Keine weiteren Bohrungen in der Region Bözberg
05.11.2020 FricktalDie Nagra präsentiert erste Standortvergleiche
Gut eineinhalb Jahre nach dem Start der Tiefbohrungen kommt die Nagra jetzt zum Schluss, dass in allen drei verbliebenen Standortgebieten Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost ein sicheres Tiefenlager gebaut werden kann. So gut wie sicher ist auch, dass in der Region Bözberg auf weitere Bohrungen verzichtet werden kann.
Simone Rufli
In der Region Jura Ost wird zurzeit in der Gemeinde Bözberg an zwei Orten gebohrt. Die erste Bohrung hat eine Tiefe von rund 900 Metern erreicht und wird Anfang Dezember abgeschlossen. Die zweite Bohrung befindet sich bei rund 650 Metern und soll bis Ende Jahr fertig sein. Mit diesen zwei Bohrungen und den bereits vorliegenden Daten aus der früheren Bohrung in Riniken dürfte sich gemäss Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) das Bild des Untergrunds für die bevorstehende Standortwahl vervollständigen. «Was wir bis jetzt gesehen haben, hat unser bisheriges Bild der Region bestätigt. Der Opalinuston ist in Jura Ost 120 Meter dick und sehr dicht. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir in diesem Gebiet keine weitere Bohrung benötigen», erklärte Tim Vietor, Leiter Geologie und Sicherheit von der Nagra-Geschäftsleitung anlässlich des Online-Medienanlasses vom Dienstag.
Prinzipiell geeignet
Seit 2019 untersucht die Nagra den geologischen Untergrund in den drei noch verbliebenen Regionen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost mit Tief bohrungen. Die Bohrungen gehören zur dritten und letzten Verfahrensetappe auf dem Weg zu einem Standort für ein geologisches Tiefenlager in der Schweiz. Jetzt liegen also erste Ergebnisse aus allen drei Regionen vor. «Die Resultate bestätigen, dass sich in allen drei Gebieten ein sicheres Tiefenlager bauen lässt», erklärte Tim Vietor weiter. In allen drei Regionen bestehe auch genügend Platz für die Anordnung eines Kombilagers, das heisst für ein Lager, in dem alle Abfallsorten (schwach-, mittel- und hochaktiv) entsorgt werden könnten. Zwar fehlen für die Regionen Jura Ost (Bözberg) und Nördlich Lägern noch die aufschlussreichen Details aus den Laboruntersuchungen, die Nagra-Verantwortlichen betonen aber, dass in allen drei Regionen der Untergrund grundsätzlich die richtigen Eigenschaften aufweist: «Jede Region verfügt über eine mehr als hundert Meter dicke, sehr dichte und ruhig gelagerte – will heissen störungsfreie – Opalinustonschicht.» Überraschend sei diese Erkenntnis für das Gebiet Nördlich Lägern, wo ein Verdacht auf Störungszonen bestanden habe. Der Opalinuston ist das Tongestein, in dem das Tiefenlager dereinst gebaut werden soll, und die wichtigste Sicherheitsbarriere, die den radioaktiven Abfall langfristig einschliessen soll. Welche Region im Endeffekt am besten geeignet ist, werde sich voraussichtlich im Jahr 2022 zeigen, so die Nagra.
Unterschiedliche Rahmengesteine
Im Vergleich werden aber auch Unterschiede zwischen den Regionen deutlich. So liegt die Opalinustonschicht nicht überall gleich tief. Im Gebiet Jura Ost ist die Tiefe der Lagerebene beispielsweise geringer als in den beiden anderen Standorten. Und auch die Gesteinsschichten oberhalb und unterhalb des Opalinustons, die sogenannten Rahmengesteine, unterscheiden sich an den drei Orten. Die Rahmengesteine sind deshalb von Bedeutung, weil sie einen zusätzlichen Beitrag zum Einschluss der Abfälle leisten.
Nördlich Lägern besser als erwartet
Überraschende Erkenntnisse vermeldet die Nagra aus dem Gebiet Nördlich Lägern: Der Opalinuston sei sehr dicht. Oberhalb des Opalinustons wurde ein Korallenriff durchbohrt, das aber ebenfalls dicht sei, wie betont wurde. Der Opalinuston liegt dort tiefer als in den anderen Gebieten und zwar etwa 900 Meter unter der Oberf läche. «Wir gingen ursprünglich davon aus, dass diese Tiefe den Bau eines Tiefenlagers mit den vielen Stollen erschweren könnte. Die Untersuchungen haben nun aber gezeigt, dass der Bau eines Tiefenlagers auch in dieser Tiefe, und damit in diesem Gebiet, machbar ist», so Vietor.
Voraussichtlich im Jahr 2022 wird die Nagra bekanntgeben, für welchen Standort sie das Rahmenbewilligungsgesuch für ein Tiefenlager einreichen will. Die Standortwahl wird vom Bund geführt. Der Entscheid von Bundesrat und Parlament (allenfalls auch des Volkes bei einem Referendum) wird nicht vor 2030 erfolgen, die Inbetriebnahme des Tiefenlagers nicht vor 2050 oder sogar 2060.