Zwischen Rossgarten und «Himmel»

  10.06.2019 Rheinfelden


«Es hat viel zu wenig Feste»

«Bahnhof» Schwaderloch: Treffpunkt zum Spaziergang

In der Serie «Unterwägs dehei» ist die NFZ heute zu Gast in Schwaderloch. Sina Baumann und Cyrill Oberbichler zeigen uns ihre Lieblingsorte und sogar einen, der sie an etwas Negatives erinnert. Viel Natur, gepaart mit detektivischer Spürnase, und bleibenden Erlebnissen.

Bernadette Zaniolo

Personenzüge machen schon seit längerem keinen Halt mehr in Schwaderloch. Doch heute hält der «Zug» im Bahnhof Schwaderloch. Nicht im, beziehungsweise beim Bahnhofsgebäude, sondern im einzigen noch existierenden Restaurant. Hier trifft sich die NFZ mit Sina Baumann (17) und Cyrill Oberbichler (16); zum Spaziergang durch ihr Dorf. Die «Marschrichtung» ist schnell bekannt; ebenso, dass der grösste Teil der Tour – aufgrund der Distanz – per Auto stattfindet. Die erste Station ist der Glaserhof.

«Was bitte soll da, in diesem alten Gebäude, so interessant sein?», fragt sich wohl so mancher Schwaderlocher jetzt. Sina Baumann, welche die Lehre zur Kauffrau (auf einer Gemeindeverwaltung) absolviert und Cyrill Oberbichler (Möbel-Schreiner-Lehrling) verbindet mit diesem Ort ein ganz spezielles Erlebnis. «Sofort uuse» tönt es da, an einem kalten Novemberabend, mit forscher, furchterregender Stimme. Sina und Cyrill sowie weitere zirka acht Jugendliche kommen da plötzlich, und ohne zu zögern, aus dem alten Gebäude heraus. Wie Schäfchen. Gerufen von Albert Knecht, einem Einheimischen. Das war vor eineinhalb Jahren. Doch Cyrill und Sina erinnern sich gut daran. Sie waren alle mit den Mofas an diesem Abend zum Glaserhof gekommen. Und weil es kalt war, machten sie darin ein Feuerchen. Damit die Feuerwehr jedoch in Zukunft nicht zu einem Brand in den Glaserhof gerufen werden muss, hat sich der ehemalige Feuerwehrkommandant Knecht die Jugendlichen «zur Brust genommen».

«Wir mussten alle bei ihm zuhause antraben», sagt Sina. Im ersten Moment weiss man nicht, ob sie im Nachhinein darüber schmunzelt. Doch es war sicher eine «Lehrstunde».

Das ist «euses Plätzli», sagt Sina später. Als wir im «Rossgarten», der Schwaderlocher Auenlandschaft, angekommen sind. Ein schöner, idyllischer Ort am Rhein. Mit Grillstelle. Es ist ein Ort zum Verweilen, nicht nur für die Clique um Sina Baumann und Cyrill Oberbichler. «Jeder geht dahin und man trifft sich.» Dies führt leider auch zu Littering. Deshalb organisieren die Jugendlichen zwischendurch einen Arbeitstag. «Wir wollen den Ort sauber halten, deshalb entsorgen wir den Abfall. Sonst landet er im Rhein», sagt Cyrill. Währenddessen versucht Sina den Grill aus dem Wasser zu ziehen.

Die «Bierbörse» und viel Natur
«Unmöglich», sagt Cyrill, dass der Grill von «alleine» ins Wasser gekommen ist. Er zeigt auf die Stelle, wo er vorher war. Die Jugendlichen hatten ihn tief in den Sand eingegraben. Das Loch im Sand macht deutlich: Es waren Vandalen am Werk. Oft seien es Deutsche, sagen die beiden Schwaderlocher. Man spürt, dass es ihnen unangenehm ist, dies so deutlich ansprechen zu müssen. Schliesslich sind die Deutschen Nachbarn. Die man gelegentlich auch trifft. So etwa in der «Bierbörse» in Albbruck. Dort würden sie – die Schweizer oder eben die Nachbarn – manchmal «dumm angeschnauzt».

Schnell wechseln wir das Thema. Und kommen auf die erfolgreichen Pontoniere zu sprechen. In ihren Reihen ist auch Cyrill (und die ganze Familie von Sina, ausser ihr). Der Schwaderlocher Pontonierfahrverein (PFV) setzt immer wieder Glanzpunkte auf nationaler Ebene. Für den Erfolg wird fleissig trainiert.

An diesem Abend ist es jedoch locker. Und hätte das Wetter mitgemacht, so wäre wohl auch ein Bad im Rhein möglich gewesen und man hätte noch lange an diesem Ort verweilen können. Doch: «Alles ist weg, die Sitzlounge und die Treppe», bemerken die beiden. Sina und Cyrill sind sehr aufmerksam.

Mit der «Räubertochter» unterwegs zum «Himmel»
Als wir auf dem Rückweg vom Rossgarten kurz vor dem parkierten Auto sind, wirkt Sina einen Moment wie «Räubertochter Ronja». «Das ist kein Schwaderlocher», sagt sie, als ein mit einem Fass beladener Traktor von Leibstadt kommend Richtung Rossgarten abbiegt und das Fahrverbot missachtet. «Was macht er dort?», fragte sich die junge Frau. Man merkt: sie würde in diesem Augenblick lieber Nachschauen gehen. Doch es wird langsam dunkel und wir wollen ja noch zum «Himmel», dem Schwaderlocher Himmel. Einem Gebiet, hoch über dem Dorf.

«So viel Licht hatte es dort noch nie», hatte Cyrills Grossmutter kürzlich bemerkt. Denn der Schwaderlocher Wald hat sich nach zwei Unwettern hintereinander gelichtet. Dass sich der «Himmel» gelichtet hat, hat auch sein Gutes. Vom gedeckten Unterstand da oben, mit Grillstelle, hat man nun einen wunderbaren Blick in den Schwarzwald. Und plötzlich ist sie wieder präsent, diese Neugier der beiden. «Was ist wohl geblieben von der Projektwoche während der Schule?» Beide wollen es wissen und machen einen Abstecher an den Ort, dort im Wald bei der Waldhütte.

«Keinesfalls», sagt Cyrill, angesprochen darauf, ob er sich vorstellen könnte, in einer Stadt wie Baden zu leben. Es gibt viel Schöneres, da – eben in der Natur. Sogar einen Ort, den bis zu diesem Abend auch Cyrill nicht kannte. Wir fahren zum «hohlen Fels», versteckt im Wald, unweit des Sennhofs. «Es ist ein ‹Vögeli›-Ort», sagt Sina (ihre Mutter hiess ledig Vögeli). Kurz sitzen die beiden da, im «hohlen Fels». Getrieben von der Neugier geht es nicht lange und Sina findet dort einen «Geocache» für Schatzsucher. Bevor es jedoch ganz dunkel ist, brechen wir auf zur letzten Station, der Schulanlage. Dort wo die beiden Jugendlichen in die Primarschule gingen. Die Schule finden wir auch ohne Satelitenunterstützung. «Ja, im nachhinein», verrät Cyrill, «hat mir die Schule schon gefallen». Über Politik wollen die beiden jedoch nicht sprechen. Und eigentlich finden sie die ÖV-Verbindungen auch nicht schlecht. Einig ist man sich: «Es hat viel zu wenig Feste.»

 


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