Kaisten – Afrika retour
12.10.2024 Persönlich, KaistenSeit fast 50 Jahren ist Marcel Grossenbacher in der afrikanischen Textilbranche tätig
Die Arbeit mit seinen afrikanischen Partnern schätzt der Kaister sehr. Von der Bevölkerung kann er nur Gutes erzählen. Marcel Grossenbacher hat mit seiner Familie sogar einige Jahre in Nigeria gelebt.
Susanne Hörth
Der Zufall wollte es so, erklärt Marcel Grossenbacher auf die Frage, was ihn zu seiner Arbeit in Afrika brachte. Um von diesem Zufall zu erzählen, muss er das Rad der Zeit um gleich mehrere Jahrzehnte zurückdrehen. «Ich war ein ziemlich fauler Schüler. Eine Klasse im Gymi musste ich deswegen sogar wiederholen.» Immer mehr drängte sich in jener Zeit die Frage nach der beruflichen Zukunft auf. «Ich begann mit einer KV-Lehre. Kniete mich dann auch wirklich rein und konnte die Lehre mit einer Note von 5,3 erfolgreich abschliessen.» Durch seine Leistungen wie auch durch seine offene Art Neuem gegenüber fiel er dem Buchhalter des Lehrbetriebes auf. Als sich dieser Mann mit einer internationalen Handelsfirma mit Schwerpunkt Metallbau selbstständig machte, fragte er den jungen Kaufmann Grossenbacher, ob er bei ihm arbeiten möchte. Dieser sagte zu.
Kurz darauf begann das berufliche Abenteuer Afrika. «Ich war gerade 21 Jahre alt, als mich mein Chef für die Firma ein halbes Jahr nach Nigeria schicken wollte.» Nigeria? «Ich wusste damals noch nicht einmal, wo das ist, geschweige, was mich dort erwarten würde.» Seine Neugierde und die bereits erwähnte offene Art verdrängten die Unsicherheiten und liessen ihn kurz darauf mit dem Zug nach Luxemburg fahren und von dort als einziger Passagier hinter dem Piloten Platz in einem Frachtflugzeug nehmen. Im kommenden halben Jahr lernte er Nigeria kennen, auch die Menschen dort. Die Liebe und Begeisterung für Afrika begannen zu wachsen. «Die Leute dort sind sehr herzlich. Auch, wenn sie nichts haben, so helfen sie dir, unterstützen dich, wo es möglich ist.»
In der Textilbranche tätig
Der heute 69-jährige Kaister mit Basler Wurzeln führt sein längst eigenes Unternehmen mit gleicher Begeisterung seit nunmehr bald fünf Jahrzehnten. Seine Firma Novac ist Lieferantin von Textilmaschinen und bietet dazu auch einen umfassenden Service, wozu auch das Vermitteln von technischem Fachwissen gehört. «Wir bieten vom Rohmaterial Baumwollgarn bis hin zum gefärbten oder bedruckten Stoff und dessen Zuschneiden alles an.» Dafür arbeiten Marcel Grossenbacher und sein Team mit lokalen Partnern in Äthiopien, Ghana, Nigeria, Kenia, Tansania und Uganda zusammen. Sie sind in diesen Ländern für rund 60 grosse Textil fabriken tätig. Wenn auch der Firmensitz in der Schweiz ist, so trifft man Marcel Grossenbacher regelmässig bei seinen Kunden und Partnern vor Ort in Afrika an. Dass ihm in seiner Arbeit nichts geschenkt wird, verdeutlicht er auch damit: «Du musst bei den Geschäftskunden schon sehr gute Argumente vorbringen, damit sie deine Firma und nicht eine aus China oder Indien berücksichtigen. Von 100 Offerten komme ich etwa mit 5 durch.» Das Besondere daran ist, dass die meisten Textilfabriken in Afrika von Chinesen oder Indern betrieben werden. Die Arbeitnehmenden hingegen sind zumeist Leute aus der Region. Dranbleiben und Geduld haben, zahlen sich trotzdem immer wieder aus, weiss Grossenbacher längst aus Erfahrung.
Es verwundert nicht wirklich, dass die enge Verbindung zum afrikanischen Kontinent, den Menschen und ihren Kulturen auch in der grossen Eigentumswohnung in Kaisten spürund sichtbar ist. Ganz viel in dieser Wohnung erzählt von der Begeisterung der Eheleute über Afrika.
Aufgewachsen ist Marcel Grossenbacher in Basel. Einer Stadt, der er auch heute noch immer eng verbunden ist. Ist von Basel die Rede, ist vielfach der FC Basel nicht weit. Marcel Grossenbacher hat dort in der Jugendmannschaft gespielt. Heute ist er dem Club als Zuschauer nach wie vor eng verbunden. «Meine Frau Doris aber noch viel mehr als ich», grinst er. Sie habe auch bei Niederlagen immer Verständnis, er nicht. Gemeinsam kulturelle Anlässe besuchen, ist dem Ehepaar ebenfalls wichtig. Und immer wieder steigt Ehefrau Doris mit ins Flugzeug, um ihren Mann bei seinen beruflichen Afrikareisen zu begleiten. Sie tat es ebenso 1992, um mit ihm und den Kindern ganz in Nigeria zu leben.
Patchwork-Familie
«Wir sind eine Patchwork-Familie», erzählt Marcel Grossenbacher. Er brachte aus einer früheren Beziehung zwei Söhne und sie eine Tochter sowie einen Sohn in die Ehe. Später kamen noch eine gemeinsame Tochter und ein Sohn dazu. Weil die jüngste Tochter in den Jahren bis 1996 immer wieder krank wurde – Marcel Grossenbacher sieht den Grund in der hohen Luftverschmutzung Afrikas – entschied sich das Ehepaar, zurück in die Schweiz zu kehren. Zuerst in eine Wohnung nach Riehen, dann suchten sie ein Haus. Die hohen Hypozinsen in Basel liessen sie den Blick auch in andere Regionen werfen. In Kaisten, mit einem Siebeneinhalb-Zimmer-Haus wurden sie fündig. «1998 sind wir nach Kaisten gezogen und haben es trotz anfänglicher Bedenken unserer Kinder noch keinen einzigen Tag bereut», sagt er zufrieden.
Das grosse Wissen über Afrika kam dem Ehepaar Grossen bacher entgegen, als sich zuerst Doris Grossenbacher vor fünf und dann zwei Jahre später ihr Ehemann entschied, im Stiftungsrat der in Kaisten beheimateten Elsy-Amsler-Stiftung mitzuwirken. Das Kenia-Hilfswerk und seine vielen Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekte begleiten sie seither mit regelmässigen Besuchen vor Ort.
Nicht arbeiten ist langweilig
Nächstes Jahr wird Marcel Grossenbacher 70 Jahre alt. Anzusehen ist ihm das nicht, er wirkt deutlich jünger. Gleichwohl: Ist das Alter ein Grund, das Geschäft rund um die Textilindustrie in Afrika in jüngere Hände zu legen? Er schüttelt den Kopf. «Es gibt nichs Langweiligeres, als nicht mehr zu arbeiten. Dass ich dafür nach wie vor rund um die Uhr erreichbar sein muss, darf, ist Teil meines Geschäftes.» Ein Geschäft, das ihm seit nunmehr fast einem halben Jahrhundert immer wieder mal zeigt, dass er offen sein muss für alles; sich, wenn nötig schnell auf veränderte Situationen einstellt und immer wieder auch schnelles Handeln von ihm verlangt. Gestresst ist er deshalb nicht. «Das gehört dazu.» Etwas möchte Marcel Grossen bacher den Leuten noch mitgeben. «Jeder, der ins Ausland geht, muss sich stets bewusst sein, dass er dort Gast ist. Du musst dich mit den lokalen Begebenheiten zurechtfinden und dich dem anpassen.»