Sterne der Tugenden und Herren der Ringe

  01.08.2021 Fricktal

Fricktaler Gemeindewappen (2): Weltliche Herrschaftszeichen

In einer Serie stellt die NFZ die Herkunft und Bedeutung der Gemeindewappen des Fricktals vor. In der zweiten Folge geht es um die Vermächtnisse aristokratischer Herrschaftsverhältnisse.

Boris Burkhardt

Noch älter als der Laufenburger Löwe von 1461 ist das Rheinfelder Stadtwappen: fünfmal geteilt von Gold und Rot, die roten Plätze belegt mit je drei sechsstrahligen goldenen Sternen. Es ist, noch ohne Sterne, bereits in einem Siegel aus dem Jahre 1236 belegt. Das Rheinfelder Wappen ist ein typisches Herrschaftswappen und geht zurück auf die Grafen von Rheinfelden aus dem 10. Jahrhundert. Zwar ist auch der Laufenburger Löwe das Herrschaftszeichen der Habsburger. Der Löwe steht aber auch für sich genommen als Symbol für Mut und Majestät (wir berichteten). Eine reine Farbkombination wie im Wappen der Grafen von Rheinfelden ist ohne die Verbindung zu diesem Adelswappen jedoch bedeutungslos, wenn auch die Farben in der frühen Heraldik eine emotionale Wertigkeit hatten.

Immer mehr Sterne
Denn das Rheinfelder Wappen entspricht den ursprünglichsten Wappen und ist auch so alt. Als im Jahre 1095 die christlichen Krieger der westlichen Welt zum Ersten Kreuzzug aufgerufen waren, entstand zum ersten Mal das Bedürfnis, Kämpfer derselben Landsmannschaft schon von ferne auf dem Schlachtfeld zu erkennen. Dem dienten einfache Formen wie die Rheinfelder Balken in möglichst kontrastreichen Farben: Daher stammt auch die heraldische Regel, dass die Metalle Gold (Gelb) und Silber (Weiss) nicht nebeneinanderliegen dürfen, sondern sich immer mit einer der heraldischen Farben Rot, Blau, Grün und Schwarz abwechseln müssen.

Die Sterne haben an sich keine Bedeutung und waren wie erwähnt kein Bestandteil des Adelswappens. Sie tauchen erstmals 1247 im Stadtsiegel auf, zunächst sechs, auf die roten Felder im Verhältnis drei, zwei, eins verteilt. Ab 1533 waren es sieben, ab 1599 dann schliesslich neun Sterne. Anordnung und Zahl der Sterne änderte sich allerdings noch häufiger, weshalb die Zuordnung eines jeden Sterns zu einer Tugend der Stadtbewohner nicht allzu alt sein kann. Die Sterne sollen demnach für Biederkeit, Ehre, Glaube, Freiheit, Rechtschaffenheit, Regsamkeit, Todesverachtung, Treue und Uneigennützigkeit stehen; dies ist aber keine heraldische Herleitung.

Lange zogen sich auch die Diskussionen hin, ob das Wappen im Schildhaupt mit Gold oder Rot beginnen sollte: Erst entschied sich die Stadt 1952 für Rot, 1985 dann endgültig für Gold. Dieser Entscheid ist insofern unglücklich, als dass sich nun drei Sterne im untersten Balken zusammendrängen müssen und somit die Symmetrie gestört ist. Interessanterweise behielt das Wappen des Bezirks Rheinfelden die alte Variante beginnend mit Rot bei. Der Bezirk Rheinfelden ist damit neben Zurzach der einzige im Kanton Aargau, der ein anderes Wappen führt als der namensgebende Hauptort.

Die Oeschger Ringe
Wie mit den Rheinfelder Balken und Sternen verhält es sich mit den Ringen von Oeschgen: geteilt von Schwarz mit zwei goldenen Ringen und von Gold mit schwarzem Ring. Die Gemeinde übernahm das Wappen der Herren von Schönau im Wiesental, die von 1475 bis 1797 Herrschaftsrechte in der Gemeinde besassen. 1915 machte der Kanton erstmals diesen Vorschlag. 1940 reichte die Gemeinde dem Staatsarchiv zur Begutachtung das Wappen mit zwei goldenen Ringen auf silbernem Feld und einem silbernen Ring auf schwarzem Feld ein, das sie seit 1930 führte. Umgehend wurde die Gemeinde auf die wie erwähnt unheraldische Farbkombination von Metall auf Metall aufmerksamgemacht.

Zusätzlich stellte die ehrenamtliche Wappenkommission der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau von 1945 bis 1966 im Jahre 1949 fest, dass das Adelsgeschlecht der Schönauer ennet der Grenze noch eine «blühende Familie» war und ihr Wappen deshalb nur mit ihrer Genehmigung hätte verwendet werden dürfen, die aber wiederum nicht vorlag. 1976 löste sich das Problem aber in Wohlgefallen auf, als Werner Freiherr von Schönau-Wehr von seinem Wohnsitz in Titisee-Neustadt schrieb, dass er die Gemeinde Oeschgen «mit Freude» zur unveränderten Führung des Familienwappens ermächtige. Die Schönauer Ringe führen ausserdem im Wiesental die Gemeinde Häg-Ehrsberg, die Zeller Stadtteile Atzenbach, Pfaffenberg und Riedichen sowie am Hochrhein die Gemeinde Schwörstadt. Ironischerweise trägt das Wappen der Stadt Schönau selbst keine Ringe.

Besondere Stellung von Schupfart
Unter den Wappen im Fricktal nimmt das von Schupfart eine besondere Stellung ein: in Silbern ein grünes Lindenblatt. Das Lindenblatt stammt nämlich vom Siegel des Homburger Vogtsamts in Frick und war von 1802 bis 1803 Wappen des kurzlebigen Kantons Fricktal. 2003 wurde es als Wappen des Fricktal-Regio-Planungsverbands reaktiviert. Nach der Gründung des Kantons Aargau hatten einige Fricktaler Gemeinden, darunter Schupfart, das Lindenblatt als Wappen eingeführt. Schupfart durfte es schliesslich aus dem einfachen Grund behalten, weil bis 1949 alle anderen Gemeinden andere Wappenfiguren gewählt hatten.

Wie das Lindenblatt zeigt, können Wappen alter Herren des Dorfes auch gegenständlich sein. So geht das Steiner Wappen ebenso auf das Adelswappen der Herren von Stein zurück: in Rot eine schräg gestürzte silberne Fiedel. Das Musikinstrument wurde 1957 von der Gemeinde genehmigt und ab 1962 im Gemeindestempel und auf Briefköpfen verwendet. Zuvor zeigte das Steiner Wappen in Grün über einem silbernen Quaderstein ein gewelltes Flussband mit der Aufschrift Rhein. Dieses Wappen war aber laut der Wappenkommission «heraldisch ganz bedenklich».

Die Mauer im Wegenstetter Wappen geht auf das Siegel des Hans von Wegenstetten, Bürger zu Basel, zurück: in Rot eine schwarzgefugte silberne Mauer mit vier Zinnen und Schiessscharten. 1915 hatte die Wappenkommission der Gemeinde die Mauer sowie die Streitaxt aus dem Siegel des Johanns von Wegenstetten, Schultheiss zu Rheinfelden, zur Auswahl vorgelegt. Der Entscheid fiel auf die Mauer mit vier Zinnen. 1956 wollte die Wappenkommission das Wegenstetter Wappen vom sehr ähnlichen Wappen von Muri abgrenzen; die Gemeindeversammlung lehnte jedoch eine blaue oder grüne Schildfarbe «vehement» ab. Wenigstens waren die Wegenstetter bereit, im Sinne eines einzigartigen Wappens die Zinnen zu bedachen und markante Schiessscharten einzufügen.

Eiken übernahm nicht einfach Wappenfiguren früherer Adelswappen, sondern kam auf einem anderen Weg zu einem Hoheitszeichen: in Rot ein goldener Pfahl, belegt mit schwarzem Vogtsstab und beseitet von je zwei nach aussen schräggestellten goldenen Ähren. Der Vorschlag der Wappenkommission bezieht sich auf den historischen Vogteisitz in Eiken. Die Ähren symbolisieren die vier Dörfer dieser Vogtei Eiken, Schupfart, Münchwilen und Obermumpf, in denen allesamt der Getreidebau eine grosse Rolle spielte. Die Farben Rot und Gold verweisen auf die Herrschaft Rheinfelden. 1945 hatte die Gemeinde einen Eichen- oder Kirschzweig als Wappenfigur vorgeschlagen. Die Eiche war eine falsche Deutung des Ortsnamens; der Kirschbaum sollte den Anbau in der Region würdigen.

Bemerkenswert ist, dass trotz der Zugehörigkeit über sechs Jahrhunderte zu Vorderösterreich der österreichische Bindenschild in Rot-Silbern-Rot in keinem Fricktaler Gemeindewappen auftaucht, während er im restlichen ehemaligen Vorderösterreich, am deutschen Hochrhein, im Elsass, im Breisgau und in Schwaben, sehr häufig anzutreffen ist. Im Aargau führt unter anderem Zofingen den österreichischen Bindenschild in doppelter Anordnung, Mellingen (Bezirk Baden) sogar kombiniert mit dem Habsburger Löwen.


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