«Gemeinderat ist eines der wertvollsten Ämter in der Politik»

  23.11.2024 Magden

André Schreyer ist seit 2003 Mitglied des Gemeinderats von Magden und seit 2017 Gemeindeammann. Diese Ära geht nun zu Ende. Im Interview erklärt der 58-Jährige, wie sich die Gemeinde und die politische Arbeit in der vergangenen 20 Jahren verändert haben.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Schreyer, Sie und Ihre Familie werden Ende Jahr in die Ostschweiz ziehen. Fällt Ihnen der Abschied aus Magden schwer oder leicht?
André Schreyer:
Er fällt mir nicht leicht. Wir haben 25 Jahre in Magden gelebt. Ich bin hier verwurzelt und fühle mich daheim. Wenn ich aber überlege, wie viel Zeit ich künftig gewinne, weil ich deutlich näher bei meinem Hauptarbeitsort wohne, dann bringt das eine deutliche Entspannung. Acht Jahre lang bin ich jetzt zwischen Magden und Uzwil gependelt, das ist künftig nicht mehr nötig. Kommt hinzu: Die neue Gegend am Bodensee ist ebenfalls sehr schön. Ich war immer schon ein Wassermensch und habe vor ein paar Jahren begonnen, zu segeln und Motorboot zu fahren. Da ist es sehr angenehm, in Arbon, direkt am Bodensee, zu wohnen.

Was werden Sie vermissen?
Vermissen werde ich den Kontakt mit der Bevölkerung. Ich bin sehr schnell und sehr herzlich im Dorf aufgenommen worden. Wir lebten erst zwei Jahre hier, als ich bereits in den Gemeinderat gewählt wurde. Magden ist ein Dorf mit offenen Armen; wenn man will, ist man sehr schnell integriert.

Sie sind seit über 20 Jahren Gemeinderat und seit acht Jahren Gemeindeammann von Magden. Am 29. November werden Sie zum letzten Mal die Gemeindeversammlung leiten. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihren Rücktritt aus dem Gemeinderat?
Ich blicke mit guten Gefühlen auf meine Arbeit als Gemeinderat und -ammann zurück. Es war eine spannende, herausfordernde Zeit. Gemeinderat ist eines der wertvollsten Ämter in der Politik. Hier kann man etwas bewegen, von dem die Leute direkt profitieren. Wir konnten in den 20 Jahren viel erreichen. Magden ist heute nicht mehr das gleiche Dorf wie zu Beginn meiner Amtszeit. Die Zusammenarbeit mit den Gemeinderatsmitgliedern und der Verwaltung habe ich sehr geschätzt. Die Erfahrungen fielen insgesamt zu 90 Prozent positiv aus. Was ich aber auch festgestellt habe – und das sind die übrigen 10 Prozent: In den letzten paar Jahren hat die Individualisierung und Egoisierung stark zugenommen: «Ich zuerst» – das gilt heute bei vielen. Der Gemeinderat sah sich teilweise mit Vorwürfen konfrontiert, die weder Hand noch Fuss hatten. Als Politiker weiss ich, dass es Gegenwind geben kann. Es ist aber doch sehr unangenehm, wenn einem das Auto versprayt wird. Das ist mir vor rund drei Jahren passiert und ich muss davon ausgehen, dass dies mit dem Amt zusammenhing.

Es gab teilweise harte Diskussionen in Magden, zum Beispiel wenn es um Einzonungen oder Asylthemen ging. Wie hart war es für Sie?
Grundsätzlich habe ich harte, faire und sachliche Diskussionen sehr gern. Ich kann verschiedene Standpunkte akzeptieren und verstehen. Wenn jemand sagt, ich will nicht, dass dieses Land eingezont wird, dann habe ich Verständnis dafür. Wenn aber ungerechtfertigte und unfaire Vorwürfe erhoben werden, die zum Beispiel dem Gemeinderat Mauscheleien unterstellen, dann habe ich Mühe.

Wie hat sich die Gesprächskultur verändert?
Die Gesprächskultur und vor allem die Haltung haben sich verändert. Als ich als Gemeinderat begann, war ein grundsätzliches Wohlwollen der Bevölkerung zu spüren. Sachthemen wurden zwar kritisch hinterfragt, doch die Bevölkerung hatte mehrheitlich das Gefühl, dass es der Gemeinderat schon richtig macht. In den letzten Jahren hat sich das gedreht: Heute ist ein grundsätzliches Misstrauen zu spüren. Wir haben aber auch aus unseren Fehlern gelernt, denn wir sind ja nicht fehlerfrei. Wir kommunizieren heute sicher mehr als früher. Ich glaube, dass die Situation jetzt entspannter ist als vor einem Jahr. Aktuell gibt es keine umstrittenen Themen.

Sie haben vorhin gesagt, dass Magden heute nicht mehr das gleiche Dorf ist wie vor 20 Jahren. Wie hat sich die Gemeinde verändert?
Auf der einen Seite ist das Dorf bevölkerungsmässig deutlich gewachsen. Daneben haben wir ein neues Gemeindehaus, eine neue Sporthalle und viele weitere Infrastrukturbauten realisiert. Die Gemeindeverwaltung ist heute anders organisiert und auf dem neusten Stand. Magden ist sehr gut aufgestellt für die Zukunft.

Wie hat das Amt Sie verändert?
Ich glaube, ich bin kompromissfähiger geworden aufgrund der Diskussionen im Gemeinderat. Ich bin aber auch verletzlicher geworden.

Gab es Momente, in denen Sie den Bettel am liebsten hingeschmissen hätten?
Nein, soweit ist es nie gekommen. Ich habe aber bei den letzten Wahlen bereits überlegt, ob ich nochmals antreten soll.

Wo sehen Sie die künftigen Herausforderungen für Magden?
Ganz klar bei den Finanzen. In den kommenden Jahren stehen grosse Investitionen an. Ein weiteres Thema ist die innere Verdichtung, Magden kann gegen aussen nicht mehr wachsen. Ein anderes Thema ist die Schule: Dort gibt es heute Probleme, die wir vor 20 Jahren noch nicht hatten. Gewisse Eltern haben das Gefühl, dass ihnen die Schule gehört, weil sie in Magden Steuern zahlen. Das ist ein gesellschaftliches Problem, das es leider in vielen Gemeinden gibt.

Was wünschen Sie der Gemeinde für die Zukunft?
Ich wünsche Magden alles Gute. Und ich wünsche mir, dass sich Magden wieder so entwickelt, wie ich es kennen- und liebengelernt habe: Das Miteinander und Füreinander sollen wieder im Vordergrund stehen und nicht nur die persönlichen Interessen.

Zum Schluss: Werden Sie an Ihrem neuen Wohnort Arbon auch bald für den Gemeinderat kandidieren?
Definitiv nicht. Ich war gerne Gemeinderat und Gemeindeammann, doch jetzt ist das Thema definitiv abgeschlossen. Ich schliesse aber nicht aus, dass ich auch dort gewisse Aufgaben übernehmen werde. Ich engagiere mich gerne.


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