Debatte um Rolle der Stadthostessen

  17.12.2019 Rheinfelden

Sollen die Rheinfelder Stadthostessen weiterhin bei feierlichen Anlässen die Redner stumm flankieren? Zahlreiche Frauen stören sich daran. Die Stadt sieht hingegen kein Problem. Die NFZ hat auch bei einer Stadthostesse nachgefragt. (vzu)


«Auftritte zum Fremdschämen»

Diskussion um Rolle der Rheinfelder Stadthostessen

Ist es noch zeitgemäss, wenn die Rheinfelder Stadthostessen bei feierlichen Anlässen den Redner stumm flankieren? Die ehemalige Frau Vizeammann von Rheinfelden stört sich daran – und andere Frauen ebenso. Die Stadthostessen selbst sehen kein Problem.

Valentin Zumsteg

Es ist ein bekanntes Bild: Am Neujahrsempfang der beiden Rheinfelden halten die zwei Stadtoberhäupter jeweils eine längere Rede, in der sie das vergangene Jahr Revue passieren lassen und auf die künftige Entwicklung zu sprechen kommen. Bei diesen Ansprachen, die gerne eine halbe Stunde oder länger dauern, werden sie von zwei Stadthostessen von Rheinfelden/Schweiz flankiert. Die beiden Frauen stehen stumm und mit einem Blumenstrauss in der Hand da. Diese Funktion der Stadthostessen führt zu Diskussionen.

«Frauen sollen keine Objekte sein»
«Mir scheinen die beiden Frauen, welche einen Stadtrat – in der Regel den Stadtammann – einrahmen, nicht mehr zeitgemäss. Sehr viele Frauen finden diese Auftritte zum Fremdschämen», erklärt Brigitte Rüedin, ehemalige Frau Vizeammann (SP) von Rheinfelden. Zusammen mit Gleichgesinnten hat sie sich kürzlich in einem Leserbrief kritisch zu verschiedenen Gleichstellungsthemen geäussert (siehe Infobox). Auch am Frauenstreiktag vom Juni in Rheinfelden ist eine neue Rolle für die Stadthostessen gefordert worden.

Brigitte Rüedin betont, dass es nicht um die Abschaffung der Stadthostessen gehe: «Die Rolle als Gastgeberin finde ich in Ordnung. Es geht wirklich lediglich um die Auftritte, bei denen sie als lebende Blumenvasen fungieren, wie das eine Frau mal gesagt hat. Frauen sollen keine Objekte sein. In der Vergangenheit haben sich viele Frauen zu oft als Objekte missbrauchen lassen.» Als sie im Stadtrat war, habe sie sich dafür eingesetzt, dass diese Aufgabe für die Stadthostessen wegfalle. Auch Béa Bieber (GLP) habe sich als Stadträtin dafür stark gemacht. Rüedin erzählt von Leuten, die nicht mehr am Neujahrsempfang teilnehmen wollen, weil sie diese Frauenrolle so stört.

Stadtrat unterhält sich über Auftritt
Julia Lehmann ist eine der Stadthostessen. Was sagt sie dazu? «Wir machen das freiwillig und sehr gerne. Wir repräsentieren Rheinfelden. Es ist jeweils ein feierlicher Anlass. Das hat nichts mit Sexismus zu tun. Wir erhalten viele positive Reaktionen.» Sie stört sich eher daran, dass die Leute, welche diese Rolle der Stadthostessen kritisieren, noch nie mit ihr über dieses Thema geredet haben.

Bei der Stadt hat man sich mit der Kritik von Brigitte Rüedin und ihren Mitstreiterinnen beschäftigt: «Der Stadtrat hält dazu fest, dass die Stadthostessen und der Stadtweibel in den Rheinfelder Farben an wenigen Anlässen das offizielle Rheinfelden repräsentieren, namentlich regelmässig am Neujahrsempfang und am Jugendfest. Darüber hinaus übernehmen die Stadthostessen an städtischen Anlässen die Funktion von Ehrendamen, sie repräsentieren Rheinfelden als Gastgeberinnen», heisst es in einer Stellungnahme gegenüber der NFZ. Der Stadtrat werde sich aber über die Frage des Auftrittes der Stadthostessen am kommenden Neujahrsempfang «in den nächsten Tagen unterhalten».


65 Prozent der Angestellten sind Frauen

Anlässlich des Frauenstreiks im Juni hat eine Gruppe von Frauen dem Rheinfelder Stadtrat ein Manifest mit Wünschen übergeben. Neben dem Thema Stadthostessen geht es um Chancengleichheit bei Bewerbungen und grösstmögliche Diversität in Gremien und Kommissionen. Damit Bewerbungen von Frauen die gleichen Chancen erhalten, fordern die Initiantinnen, dass Bewerbungen anonymisiert beurteilt und ausgewählt werden. «Der Stadtrat hält dazu fest, dass bei der Stadt Rheinfelden bereits heute Lohnund Chancengleichheit besteht. Die Anonymisierung von Bewerbungen ist aus Sicht des Stadtrates deshalb nicht erforderlich und kein taugliches Mittel, um den Frauenanteil zu erhöhen und verursacht vorab einen gewaltigen administrativen Aufwand. Innerhalb des letzten Jahres hätten für 16 Stellen 646 Bewerbungsdossiers anonymisiert werden müssen», schreibt die Stadt in einer Stellungnahme. Bei den Mitarbeitenden der Stadt liegt der Frauenanteil heute bei 65 Prozent, hält Stadtschreiber Roger Erdin fest. «Kaderfunktionen, das heisst Aufgaben mit Führungsverantwortung, werden heute zu 35 Prozent durch Frauen wahrgenommen.»

In einem weiteren Punkt wird im Frauenmanifest grösstmögliche Parität/Diversität in den Gremien und Kommissionen mit einem Frauenanteil von 40 Prozent gefordert. Heute beträgt der Frauenanteil der Rheinfelder Behörden und Kommissionen knapp 30 Prozent. «Für eine ausgewogene Geschlechtervertretung sind in erster Linie die Ortsparteien gefordert, welche den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern entsprechende Wahlvorschläge an der Urne machen oder zuhanden des Stadtrates Kommissionsmitglieder nominieren. Der Stadtrat begrüsst eine angemessene Vertretung beider Geschlechter in den kommunalen Behörden und ist überzeugt, dass es der Vielfalt der Gremien dient. Er setzt dabei voraus, dass alle übrigen Kriterien und eine entsprechende Befähigung erfüllt sind.» (vzu)


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