Wie in einer Grotte
04.07.2021 RheinfeldenHinter verschlossenen Türen: die alte Salmenbrauerei in Rheinfelden
Am Rheinufer unterhalb des Salmenparks in Rheinfelden gibt es in der Hangwand viele Türen, die nur noch selten geöffnet werden: Einst führten sie in die Lager der Brauerei; doch mit dem Umbau haben die meisten ihre Funktion verloren.
Boris Burkhardt
In mittelalterlichen Stadttoren gab es oftmals eine kleine Tür, durch die Menschen noch in die Stadt kommen konnten, wenn das eigentliche Tor für Pferde und Wagen geschlossen war. Wie eine moderne Variante eines solchen Stadttores wirkt die verschlossene Tür der untersten Ebene des Salmenparks am Rheinufer: Die menschengrosse Metalltür ist allerdings nicht in ein Holztor eingelassen, sondern in die Wand aus Beton, mit dem der grosse Torbogen aus rotem Sandstein zugemauert wurde. Jedem Spaziergänger und Jogger am Rheinbord entlang wird sie schon aufgefallen sein. Noch bis vor 20 Jahren wurden aus diesem Torbogen vermutlich Bierfässer transportiert, bevor die Brauerei Salmenbräu ihren Betrieb einstellte.
Lagerräume sind verschwunden
Seit der Entstehung des Wohngebiets Salmenpark auf dem ehemaligen Brauereigelände ist Heiko Kaiser einer der wenigen Menschen, die einen Schlüssel zu dieser Tür haben. Kaiser ist der Technische Hauswart der Wohnanlage und schaut auf dem gesamten Salmenpark-Areal nach dem Rechten. Die Tür, die in den zugemauerten Torbogen führt, öffnet er allerdings höchstens einmal im Jahr zur Kontrolle. Denn der Blick dahinter ist trotz seiner Warnung eine Enttäuschung: ein leicht abschüssiger Gewölbegang so breit wie das Tor, der nach nicht einmal zehn Metern als Sackgasse endet.
In den Eingeweiden des Hangs zwischen Rhein und Bebauung befanden sich die Lagerräume der Brauerei. Mit dem Bau des Wohngebiets Salmenpark entstand an ihrer Stelle die Tiefgarage; die toten Gänge wurden wie in einem Labyrinth zugemauert. Auch hinter den anderen Türen im grossen Hangfundament verbergen sich kurze Gänge mit teils eingestürzten Seitenwänden und eine ehemalige Toilette mit zerfallener Kloschüssel. Hier reicht die Phantasie höchstens noch als Gruselgeschichte für die Behausung eines sterbenden Vampirs, der sich von Rattenblut ernährt. Das ganze Geheimnis also nüchtern entzaubert?
Quellwasser dient der Kühlung
Zum Glück weiss Andreas Schmid vom Basler Ingenieurbüro Gruner Gruneko AG doch noch von einigen Geheimnissen hinter diesen Türen zu berichten. Schmid war verantwortlicher Projektleiter für die Wärme- und Kälteversorgung des gesamten Salmenparks: Hinter den Mauern verborgen, wo auch keiner der Gänge hinführt, liegen zwei Wasserreservoirs, in denen kaltes Quellwasser aus dem Augarten und dem Kloosfeld gesammelt wird. Der Zugang ist nur von oben durch Luken möglich. Aus diesen Reservoirs werden die Beete im Salmenpark bewässert, die Gebäude über Leitungen in den Wänden auf nachhaltige Weise gekühlt.
In einer dritten Anlage auf der Höhe des Rheinufers sammelt sich das gebrauchte Wasser. Die Anlage liegt hinter der unscheinbarsten Tür der ganzen Hangwand verborgen: Eine einfache, ursprünglich weissbemalte Holztüre in einem unansehnlichen und graffitiversprühten Betonf lachbau. Für alle anderen Türen hat Kaiser einen Generalschlüssel; nur für das Vorhängeschloss dieser Türe gibt es einen eigenen Schlüssel. Das Schloss ist wohl nur aus Versicherungsgründen angebracht worden – die Türe wäre ohne grosse Gewalt auch ohne Schlüssel zu öffnen. Denn dahinter verbirgt sich nichts im monetären Sinne Wertvolles, sondern endlich die erhoffte eigene kleine Welt für die, die Freude an Entdeckungen hinter verschlossenen Türen haben. Zu Zeiten der Brauerei war der Flachbau drei, vier Stockwerke höher und fungierte als Getreidesilo, weiss Schmid. Im Raum hinter der Holztür sind auch noch die Schleusen aus der Decke in Formen von umgestülpten Pyramiden vorhanden, aus denen das Getreide abgelassen wurde. Die Schleusen sind seit 20 Jahren ausser Betrieb; der enge Raum ist aber durchzogen von neuen schwarzen Plastikrohren. Das Wasser kommt aus einem schmalen Aquädukt in der Wand und fällt über eine Stufe in ein kleines Auffangbecken. Von dort wird es teils in den Rhein abgelassen, teils wieder in das System eingepumpt.
Der alte Siloraum ist aber nicht nur in metaphorischer Hinsicht eine eigene Welt, sondern offensichtlich auch ein eigenes Habitat in biologischem Sinne: Die Luftfeuchtigkeit ist hier aufgrund des offenen, fliessenden Wassers erwartbar hoch; Geruch und Gefühl entsprechen dem Aufenthalt in einer Grotte. Diese Bedingungen erlauben eine höchst seltene Begegnung: An Resten ihrer Netze hängen in der Luft die Leichen von Zimmermännern, die komplett mit Schimmel bedeckt sind. Offensichtlich ist die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass der Schimmelpilz die kleinen Tiere befallen konnte, bevor sie verwest sind oder wenigstens auf den Boden fielen.