Die Suche nach einem Tiefenlager tritt in eine neue Phase

  18.11.2018 Fricktal

Eine Bestandesaufnahme und viele offene Fragen

Die Suche nach einem Standort für die Lagerung radioaktiver Abfälle bewegt die Region seit vielen Jahren. Mindestens elf weitere Jahre werden folgen – dazu die Gefahr, dass sich die Fronten in der Gesellschaft verhärten und die Tourismusregion Schaden nimmt.

Simone Rufli

Es wird nicht mehr lange dauern bis die Nagra auch in der Region Jura Ost mit den ersten Sondierbohrungen beginnen kann. Nachdem in den beiden anderen bis zum heutigen Tag verbliebenen Standortregionen (Nördlich Lägern, Zürich Nordost) die ersten Bewilligungen bereits erteilt worden sind, ist es nur eine Frage der Zeit. Doch gehen die Bohrungen dann auch weit genug in die Tiefe? Was sagt die Nagra zum Vorwurf von «Pro Bözberg», die Nutzung der Rohstoff-Reserven im riesigen Permokarbontrog unter dem geplanten Tiefenlager würde für nachfolgende Generationen zunichte gemacht? Wie gross ist das Vertrauen in die Objektivität der involvierten Stellen? Wie steht es um die Mitwirkungsmöglichkeiten? Werden sie – wie die Bürgerorganisation KAIB (Kein Atommüll im Bözberg) vermutet – beschränkt durch den Umstand, dass die Regionalkonferenzen in die Rechtsform eines Vereins überführt werden? Aus welchem Grund umfasst die Standortregion Jura Ost in Etappe 3 nun plötzlich deutlich mehr Gemeinden als in Etappe 2? Welche Auswirkungen hätte ein Tiefenlager auf den Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten aus der Region des «Jurapark»?

Unzählige Fachberichte wurden bereits geschrieben, Studien gemacht und Umfragen in Auftrag gegeben. In der ganzen Flut von Informationen fällt es nicht leicht, auch nur einigermassen den Überblick zu behalten. Der heutige Beitrag in der NFZ – am Übergang von Etappe 2 zu Etappe 3 im Sachplanverfahren des Bundes – ist gedacht als Orientierungshilfe in einem laufenden Prozess, der die Region noch viele weitere Jahre beschäftigen muss.


Die Suche nach einem Tiefenlager geht in Runde 3

Im Gebiet «Jura Ost» sind acht Gesuche für Sondierbohrungen hängig

Unabhängig davon, ob Etappe 2 auf der Suche nach einem geologischen Tiefenlager für radioaktive Abfälle planmässig bis Ende Jahr durch den Bundesratsentscheid beendet wird, kann die Nagra im 2019 mit Sondierbohrungen beginnen. Der Verein Pro Bözberg macht sich derweil Sorgen um das Ressourcen-Potenzial im Bözberg. Die Bürgerorganisation KAIB verlangt Erklärungen zu den veränderten Bedingungen bei der Mitwirkung der Regionalkonferenzen.

Simone Rufli

Der «Sachplan Geologische Tiefenlager (SGT)» gliedert sich in drei Etappen und dient gemäss dem federführenden Bundesamt für Energie (BFE) dazu, «ein transparentes und faires Auswahlverfahren festzulegen». Aktuell befindet sich der Prozess auf dem Weg zum Tiefenlager am Ende von Etappe 2. Zeit für den Bundesrat zu entscheiden, welche der drei bis heute mitgeführten Standortgebiete (Jura Ost, Nördlich Lägern, Zürich Nordost) im weiteren Auswahlverfahren verbleiben. Die verbleibenden Gebiete werden nun in der rund 11 Jahre dauernden Etappe 3 mittels 3D-Seismik und Sondierbohrungen vertieft untersucht. Die definitive Standortwahl erfolgt ebenfalls in Etappe 3, in der das nach Kernenergiegesetz erforderliche Rahmenbewilligungsverfahren eingeleitet wird. Die Rahmenbewilligung muss vom Parlament genehmigt werden und untersteht dem fakultativen Referendum.

Für Etappe 3 des Sachplanverfahrens hat das BFE die betroffenen Standortregionen neu definiert. Es wird nun unterschieden zwischen Infrastrukturgemeinden, die durch die Bauwerke eines Tiefenlagers oder entsprechende Zugangsanlagen (oberund unterirdisch) tangiert wären und weiteren Gemeinden, die durch sozioökonomische und ökologische Auswirkungen eines Tiefenlagers betroffen wären. In Etappe 2 umfasste die Standortregion Jura Ost 42 Aargauer und 4 deutsche Gemeinden. In Etappe 3 umfasst sie nun insgesamt 59 Gemeinden.

Wo stehen wir?
Noch hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im Gebiet Jura-Ost (Region Bözberg) keine Bewilligung für Sondierbohrungen erteilt. Während die Bewilligungen Sache des UVEK sind, sind die Umsetzung des Sachplans und die Leitung des Standortauswahlverfahrens zentrale Aufgaben des Bundesamts für Energie. Zum Zeithorizont meint Seraina Branschi, Fachspezialistin Grundlagen Entsorgung beim BFE gegenüber der NFZ:«Wir wissen, dass die Gesuche zurzeit bearbeitet werden. Wann ein Ergebnis vorliegt, lässt sich dagegen nicht vorhersagen». Nicht gänzlich auszuschliessen ist, dass der Fahrplan (Entscheid des Bundesrates bis Ende 2018) durch den angekündigten Rücktritt von Bundesrätin Doris Leuthard eine Verzögerung erfährt. Branschi geht aber davon aus, dass das Standortgebiet Jura Ost als nächstes dran kommt. Dies, weil Bülach (Nördlich Lägern), Trüllikon und Marthalen (beide Zürich Nordost) jeweils bereits Bewilligungen erhalten haben. Die Bohrungen sollen detaillierteren Aufschluss geben über den geologischen Untergrund, in den die radioaktiven Abfälle dereinst zu liegen kommen sollen.

Tiefenlager contra Bodenschätze
Vom Untergrund weiss man bereits, dass er vielschichtiger ist, als manchen lieb ist. Darum verlangt der Verein Pro Bözberg von der Nagra, dass die bevorstehenden Bohrungen nicht nur den Opalinuston erreichen, sondern auch darunter befindliche Gesteinsschichten auf ihr Potenzial an Rohstoff-Ressourcen hin untersucht werden. «Pro Bözberg» weist darauf hin, dass unter der knapp 100 Meter dünnen Opalinuston-Gesteinsschicht, in der das Endlager dereinst errichtet werden soll, bis 100 Millionen Jahre ältere Ablagerungen aus der erdgeschichtlichen Zeit des Perms und des Karbons liegen. «Diese Schichten im mehrere Kilometer tiefen Permokarbontrog enthalten Kohle, Gas und möglicherweise Erdöl und Erdwärme», schreibt der Verein auf seiner Homepage. «Aufgrund der heutigen Kenntnisse und geltenden Kriterien darf ein Endlager nicht über nutzbaren Bodenschätzen angelegt werden», schreibt «Pro Bözberg» in einem Ende September veröffentlichten Artikel.

Patrick Studer, Leiter der Nagra-Medienstelle, weiss um die Forderungen des Vereins. Er verweist zu diesem Thema auf die bereits erfolgten umfangreichen Untersuchungen der Nagra. Im 45 Seiten umfassenden Technischen Bericht vom Dezember 2014 (NTB 14-02, Dossier 7 Nutzungskonflikte) steht unter anderem geschrieben: «Die Untersuchungen haben gezeigt, dass im gesamten Standortgebiet Jura Ost ein mögliches Potenzial für Erdgas in dichten Gesteinen des Permokarbons besteht». Für den konkreten Nachweis des Potenzials wären aber «weitere umfangreiche und kostspielige Explorationsarbeiten notwendig.» Und weiter: «Wegen des geringen Platzbedarfs eines Tiefenlagers (im Verhältnis zur Grösse des Permokarbontrogs) zeichnen sich keine konkreten Interessenskonflikte ab... Der Nordschweizer Permokarbontrog hat eine Gesamtfläche von rund 1500 km2. Im Vergleich dazu ist der Platzbedarf eines Tiefenlagers sehr gering (Lager für hochaktive Abfälle: max. 4 bis 6 km2, Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle: max. 2 bis 3 km2, beide inkl. Reserve). Der Anteil der Permokarbon-Vorkommen, bei denen die Nutzung allfälliger fossiler Ressourcen durch ein Tiefenlager eingeschränkt würde, ist somit sehr klein», hält die Nagra in ihrem Bericht fest.

Für Pro Bözberg enthält die Broschüre eine Reihe von «fadenscheinigen Argumenten» sowie «bagatellisierende und in ihrer Absurdität stellenweise kaum zu überbietende Formulierungen». Insbesondere, wenn die Nagra glauben machen wolle, man könne den Standort über eine Million Jahre hinaus durch einen Schutzbereich von anderen Nutzungen schützen, wie es in Artikel 40 des Kernenergiegesetzes verlangt wird. Auch wenn die Meinungen von Pro Bözberg und Nagra weit auseinanderliegen, die Nagra kann planmässig ab Beginn 2019 mit den Sondierbohrungen an jenen Standorten beginnen, die bereits über eine rechtskräftige Bewilligung des UVEK verfügen. Dabei spielt es gemäss Patrick Studer keine Rolle, ob der Bundesratsentscheid bis Ende Jahr erfolgt oder nicht. «Das ist so, weil es sich bei den Bewilligungen für die Sondierbohrungen um rechtliche Verfügungen basierend auf dem Kernenergiegesetz handelt und die Bewilligungen keine Auflagen enthalten, wonach die Nagra erst nach dem Bundesratsentscheid bohren darf», so Studer.
Ein Risiko bleibt der Nagra: «Entscheidet der Bundesrat zum Beispiel, dass man Nördlich Lägern nicht mehr weiter untersuchen müsse, dann hätten wir in Bülach umsonst einen Bohrplatz gebaut und müssten die Kosten selber tragen.» Ein eher unwahrscheinliches Szenario, wie Studer meint. Und er betont: «Wir werden nicht überall bohren, wo wir ein Gesuch eingereicht haben. Wie viele Bohrungen notwendig sind, bis wir das Bild des Untergrunds vervollständigt haben, hängt von den Resultaten der Bohrung ab.»


Wer macht was?

BFE
Das Bundesamt für Energie (BFE) ist die federführende Stelle für das 3 Etappen umfassende Sachplanverfahren geologische Tiefenlager. Die Umsetzung des Sachplans Geologische Tiefenlager (SGT) und die Leitung des Standortauswahlverfahrens ist eine zentrale Aufgabe des BFE. Ein «Sachplan» ist ein im Raumplanungsgesetz vorgesehenes Planungsinstrument des Bundes für gesamtschweizerisch bedeutungsvolle Infrastrukturanlagen.

UVEK
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) erteilt die Bewilligungen für Sondierbohrungen aufgrund des Kernenergiegesetzes. Das BFE gehört zum UVEK.

ENSI
Die sicherheitstechnische Aufsicht der schweizerischen Kernanlagen wird durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) wahrgenommen.

Nagra
Die Nagra ist die «Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle». Gemäss Kernenergiegesetz müssen die radioaktiven Abfälle von ihren Verursachern entsorgt werden. Die Betreiber der Kernkraftwerke sowie die Schweizerische Eidgenossenschaft (zuständig für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung) haben für diese Aufgabe 1972 die Nagra gegründet. Die Nagra ist von allen Verursachern radioaktiver Abfälle beauftragt, Lösungen für eine sichere, dem Menschen und der Umwelt verpflichtete Entsorgung in der Schweiz zu erarbeiten und zu realisieren.

Regionalkonferenz Jura Ost
Die «Regionalkonferenz Jura Ost» wurde am 18. Juni 2011 gegründet. Die Bezeichnung «Jura Ost» entstand gegen Ende 2010 im Zuge der öffentlichen Mitwirkung zur Etappe 1 des Sachplanverfahrens geologische Tiefenlager. Geografisch erstreckt sich Jura Ost über Teile der Regionen Baden, Brugg, Fricktal und Zurzibiet sowie über vier deutsche Gemeinden. Zu Beginn gehörten 42 Gemeinden in drei Betroffenheitsstufen zur Region Jura Ost. In Etappe 3 umfasst die Region neu 59 Gemeinden. (sir)


Regionalkonferenz wird zum Verein

Auf Bundesebene wurde entschieden, dass die Regionalkonferenzen mit Beginn von Etappe 3 in die Rechtsform des Vereins überführt werden sollen. Ueli Müller, Präsident Regionalkonferenz Jura Ost, sieht in der Umwandlung in einen Verein nach Zivilgesetzbuch lediglich eine rechtliche Anpassung an bereits bestehende Fakten. Und das Bundesamt für Energie hält fest: «Wenn das BFE mit den Regionalkonferenzen Verträge abschliessen will, braucht es einen Verein als Vertragspartner.» Ueli Müller: «Die Juristen des Bundes sind der Ansicht, dass die Regionalkonferenzen bereits bisher als Vereine funktionierten. Weshalb auch keine eigentliche Gründungsversammlung nötig sei.» Was sich vor allem ändere, seien Bezeichnungen. So werden aus dem Organisationsreglement nun Statuten für deren Zustimmung eine Zweidrittelsmehrheit genügt. Wie jeder andere Verein muss die Regionalkonferenz künftig eine Generalversammlung abhalten. Maximal 117 Delegierte werden im neuen Verein vertreten sein. Zur Zusammensetzung meint der Präsident: «Das Fricktal und die Region Brugg sind seit Beginn stark involviert und haben deshalb gemäss Verteilschlüssel bereits genügend Mitglieder. Der organisierte Widerstand wird neu vier Vertreter stellen können anstatt wie bisher drei.» Die Aufteilung der Sitze wird den Organisationen überlassen.

Die Tätigkeit der Regionalkonferenz basierte bis anhin auf einem Leistungsauftrag, der zwischen dem Leitungsteam und dem Bundesamt für Energie vereinbart wurde, sich anfänglich auf den Zeitraum Oktober 2011 bis Ende 2012 erstreckte und seither mit Zusatzaufträgen jeweils um ein Jahr verlängert wird.

In Etappe 3 steht für die Regionalkonferenz die Oberflächeninfrastruktur im Vordergrund. «Bisher sprach man von den Oberflächenanlagen, jetzt wird die ganze Infrastruktur einbezogen also auch Nebenzugangsanlagen», so Ueli Müller. Wichtig sei auch, dass Synergien mit dem Zwischenlager in Würenlingen geprüft würden.

KAIB verlangt Antworten
Die Umwandlung der Regionalkonferenz in einen Verein löste bei der Bürgerorganisation KAIB (Kein Atommüll im Bözberg) Fragen aus, mit denen sich die Grossräte und KAIB Vorstandsmitglieder Elisabeth Burgener (Gipf-Oberfrick) und Max Chopard-Acklin am 4. September in einem parlamentarischen Vorstoss an den Aargauer Regierungsrat wandten. Gefragt wurde unter anderem nach den rechtlichen Auswirkungen der Rechtsformänderung, nach dem Vereinszweck , nach der Finanzierung und Haftung der Vereinsmitglieder. Wer bestimmt nach welchen Kriterien wer Vereinsmitglied werden soll? «Für die Frage, ob KAIB weiterhin in der Regionalkonferenz mitwirken soll, ist die Beantwortung dieser Fragen entscheidend», hielt KAIB in einer Stellungnahme fest. Die Interpellation ist nicht beantwortet worden. (sir)


Von 42 auf 59 Gemeinden
Die Standortregion Jura Ost umfasst in Etappe 3 insgesamt 59 Gemeinden

Infrastrukturgemeinden Kanton AG (22): Böttstein, Bözberg, Bözen, Brugg, Effingen, Elfingen, Gansingen, Herznach, Hornussen, Kaisten, Laufenburg, Mandach, Mettauertal, Mönthal, Remigen, Riniken, Rüfenach, Ueken, Villigen, Villnachern, Würenlingen, Zeihen

Weitere einzubeziehende Gemeinden Kanton AG (31): Baden, Birmenstorf, Birr, Döttingen, Endingen, Ennetbaden, Frick, Full-Reuenthal, Gebenstorf, Gipf-Oberfrick, Habsburg, Hausen, Holderbank, Klingnau, Koblenz, Leibstadt, Leuggern, Lupfig, Mülligen, Obersiggenthal, Oeschgen, Schinznach-Bad, Schinznach, Schwaderloch, Tegerfelden,Thalheim,Turgi, Untersiggenthal, Veltheim, Windisch, Wittnau

Deutschland (6): Albbruck, Bad Säckingen, Dogern, Laufenburg, Murg, Waldshut-Tiengen
Bad Säckingen und Murg bilden eine Verwaltungsgemeinschaft. (sir)


Die 3 Etappen des Sachplans

Nachdem die Nagra in Etappe 1 sechs potenzielle Standortgebiete vorgeschlagen hatte, konkretisierte das BFE zusammen mit regionalen Behördenvertretungen zwischen 2009 und 2011 die Organisationsform, die Verantwortlichkeiten, Abläufe und Regeln der Zusammenarbeit und baute die Strukturen für die regionale Partizipation in den Standortregionen auf. In Etappe 2 wurden Stellungnahmen und Empfehlungen zuhanden von Entscheidungsträgern erarbeitet. Dabei wurden beispielsweise Fragen zur Sicherheit für Mensch und Umwelt oder zu möglichen sozioökonomischen oder ökologischen Auswirkungen behandelt und zusammen mit den am Prozess Beteiligten diskutiert.

Eine Hauptaufgabe der Regionalkonferenzen in Etappe 2 war die Auseinandersetzung mit möglichen Standorten für die Oberflächenanlagen (OFA). Anders als in Etappe 2 laufen in Etappe 3 nun zwei Prozesse parallel ab: Es gibt erstens das Sachplanverfahren nach Raumplanungsgesetz (RPG), das zu einem räumlichen Ergebnis führt (wo soll gebaut werden?) und zweitens das Rahmenbewilligungsverfahren nach Kernenergiegesetz (KEG), an dessen Ende die Rahmenbewilligung für ein Tiefenlager erteilt wird (was soll gebaut werden?).

Das Rahmenbewilligungsverfahren beginnt formell mit der Einreichung eines Rahmenbewilligungsgesuchs durch die Nagra bei den Bundesbehörden.

Der Bundesratsentscheid zu den Rahmenbewilligungen muss vom Parlament genehmigt werden. Der Parlamentsbeschluss unterliegt schliesslich dem fakultativen Referendum und damit einer möglichen Volksabstimmung. (Quelle BFE) (sir)


Vertrauen hat nur die Hälfte der Bevölkerung

Die zusätzlich durchgeführte Gesellschaftsstudie zeigt: Nur die Hälfte der Bevölkerung vertraut auf Objektivität und Fairness des Sachplanverfahrens, die andere Hälfte hat Zweifel daran. Die Partizipationsmöglichkeiten sind nur 37 Prozent bekannt und nur rund ein Drittel der Bevölkerung hat den Eindruck, dass die Interessen der regionalen Bevölkerung bei der Standortsuche ausreichend berücksichtigt werden. «An den Polen des Meinungsspektrums ist eine Abkapselung in jeweils eigene argumentative Welten zu beobachten», heisst es weiter. Für 40 Prozent ist es ein wichtiges Argument, dass die Region die Pflicht hat, das Tiefenlager zu übernehmen, wenn die Region sich im Verfahren als die sicherste erweist. 22 Prozent derjenigen, die vom Tiefenlager Kenntnis haben, gaben an, dass sie sich in der Region weniger wohl fühlen, seit sie vom Tiefenlager wissen.

Den Kauf von Lebensmitteln aus der Region Bözberg würden rund ein Drittel der derzeitigen Käufer einschränken oder einstellen, sollte ein Tiefenlager gebaut werden. (sir)


Gefahr für Tourismus und den Zusammenhalt der Gesellschaft

Da geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle auch wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen auf eine Standortregion haben, hat das Bundesamt für Energie (BFE) ab 2011 in allen – damals sechs – potenziellen Standortregionen eine regionsübergreifende «sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudie» (SÖW) durchgeführt. Es geht dabei um Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auf die Gesundheitswirtschaft, auf den Tourismus sowie um Aspekte der Sicherheit und um nachbarschaftliche Beziehungen. Die Ergebnisse aus der SWÖ, aus Zusatzfragen zur SWÖ (ausgeführt durch die Standortregionen) und einer Gesellschaftsstudie des Standortkantons (mit Augenmerk auf Image-Fragen) sind nun im am Montag erschienenen Synthesebericht des BFE, Version 4, zusammengefasst. Gemäss BFE soll der Synthesebericht für die weiter im Sachplanverfahren verbleibenden Regionen ein «lebendiges» Dokument sein.

Aus dem Bericht geht hervor, dass ein Tiefenlager sich «leicht negativ» auf den lokalen Tourismus auswirken würde. «Wie stark der Tourismus letztendlich betroffen sein würde, hängt wesentlich davon ab, wie Aussenstehende die Region und insbesondere den Jurapark Aargau mit Tiefenlager wahrnehmen würden.» Von der begleitenden Fachgruppe wird angemerkt, dass auch der Naturpark Südschwarzwald und ein in Entstehung begriffenes Unesco-Biosphärengebiet negativ betroffen sein werden. Zudem würden alle Produkte mit einer regionalen Herkunftsbezeichnung von Absatzschwierigkeiten betroffen. Das gelte auch für den Wein.

Der Bericht räumt weiter ein, dass es möglich ist, «dass eine Polarisierung des Zusammenlebens zwischen Befürwortern und Gegnern eines Tiefenlagers das gegenseitige Verständnis in der Gesellschaft negativ beeinflusst». Denkbar sei aber auch eine Stärkung des regionalen Zusammenhalts. Das gleiche lasse sich zu den Beziehungen zu angrenzenden Regionen sagen. Die Überlagerung von Tiefenlagerbau und Rückbau eines Kernkraftwerkes würde die Anforderungen an die Logistik zwar erhöhen, müsste aber bewältigt werden können. «Bis zu einem allfälligen Baubeginn der Projekte sind jedoch Ausbaumassnahmen geplant, die zu einer Entspannung der Situation führen würden.» Möglich sei auch, dass das Bewusstsein für andere Belastungen wie Kieswerke oder Fluglärm mit einem Tiefenlager wachsen würden. Im Fazit wird empfohlen, Massnahmen zu ergreifen zum Schutz von Mineralquellen und Thermen sowie frühzeitig geeignete Marketing- und Kommunikationsmassnahmen zu ergreifen, um die Wahrnehmung der Region positiv zu beeinflussen. Synergien mit dem Entwicklungsschwerpunkt rund ums Paul Scherrer Institut sollten genutzt werden und auf jeden Fall gelte es zu verhindern, dass sich unüberbrückbare Gräben in der Gesellschaft auftun. (sir)


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