Nationalrat will Eigenmietwert abschaffen
03.10.2024 PolitikBericht aus Bundesbern
BERN. Vom 9. bis 27. September 2024 fand die reichbefrachtete Herbstsession statt. Die Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwerts von Wohneigentum führt seit Jahren zu grossen Diskussionen. Wenn es nach dem Nationalrat geht, soll für Hauseigentümer der Eigenmietwert abgeschafft werden, auch bei Zweitwohnungen. Im Interesse der Tourismuskantone soll dafür eine Verfassungsgrundlage für eine Objektsteuer auf Zweitwohnungen geschaffen werden. Als nächstes befasst sich der Ständerat mit der Vorlage.
Während der drei Wochen Herbstsession fand auch noch eine ausserordentliche Session Asyl statt. Mindestens 50 Nationalräte können eine solche beantragen. Zahlreiche Vorstösse rund um das Thema Asyl wurden behandelt und es fanden intensive Debatten statt. Mit 105 zu 74 Stimmen beschloss der Nationalrat, dass vorläufig Aufgenommenen kein Familiennachzug gewährt werden soll. Ebenso fand ein Vorstoss für die Systematisierung des Datenaustauschs bei illegalen Migranten mit 119 Ja- zu 71 Nein-Stimmen eine Mehrheit, dies mit dem Ziel, illegalen Aufenthalt in der Schweiz zu unterbinden. Mit 94 zu 89 Stimmen lehnte es der Nationalrat ab, das Asylverfahren für Personen einzuschränken, die vor ihrer Einreise in die Schweiz durch mehrere sichere Staaten gereist sind.
Im Bereich Landwirtschaft gab es auch diverse Geschäfte zu beraten. Der Nationalrat möchte mehr für das Schweizer Getreide tun und nahm einen Vorstoss an, welcher die Aufhebung der Zollbegünstigung für Importe von Teiglingen und Backwaren verlangt. Relativ knapp verworfen wurde ein Vorstoss aus SVP-Kreisen, der die Rahmenbedingungen für die Milchproduktion verbessern wollte.
Für grössere Diskussion sorgte die Forderung nach Massnahmen zur Rettung des Stahlwerks Gerlafingen. Die Befürworter argumentierten damit, dass eine einheimische Stahlproduktion von strategischem Interesse für die Schweiz ist. Schliesslich folgte eine Mehrheit den Argumenten und der Vorstoss wurde überwiesen.
Weiter will der Nationalrat, dass kritische Infrastruktur vor dem Ausverkauf ins Ausland geschützt werden soll. In der Herbstsession hat er an einem früheren Entscheid mit 120 zu 67 Stimmen festgehalten. Ziel ist es, strategisch wichtige Schweizer Kraftwerke sowie Strom- und Gasnetze vor einem Verkauf ins Ausland zu schützen. Jetzt ist der Ständerat am Zug. Lehnt er die Vorlage ab, ist sie vom Tisch.
Ebenfalls soll der Umbau der Post gebremst werden. Eine Mehrheit der Nationalräte verlangt, dass dem Parlament eine Revision des Postgesetzes vorgelegt wird. Bis dahin soll der Bundesrat auf Anpassungen der Postverordnung verzichten und durchsetzen, dass Pläne zum Verzicht auf die Zustellung in Kleinsiedlungen und zur Schliessung von Poststellen sistiert werden.
Mit 101 zu 71 Stimmen überwies der Nationalrat auch einen Vorstoss, welcher die Ausweitung der Unverjährbarkeit von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen verlangt.
Die Wintersession beginnt am 2. Dezember und dauert bis am 20. Dezember 2024.
KOMMENTAR
Für die Rechte von minderjährigen Opfern
Gemäss Strafgesetzbuch gilt die Unverjährbarkeit für sexuellen Missbrauch von Kindern nur für unter 12-Jährige. Der Nationalrat will dies ändern und verlangt neu die Ausweitung der Unverjährbarkeit bis zu 16 Jahren. Dies ist aus meiner Sicht richtig. Die Ausweitung der Unverjährbarkeit bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen ist wichtig zur Durchsetzung von Gerechtigkeit. Opfer haben mit der Unverjährbarkeit jederzeit die Möglichkeit, Gerechtigkeit zu verlangen, unabhängig vom Zeitpunkt des Missbrauchs. Ebenfalls stellt die Unverjährbarkeit sicher, dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden können und nicht nach einer gewissen Zeit Straffreiheit erlangen. Minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch leiden oft sehr lange und können erst viel später über das Erlebte sprechen. Die Unverjährbarkeit gibt ihnen die Möglichkeit, Gerechtigkeit zu erlangen, auch wenn seit den Vorfällen Jahre vergangen sind.
CHRISTOPH RINER