Wohnblock-Garten wird fünfzig

  30.07.2023 Rheinfelden

Seit fünfzig Jahren besteht der «Bewohnerverein Augarten». Die Siedlung hat in dieser Zeit schon viel zu reden gegeben. Die NFZ war vor Ort und befragte einige der rund 3000 Bewohnerinnen und Bewohner.

Yasmin Malard

Der Kontrast zwischen den zahlreichen Wohnblöcken und der reichen Grünf läche fällt direkt auf. Friedlich scheint es hier zu- und herzugehen. Auf die Frage, wie es ihnen im Augarten gefalle, antworten fast alle: «Super, es ist sehr schön hier.» Als ich weiter nachbohre, rücken einige heraus: «Es gibt nur ein paar Kleinigkeiten.» Trotzdem wirken die meisten Bewohnerinnen und Bewohner durchaus zufrieden mit ihrer Wohnsituation. «Was genau gefällt Ihnen denn am Augarten?», will ich wissen. Mit Abstand die häufigste Antwort lautet, es sei ideal hier für die Kinder. Dank der vielen Spielplätze gebe es genug Platz, herumzurennen und sich im Freien auszutoben. Auch die Grünflächen nennen die meisten als einen Vorteil des Quartiers; der Weiher, die Blumen, die Wiesen – alles gut gepf legt. Andreas Hofstetter (68), der mit seinem Enkel auf einem Rasen spielt, freut sich sehr über die grüne Umgebung. Auch die Mieten seien akzeptabel. Hofstetter wohnt erst seit etwas mehr als einem Jahr in der Gegend, aber es gefällt ihm und seiner Familie gut.

Uneinigkeiten über die Lage
Ravi Vijay teilt mit, ihm sage alles zu. Auf die Freiheit, die er hier verspürt, richtet er sein besonderes Augenmerk. Es sei gemütlich und ruhig im Augarten. Wobei, vielleicht ein bisschen zu ruhig. Die Geschäfte seien ziemlich weit weg. Dem stimmt Gisela Walde, eine Rentnerin, zu. «Ein bisschen ab vom Schuss ist das Leben hier schon und das Zentrum schwach belebt.» Auch mit der Post haben die Augärtler immer wieder Probleme. Sie wurde schon ganz geschlossen; jetzt gibt es immerhin wieder einen Abgabeort für Pakete und Briefe, doch ideal sei die Zwischenlösung nicht. Weiter stört es Gisela Walde, dass die Verwaltung des Bewohnervereins Augarten nur zweimal pro Woche zwei Stunden geöffnet hat. Dafür erwähnt sie auch viele Vorteile der Siedlung. Sie wohnt schon sehr lange hier und freut sich besonders über die tadellose Sauberkeit. Auch Sema Cakmak, die gerade mit ihrem Baby im Kinderwagen durch die Strassen spaziert, geniesst die Sauberkeit. «Ich fühle mich hier sicher und geborgen.» Im Gegensatz zu Vijay und Walde erwähnt der 37-jährige Ivan Pejic, wie zentral der Augarten gelegen sei. «Wir sind gut angeschlossen, der öffentliche Verkehr ist hervorragend und es gibt genügend gute Einkaufsmöglichkeiten. Ich fühle mich hier sicher und geborgen.»

Zusammenhalt und Solidarität
Marta Strahm (73) lobt den Treffpunkt im Zentrum. Das Lokal neben dem Denner sei gut besucht, vor allem am Abend. Doch auch schon zur Mittagszeit sassen bei unserer Reportage zehn Bewohner und Bewohnerinnen draussen an den Tischen und plauderten fröhlich miteinander. «Der Zusammenhalt untereinander ist grandios. Wenn man Hilfe braucht, bekommt man sie», erzählt Kurt Meier, ebenfalls 73. Er, obwohl auch nicht mehr der Jüngste, unternimmt mit seinen Freunden Fahrdienste für ältere Personen, die beispielsweise Hilfe beim Einkaufen benötigen. Trotz des guten «Teamspirits» gäbe es Konflikte mit anderen Mitbewohnern. Er habe das Gefühl, dass vor allem Personen mit einem anderen kulturellen Hintergrund bevorzugt werden, indem sie manchmal keine Bussen bezahlen müssten oder keine Bestrafung erhielten, wenn sie Abfallsäcke in öffentlichen Mülleimern entleeren (sein Kollege nickt). Er fühlt sich auch sehr schnell als ausländerfeindlich abgestempelt, wenn er seine Unzufriedenheiten ausspricht. Dabei sagt er mehrmals, dass es auch freundliche und vorzügliche Ausländer im Augarten gebe und nur gewisse sich nicht korrekt verhielten. Anders sieht das Heinz Ackererter. Ihm gefällt die bunte Durchmischung der Kulturen besonders und man könne friedlich nebeneinander leben. Zudem seien die ausländischen Bewohner und Bewohnerinnen lockerer als die alteingesessenen Schweizer, die alle Regeln und Vorschriften pingelig genau befolgen müssten. Mit dieser Aussage bleibt er nicht allein. Auch Marta Strahm bemerkt, dass viele Menschen im Augarten äusserst pingelig seien. Was Heinz Ackererter nervt, sind die – «sehr limitierten»
– Parkplätze, die man nur noch über das Handy bezahlen kann und die vor allem den Besuchern von auswärts Schwierigkeiten bereiten würden. Ausserdem wäre es schön, ein richtiges Restaurant im Augarten zu haben. Um etwas Feines essen gehen zu können, müsse man mindestens zwei Kilometer marschieren. «Aber eigentlich ist es gut hier.»

Zufriedenheit überwiegt
«Wenn ich könnte, würde ich heute schon gehen», meinte die erste Befragte und eilte stürmisch davon. Ganz so schlimm scheint der Augarten aber doch nicht zu sein, wie man nach dieser Aussage vermuten könnte. Am Ende des Spaziergangs durch den Augarten begegne ich einem älteren Mann aus der Ukraine, der nicht aufhört, zu lachen. Auch wenn er mit dem Deutsch zu kämpfen hat, schaffen wir es, einen kleinen Dialog mit Händen und Füssen zu führen. «Sehr schön ist es hier. Gute Stadt, gutes Haus.»


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