Verpackungskünstler am Werk
24.05.2020 FricktalDie Pfaffenhütchen-Gespinstmotte sorgt zurzeit für spezielle Installationen an Gebüschen
Die Gespinstmotte überzieht ganze Sträucher mit einem silbrigen Fadengespinst. In den watteähnlichen Schichten leben bis zu ihrer Verpuppung Hunderte kleiner Raupen. Für den Menschen sind sie ungefährlich.
Susanne Hörth
Gleich mehrfach wurden in den letzten Wochen und Tagen in den sozialen Medien Fotos von mit weissen Gespinstfäden überzogenen Sträuchern und «Trauben» voller kleiner, gelbbräunlicher Raupen mit schwarzen Punkten gepostet. Verbunden wurde diese Bilder auch immer wieder mit den Vorsichtswarnungen, dass sich an Fricktaler Rheinufer oder in den regionalen Wäldern die gefährliche Raupe des Eichen-Prozessionsspinners ausbreite. Die NFZ hat ebenfalls Fotos von diesen Gespinsten und den dazugehörenden Raupen gemacht und sie einem mit der Tier- und Pflanzenwelt bestens vertrauten Fachmann gezeigt. «Diese Aufnahmen zeigen Pfaffenhütchen-Gespinstmotten oder allenfalls eine verwandte sehr ähnliche Art», erklärt Meinrad Bärtschi. Der Gansinger ist Präsident des Verbandes Oberfricktalischer Naturschutzvereine (VONV). Er führt weiter aus, dass diese Mottenart ein sehr beschränktes Nahrungs-Spektrum hat.
Laut Wikipedia gehört zu den wichtigsten Nahrungsquellen der gelblichen Raupen – der Name sagt es schon aus – der Pfaffenhütchen-Strauch. Hier leben sie von Mai bis Juni in einem feinen, ganze Äste überziehenden Gespinst. Laut Meinrad Bärtschi erholen sich die Sträucher in der Regel wieder. An den kahl gefressenen Ästen wachsen nach ein paar Wochen schon wieder neue Blätter nach.
Kleine Nachtfalter
Nach der Verpuppung schlüpfen im Zeitraum Juli bis August kleine, 18 bis 24 Millimeter grosse (Flügelspannweite) Falter. «Nach meiner Beobachtung sind diese Schmetterlinge seit vielen Jahren sehr verbreitet. Ich nehme an, dass sie in einzelnen Jahren durch für sie günstige Witterung massierter auftreten. Bekämpfungsmassnahmen sind nicht nötig», so Bärtschi. Diese Gespinstmotte und zuvor ihre Raupe hat also nichts mit der gefürchteten Raupe des Eichen-Prozessionsspinners zu tun. Im Gegensatz zu letzterem ist die Gespinstmotten-Raupe für den Menschen nicht gefährlich. In Bezug auf die Eichen-Prozessionsspinner-Raupen merkt Meinrad Bärtschi an, dass sie im Aargau ebenfalls entdeckt worden sind. «Ich habe vor wenigen Jahren einen befallenen Baum bei Auenstein gesehen. Einzelmeldungen gibt es auch aus dem unteren Fricktal. » Diese Art trete in der Schweiz in den letzten 15 Jahren vermehrt auf. Milde Winter und trockene Sommer sollen die Eichen-Prozessionsspinner fördern.
Eichen-Prozessionsspinner
Die Raupen des Nachtfalters, die jetzt auf Eichen unterwegs sein können, haben Gifthaare, die Hautausschläge und Atemprobleme auslösen können, klärt das Allergiezentrum Schweiz auf. Die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind meist auf Eichen zu finden, sie verbringen den Tag in Knäueln an Stämmen und Ästen und wandern abends in Kolonnen – wie bei einer Prozession – in die Baumkronen zum Fressen. Faszinierend, aber nicht ungefährlich: Die feinen Brennhaare der Raupen rufen auf der Haut nesselartige Entzündungen hervor. Besonders gefährdet sind die Augenschleimhäute und die Atemwege. Ab Ende Mai, anfangs Juni entwickeln die Raupen des Eichenprozessionsspinners ihre Gifthaare und tummeln sich gerne auf sonnenexponierten Eichen – am Waldrand, in Schwimmbädern, in Parks. Da kann man leicht in Kontakt mit den Härchen kommen, die auch in den Verpuppungsgespinsten an den Baumstämmen hängenbleiben und jahrelang ihre giftige Wirkung behalten.
Die Brennhaare enthalten das Eiweissgift Thaumetopoein, das bei Kontakt verschiedene Reaktionen auslösen kann mit starkem Juckreiz und Hautausschlag: «Bei der toxischirritativen Dermatitis entzündet sich die Haut, bei einer Kontakturtikaria bilden sich Quaddeln. Umgangssprachlich spricht man von einer Raupen-Dermatitis», sagt Prof. Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier vom wissenschaftlichen Beirat von aha! Allergiezentrum Schweiz; er leitet die Allergiestation der Dermatologische Klinik am Universitätsspital Zürich. Neben irritativen Reaktionen seien auch eigentliche allergische Reaktionen etwa auf die Härchen möglich. Gelangten diese in die Augen, könne sich auch die Bindehaut entzünden, eingeatmet könnten sie Atemnot auslösen. «Personen mit Atemwegsbeschwerden sind besonders gefährdet», so Schmid-Grendelmeier. (mgt)