung wird so ermöglicht. Ein nächster Ausbauschritt ist mit dem Programm 2035 geplant. Die Investitionen in die Strassen- und Schieneninfrastruktur ergänzen sich gegenseitig und tragen zu einem leistungsfähigen Gesamtverkehrssystem bei.

Ein Ja zu den Ausbauprojekten der Nationalstrassen ist sinnvoll!


Contra

Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten

Dies ist keine alte Weisheit, sondern mehrfach wissenschaftlich belegt. Autobahnausbau zur Bekämpfung von Staus ist genau so wirksam wie das Lockern des Gürtels, zur Bekämpfung von Übergewicht. Kapazitätserweiterungen werden in spätestens einem Jahrzehnt wieder zunichte gemacht und es muss erneut gebaut werden.

Mit mehr Spuren kann flüssiger gefahren werden. Dies lockt neue Autofahrende an. In der Theorie würden weitere Orte schneller erreichbar. Das führt zum Beispiel dazu, dass Handwerksbetriebe plötzlich Kundschaft in einer anderen Ecke der Schweiz bedienen und umgekehrt. Jeder neue Anschluss und jede neue Spur führen aber zu längeren Wegen, zum Bau von Wohnsiedlungen und Einkaufzentren, die alle nur mit dem Auto erreichbar sind. Von den Kosten von über 5 Milliarden Franken ganz zu schweigen. Laut Bundesamt für Statistik beliefen sich die externen Kosten des Schweizer Verkehrssystems im Jahr 2020 bereits auf 11,9 Milliarden Franken.

Der Autobahnausbau ist ein falsches Signal. Er bedeutet mehr Lärm, mehr toxische Gase, mehr Abrieb und somit Mikroplastik. Zudem geht wertvolles Kulturland verloren. Laut Astra beträgt der ganze Flächenbedarf allein bei der nun geplanten Etappe 52,9 Hektaren, davon knapp 10 Hektaren Fruchtfolgeflächen. Sie werden der Produktion für immer entzogen. Zum Garantieren der Ernährungssicherheit und für eine intakte Biodiversität brauchen wir aber fruchtbare Böden. In Zeiten von Klimawandel und Artensterben sollten so wenige Böden wie möglich versiegelt werden. Der Strassenverkehr ist für einen Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Mit dem Ausbau würde es noch unwahrscheinlicher, die Klimaund Umweltziele zu erreichen und die negativen ökologischen und sozialen Folgen wären gravierend.

Gesunde Alternativen wären zum Beispiel die Förderung des ÖV, des Velos oder die Verbesserung der Fusswege. Über 340 Fachleute aus dem Mobilitätsbereich lehnen den «Ausbauschritt 2023» ebenfalls ab. Warum? Es fehlen eine gesamtverkehrliche Betrachtung, langfristige Perspektiven und alternative Mobilitätslösungen. Ebenfalls fehlen die Berücksichtigung von Mobility-Pricing, das Optimieren der bestehenden Infrastruktur, der prognostizierte Verkehrsrückgang ab 2030, digitale Lösungen gegen den Stau etc. Der Mobilitätsausbau steht auch im Widerspruch zur Mobilitätspolitik der Kantone und des Bundes. Diese zielt darauf ab, den Verkehr zu begrenzen und Alternativen zu fördern, zum Beispiel mit dem Ausbau des Fuss- und Velonetzes. Dessen externer Gesundheitsnutzen beläuft sich auf 1,5 Milliarden Franken.

Ebenfalls ist es falsch zu denken, der Ausweichverkehr durch die Dörfer und Städte nähme bei einem Ausbau ab. Mit der grösseren Kapazität auf den Autobahnen wird dieser auch in Dörfern und Städten zunehmen. Zudem sagt das Bundesamt für Statistik, dass der allermeiste motorisierte Individualverkehr über kurze Distanzen geht und durch Freizeitaktivitäten bestimmt ist.

Von Befürwortenden der Vorlage wird gerne ins Feld geführt, dass die hohe Zuwanderung ein Grund für die Verkehrszunahme darstelle. Dieses Argument hinkt, weil wir diese Menschen brauchen, um unseren Wohlstand erhalten zu können.

Fast eine halbe Million Pendlerinnen und Pendler überqueren täglich die Grenze, um in der Schweiz zur Arbeit zu gelangen. Dies oft wie viele andere auch mit einer Person pro Auto. Darum müssen unbedingt ÖV-Angebote, Velound Fusswegausbau, als auch grenzüberschreitendes Carsharing gefördert werden.

Fazit: Das Strassen-Angebot bestimmt das Verkehrsaufkommen und nicht umgekehrt!


Darum geht es

Mit dem Ausbauschritt 2023 wollen Bundesrat und Parlament die Engpässe auf den folgenden sechs Abschnitten beseitigen:

• A1 zwischen Le Vengeron und Nyon
• A1 bei St. Gallen (3. Röhre Rosenbergtunnel)
• A1 zwischen Schönbühl und Kirchberg
• A2 bei Basel (neuer Rheintunnel)
• A1 zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl
• A4 bei Schaffhausen (2. Röhre Fäsenstaubtunnel)

Für diese Projekte sind 4,9 Milliarden Franken vorgesehen. Die Projekte werden durch den motorisierten Verkehr aus dem zweckgebundenen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds finanziert. Am Bewilligungsverfahren ändert sich nichts: Direkt betroffene Personen, Gemeinden und Verbände können sich zu den einzelnen Projekten äussern und gegebenenfalls Beschwerde vor Gericht einreichen. Gegen den Ausbauschritt 2023 wurde das Referendum ergriffen. Deshalb stimmen wir darüber ab. (nfz/mgt)


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