Geldanlage ohne Netz und doppelten Boden
15.11.2024 FricktalBitcoin lebt allein vom Vertrauen ins Netzwerk
Die einen trauen ihm zu, zur globalen Währung aufzusteigen, andere sehen in ihm ein reines Spekulationsobjekt – der Bitcoin polarisiert. Was steckt hinter dem digitalen, kryptographischen Wertaufbewahrungsmittel, das anders als klassische Währungen oder Gold, so gar keine Sicherheit bietet? Die NFZ fragte bei der Raiffeisenbank nach.
Simone Rufli
Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel bzw. Vermögenswerte. Sie sind im weitesten Sinne vergleichbar mit einem Bankguthaben und sind bis heute in den meisten Fällen ein Wertaufbewahrungsmittel.
Im Gegensatz zu Franken, Euro oder Dollar werden Kryptowährungen nicht von einer Zentralbank, sondern von digitalen Algorithmen erstellt. Alle Transaktionen werden auf einer Blockchain gespeichert. Eine Blockchain ist ein digitales Kassenbuch, das für alle einsehbar ist. Die Blöcke einer Bitcoin-Blockchain bilden eine unknackbare Kette. Das Problem: Der Wert von Bitcoin ist enormen Schwankungen unterworfen und Sicherheiten gibt es keine.
Es begann mit der Finanzkrise
Als im Jahr 2008 die US-Investmentbank Lehman Brothers in Konkurs ging und die Welt dadurch in eine Finanzkrise schlitterte, begann der Aufstieg von digitalen Zahlungsmitteln. Damit ein solcher Zusammenbruch nicht mehr geschehe, brauche es eine Währung, die sich nicht beliebig vermehren lasse und nicht inflationär werden könne, so die Befürworter von Bitcoin, dessen Menge bewusst auf 21 Millionen begrenzt ist.
Am 27. Mai 2011 knackte der Bitcoin zum ersten Mal die Marke von 10 Dollar. Für 1000 Franken waren damals noch ganze 100 Bitcoins zu haben – heute sind diese 6,5 Millionen Franken wert.
Ende 2021 kostete ein Bitcoin knapp 60 000 Franken – und sank dann innert zwei Jahren auf 15 000 Franken. Stand 23. Oktober kostete ein Bitcoin rund 57 000 Franken. «Die Gründe für die Kursausschläge liegen bei der stark schwankenden und oft spekulativ getriebenen Nachfrage», so Jeffrey Hochegger, Anlagestratege bei Raiffeisen Schweiz. Für Preisprognosen fehlen die klassischen Bewertungsmodelle. Kauft man eine Aktie, beteiligt man sich an der Firma. Hat die Firma Erfolg, steigt der Wert ihrer Aktien. Hinter einem Bitcoin steht keine Firma, keine Volkswirtschaft. Was ihn am Leben hält, ist einzig das Vertrauen ins Netzwerk und die Angst der Anleger, etwas zu verpassen.
Vergisst man den Code …
Heute muss man kein IT-Spezialist mehr sein, um am Krypto-Netzwerk teilzuhaben. Es gibt Apps, um reales Geld in Bitcoins zu wechseln (z.B. Relai) und es gibt Trading-Plattformen wie Swissquote (eine Bank) oder Bitpanda. Man besitzt ein Konto, auf das man Bitcoin oder andere Kryptowährungen einzahlen und sie wieder verkaufen kann. Dafür muss der Nutzer sich allerdings einen aus zwölf Wörtern bestehenden Code merken beziehungsweise aufschreiben. Vergisst man den Code, ist das Geld weg.
Die Finanzdirektion des Kantons Zug, der sich zu einem eigentlichen Cluster für Unternehmen der digitalen Finanzbranche (FinTech) entwickelt hat, erlaubt seit 2021 natürlichen und juristischen Personen, ihre Steuern mittels Kryptowährungen zu zahlen. «Erhält jemand als angestellte Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer Lohnzahlungen oder Gehaltsnebenleistungen in Form von Bitcoins oder anderen Kryptowährungen, so handelt es sich um steuerbares Erwerbseinkommen, welches auf dem Lohnausweis auszuweisen ist. Als Betrag aufzuführen ist der Wert zum Zeitpunkt des Zuflusses umgerechnet in Schweizer Franken», hält der Kanton Zug auf seiner Webseite fest. Grundsätzlich gilt: Wer Bitcoins hat, ist gut bedient, diese in der Steuererklärung anzugeben. Spätestens, wenn nach dem Verkauf von Bitcoins ein Vermögenszuwachs deklariert wird, werden von den Behörden Fragen kommen. Eine weitere Grenze der Anonymität wird bei der Aufklärung von Gesetzesverstössen erreicht. Strafverfolgungsbehörden haben auch bei Krypto-Konten die Möglichkeit, Transaktionen zur IP-Adresse des Absenders zurückzuverfolgen.
Attraktiv bei hoher Inflationsrate
Im Jahr 2021 hat El Salvador als bisher weltweit einziges Land Bitcoin zur gesetzlichen Landeswährung erklärt. Etwas, das man sich in der Schweiz nicht vorstellen kann. «Wir urteilen aus privilegierter Warte. Der Schweizer Franken ist stabil, die Inflation bei uns sehr überschaubar», so Jeffrey Hochegger. «In Ländern wie Venezuela, Argentinien und der Türkei, wo die Inflationsraten hoch sind und das Vertrauen in die Stabilität der Landeswährung sinkt, suchen die Menschen nach alternativen Möglichkeiten, ihr Vermögen zu sichern.» Kryptowährungen zur Absicherung gegen den Wertverlust der nationalen Währung.
Misstrauen gegenüber Banken
Das System Bitcoin funktioniert zwar unabhängig von Zentralbanken, kann von totalitären Regierungen aber trotzdem kontrolliert oder zum Erliegen gebracht werden, zum Beispiel indem der Zugang zu den Internet-Plattformen gesperrt wird. Steigen Banken ins Krypto-Geschäft ein, um ihren Kunden das Krypto-Wallet (digitales Portemonnaie) zu verwalten, steht das in grundsätzlichem Widerspruch zur Bitcoin-Philosophie. Schliesslich wurden Krypto-Währungen von Leuten erfunden, die Banken misstrauen, um ein Geldsystem ohne Banken zu lancieren.
Worin aber liegt für Otto-Normalverbraucher der Nutzen? Bereits heute verarbeiten Kreditkartenanbieter riesige Mengen an Transaktionen in kürzester Zeit, lässt sich Geld per Twint per sofort von A zu B transferieren. Mit der Echtzeitüberweisung erfolgt die Gutschrift von Geld innerhalb der EU innert zehn Sekunden auf dem Konto des Zahlungsempfängers. Eine Blockchain, wie sie Bitcoins benötigen, ist für all das nicht notwendig.
Energieverbrauch steigend
Ganz abgesehen vom enormen Energieverbrauch, den Bitcoin-Transaktionen verursachen, indem der bestehenden Kette neue Informationen hinzugefügt werden. Die Universität von Cambridge schätzt den aktuellen Strombedarf des Bitcoins auf fast 130 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr, was etwa 0,5% der weltweiten Stromproduktion entspricht – Tendenz steigend. Sogenannte Miner (Bitcoin-Schürfer, in Anlehnung an den Goldabbau in Bergwerken) stellen Strom und Rechenkapazität zur Verfügung, um Bitcoins einer Blockchain hinzuzufügen. Vorzugsweise an Orten, wo Strom billig ist. Als Belohnung erhalten diese Miner eine bestimmte Menge Bitcoins. Dieses Belohnungssystem könnte in Zukunft allerdings auch zum Niedergang des Systems Bitcoin führen. Die Anzahl Bitcoins ist auf 21 Millionen beschränkt, bereits geschürft sind 19,6 Millionen. Bitcoins. Gleichzeitig wird alle vier Jahre mittels Halving (Halbierung) die Belohnung für die Miners halbiert (zuletzt im April 2024). Jeffrey Hochegger: «Das Schürfen von Bitcoin wird durch die immer tiefere Belohnung zunehmend uninteressant.» Sind alle Bitcoins geschürft, gibt es gar keine Belohnung mehr. Laut der Schweizer Kryptobank Sygnum sind aktuell rund 19,6 Millionen Bitcoins im Umlauf, bis circa 2140 kommen nur noch 1,4 Millionen dazu. Der letzte Bitcoin wird um das Jahr 2140 in den Umlauf kommen.