Die Säckinger Holzbrücke im Jubiläumsjahr
10.08.2023 Kultur2023 gibt es eine spezielle Stadtführung zur 450-Jahr-Feier des Wahrzeichens
Die Säckinger Stadtführerin Monika Mutter weiss von dem schwierigen Bau der Steinpfeiler, von 3000 Autos täglich auf der Brücke, vom beinah brennenden Nepomuk und vom Brückenzoll, den der Kanton Aargau für seine Grenzgänger nach Deutschland zahlte, zu erzählen. Nur den Grund für das diesjährige Jubiläum kennt sie nicht genau.
Boris Burkhardt
BAD SÄCKINGEN. Bad Säckingen feiert heuer ein ganzes Bündel an Jubiläen: Neben beispielsweise 300 Jahren seit der letzten Fürstäbtissin des Damenstifts Säckingen und dem 100. Geburtstag des Künstlers Frowald Häusler ist das Jubiläum der Holzbrücke zwischen Bad Säckingen und der Gemeinde Stein wohl der greifbarste Grund zum Feiern, jedenfalls aus Fricktaler Sicht.
Welch hohen Stellenwert sie für den Tourismus der Stadt, aber auch für den alltäglichen Austausch zwischen beiden Ufern hat, wurde erst vor drei Jahren schmerzlich ins Bewusstsein gerückt, als sie während des ersten Lockdowns ausnahmslos geschlossen war.
Ausführlich hat sich die Säckinger Stadtführerin Monika Mutter mit der Holzbrücke beschäftigt, die übrigens nie einen anderen Namen hatte. Für das Brückenjubiläum hat sie eine eigene Tour zusammengestellt, die sie insgesamt neunmal anbietet.
Mehrfach zerstört
Erstmals erwähnt wurde eine Holzbrücke in den Colmarer Annalen aus dem Jahr 1272. Durch Kriege und Hochwasser wurde sie mehrfach zerstört und wiederaufgebaut, zuletzt nach einem verheerenden Hochwasser um 1570, 1633 nach dem Dreissigjährigen Krieg und 1678 nach dem Holländischen Krieg. Mit 203,70 Metern ist sie die längste gedeckte Holzbrücke Europas und damit 80 Zentimeter länger als die zweitlängste, die Luzerner Kapellbrücke mit 202,90 Metern.
«450 Jahre Holzbrücke» feiert die Stadt Bad Säckingen offiziell – es wird allerdings nicht ganz klar, auf was sich diese Jahreszahl bezieht. Von der Stadt erhält man die Auskunft, man beziehe sich auf die 400-Jahr-Feier vor 50 Jahren. Da beisst sich die Katze in den Schwanz. Auch Mutter bestätigt auf Nachfrage, dass 1573 kein einschneidendes Ereignis vorliege. Zwischen 1570 und 1630 sei die Holzbrücke nach dem erwähnten Hochwasser erstmals mit den sechs Steinpfeilern versehen worden, die die ursprünglichen zwölf Holzpfeiler ersetzten.
Aus einem heute nicht mehr nachvollziehbaren Grund habe man 1973 offensichtlich das Jahr 1573 als den Baubeginn der neuen Brücke angesehen; die genaue Jahreszahl bleibe aber Vermutung. Offen bleibt ebenso, warum die Stadt nicht im vergangenen Jahr das 750-Jahr-Jubiläum der Ersterwähnung feierte.
Der Bau der Steinpfeiler
Ein denkwürdiges Ereignis war die Errichtung der Steinpfeiler beim Wiederaufbau von 1570 bis 1630 aber durchaus. Mutter beschreibt ausführlich, mit welchem Aufwand die Baugruben trockengelegt wurden: Zunächst wurden Pfähle in die Erde des Flussbetts gerammt, um ein Viereck abzustecken. Dann wurden Waidlinge daran befestigt und mit Lehm verkleidet, der entstandene Hohlraum mit Steinen aufgefüllt. Die lange Bauzeit von 60 Jahren erklärt sich dennoch nur durch eine längere Pause: «Das war eine körperliche und finanzielle Herausforderung», sagt Mutter.
Um 1800 ist die Brücke verbunden mit dem Namen Blasius Balteschwiler (1752–1832) aus dem heutigen Waldshut-Tiengener Stadtteil Indlekofen. Im Fricktal machte sich der Zimmermann und Baumeister vor allem als Gründer des Sägewerks in Sulz 1791 einen Namen; die Balteschwiler AG gehört heute zu den grössten Holzhandelsbetrieben der Schweiz. Zu Lebzeiten wurde Blasius Balteschwiler aber vor allem als Brückenbauer bekannt: Er erbaute unter anderem 1807 die Rheinbrücke in Rheinfelden, 1810 die Laufenbrücke in Laufenburg 1823 die Rheinbrücke Kaiserstuhl–Hohentengen. Die Holzbrücke in Bad Säckingen sanierte er 1778, 1785 und 1810. Mutter zeigt den Schriftzug, mit dem sich Balteschwiler wie damals üblich auf dem Balken des zweiten Jochs (der Brückenteil zwischen zwei Pfeilern) verewigt hat.
Bis 1979 fuhren Autos über die Brücke
Bereits 1567, also noch vor dem Wiederaufbau nach dem Hochwasser, wurde auf der Brücke eine Trinkwasserleitung von Stein nach Säckingen eingerichtet. «Es gab nämlich auch Zeiten, wo die Stadt richtig reich war», sagt Mutter mit einem Schmunzeln. Von den wohlhabenden Zeiten zeugt auch der Brückenzoll, den die Stadt noch bis ins 19. Jahrhundert von allen Passanten verlangt habe.
Ausgenommen von den Gebühren seien nur Kurgäste gewesen – und die Fricktaler Arbeiter, die damals zuhauf als Grenzgänger in der badischen Textilindustrie arbeiteten: Für sie habe der Kanton Fricktal und später der Kanton Aargau eine Pauschale entrichtet. Bis heute gehört übrigens auch der Platz vor dem Brückenkopf in Stein der Stadt Bad Säckingen – sozusagen als Privateigentümerin auf Schweizer Boden.
Heute fast unglaublich ist, dass bis zum Bau der Fridolinsbrücke 1979 die Holzbrücke für den motorisierten Verkehr freigegeben war. Mutter verweist auf die Spurrillen, die auf den Bodenplanken der Brücke noch deutlich sichtbar sind: «3000 Fahrzeuge waren es zum Schluss täglich, die im Ampelverkehr in beide Richtungen fuhren, mit einem Rückstau durch die ganze Säckinger Innenstadt.» Mutter ist sich sicher: «Balteschwiler hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn er gewusst hätte, dass jemals Autos über seine Brücke fahren würden.»
Am 2. September 2009 fuhren noch einmal Autos auf der Brücke: Für die Dreharbeiten des Spielfilms «Der böse Onkel» von Urs Odermatt erlaubte die Stadt Bad Säckingen die Inszenierung eines Verkehrsstaus mit über drei Dutzend Fahrzeugen.
Versuchte Brandstiftungen
In den Neunzigern wurde laut Mutter auch zweimal versucht, die Holzbrücke anzuzünden, vermutlich aus reinem Vandalismus. Einmal sollte das Feuer am deutschen Ufer an die Unterseite der Brücke gelegt werden; einmal sei der Heilige Nepomuk schon mit Benzin übergossen gewesen – beide Male sei der Brand aber durch aufmerksame Passanten verhindert worden.
Eine letzte Gefahr für die Brücke wurde erst 2014 beseitigt: Damals erfuhr die deutsche Öffentlichkeit während der Sanierung der Brücke erstmals, dass die Schweizer Armee in sämtliche Rheinbrücken Sprengstoff eingesetzt hatte, den sie im Verteidigungsfall detoniert hätte. Im Zweiten Weltkrieg war die Holzbrücke erstmals für den allgemeinen Verkehr gesperrt. Mutter weiss noch zu erzählen, dass die deutschen Behörden nur im Sterbefall enger Verwandte die Einreise in die Schweiz genehmigten: «Wer sich bis 22 Uhr nicht zurückmeldete, wurde von der Polizei gesucht.»
Direkt nach dem Krieg sei die Brücke jedoch wieder ein Weg der Versöhnung gewesen: Täglich hätten Steiner und andere Fricktaler Frauen Suppe als Schulspeise für die Kinder gebracht: Sie durften damals nur bis zum Säckinger Brückenkopf gehen, wo die Suppe umgefüllt wurde. Dennoch berichtet Mutter von Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg, die ihr erzählt hätten, dass die Sperrung damals nicht so schlimm gewesen sei wie 2020 während Corona.
Die Stadtführerin Monika Sutter führt noch am 2., 9., 23. und 30. September über die Holzbrücke. Kontakt und Informationen unter www.mmtours-bs.de