Alle Wege führen nach Tschernobyl

  11.06.2017 Oberes Fricktal, Oeschgen

Von Remo Welte

Deutschland, Dänemark, Rumänien und Ukraine. Das sind nicht etwa die nächsten Gegner der Schweizer Fussballnationalmannschaft, sondern 4 der insgesamt 14 Länder, welche Mirco Hauswirth (27) und Luca Deiss (25) durchreist haben. Im Rahmen der CATrophy (Crazy Adventure Trophy) fuhren sie während 16 Tagen quer durch Europa. Das Ziel war Tschernobyl. Einer der verlassensten Orte der Welt. «Wir fahren gerne Auto und das Thema Tschernobyl hat uns angesprochen», begründet Hauswirth die Teilnahme. Die Vorschriften der Rallye? Selbstverständlich die Strassenverkehrsregeln. Und: Das Auto durfte beim Ankauf nicht mehr als 2017 Franken kosten und musste mindestens 20 Jahre alt sein. Hauswirth und Deiss hatten sich dafür einen Jeep Grand Cherokee gekauft. Ausserdem musste das Auto entsprechend ihrem Teammotto «Fühl den Rhythmus, fühl die Musik, dieser Wagen fährt uns zum Sieg» dekoriert sein. Also Navi an und los geht’s? Nicht ganz. Der Gebrauch eines Navigationsgeräts war untersagt. Einziges Hilfsmittel: die gute alte Landkarte.

Ein bisschen Jamaika

Als Team «Cool Runnings» gingen die beiden am 13. Mai in Willisau an den Start. Angelehnt an den Bobfilm von 1993 verpassten sie sich selbst und dem Auto einen Jamaika-Look. Zu Beginn erhielt jedes Team einen GPS-Tracker – Familie und Freunde konnten so live mitverfolgen, wo sich die Autos gerade aufhielten. Gestartet an zehnter Stelle, fanden sich die Fricktaler bald am Ende des Feldes wieder. «Wir hatten es nicht so eilig, zudem schlossen wir uns am ersten Tag aus unserem Auto aus», sagte Deiss schmunzelnd.

Zwischenstopp im Aldi

Zuerst ging es nach Deutschland. In der Startphase waren sie besonders lange im Auto unterwegs, der Spass verging ihnen dabei etwas. «Solch lange Touren hatten wir nicht erwartet. Da hinterfragten wir unsere Teilnahme schon ein wenig», erzählt Mirco Hauswirth. Nach zwei Tagen wurde es besser, die Autofahrten fühlten sich kürzer an und man hatte mehr Zeit, sich noch mit den anderen Gruppen auszutauschen. Übernachtet haben sie meist im Auto, «drei bis vier Mal gingen wir aber auch in ein Hotel.» Mehrere Tage und eine Fähre später kamen die beiden in Finnland an. Dort gingen sie in einen Aldi. «Plötzlich bekam ich eine Nachricht von meinem Vater. Er fragte mich, was wir denn so lange im Aldi machen würden», sagt Deiss lachend. Hauswirth fügt an: «Mehrere Freunde schrieben uns, wieso wir denn immer die Letzten seien. Dieses Live-Tracking war eine witzige Sache.»

Estland als erstes Highlight

Schon bald fanden sich die beiden in Estland wieder. Mirco Hauswirths persönliches Highlight. Zuerst besuchte das Duo ein stillgelegtes Gefängnis in Estland, was an sich schon interessant gewesen sei. Doch der Ort der Übernachtung sei noch etwas aufregender gewesen: “Wir kamen am Abend an. Ein kleines Walddorf wurde gemietet und wir konnten da übernachten, die Kulisse war unglaublich.“ Am nächsten Morgen ging es weiter. Zuerst durchquerten sie Lettland, dann ging es über Litauen und Polen in Richtung Tschernobyl. «Einige Teams fuhren durch Weissrussland, weil es da aber Probleme mit der Ausreise geben kann, wollten wir es nicht riskieren, Tschernobyl zu verpassen», erklärt Hauswirth die Routenwahl.

Im ukrainischen Fernsehen

Nach acht Tagen und diversen Sehenswürdigkeiten war es soweit: Das Themenziel Tschernobyl war erreicht, die Besichtigung der Stadt Pripjat stand an. Zu diesem Anlass fanden alle Teams zusammen, denn sie mussten gemeinsam in die Sperrzone fahren. Hinein ging es in die Atom-Wüstung, wo einst 50000 Leute lebten herrscht heute Stille. Noch etwa 300 Personen leben in der Sperrzone und sie schienen über den Besuch der Schweizer Rallye-Fahrer informiert worden zu sein. «Viele Leute waren auf ihren Balkons und beobachteten uns. Auch ein ukrainisches Kamerateam war vor Ort.» In der Stadt konnten sie sich frei bewegen. «Ich schaute in ein Schulzimmer hinein, da standen noch Sachen an der Wandtafel», schildert Luca seine Eindrücke. Die beiden sind begeistert.

Entspannung pur am Strand

Auf dem Rückweg über Ungarn, Slowenien und Italien ging die Entdeckungsreise weiter. Das absolute Highlight von Deiss stand noch an: «Wir waren um vier Uhr nachmittags in Italien, konnten im Meer baden und einfach mal entspannen. Danach konnten wir ausschlafen und locker zurück in die Schweiz fahren.» So kamen die beiden nach 16 Tagen wieder in Willisau an. Zeit, die ganze Reise Revue passieren zu lassen. Von den 56 gestarteten Teams schieden nur drei aus. Das Auto der beiden hielt durch: «Wir hatten keine grosse Panne, ein paar kleinere Sachen, aber es ging immer weiter.» Die beiden waren sehr gut ausgerüstet: «Daher geht der Dank auch nochmals an all unsere Unterstützer. Nur eine spezielle Hupe, wie sie viele hatten, hat uns gefehlt.»

Nachdem Luca Deiss seine Erfahrungen schon mit zig Menschen geteilt hat, weiss er für die Rallye mittlerweile einen treffenden Vergleich: «Es ist ein wenig wie die Rekrutenschule. Am Anfang findet man alles schlecht. Doch mit der Zeit lernt man die Leute kennen, es wird immer besser. Im Nachhinein war es ein super Abenteuer und eine tolle Lebenserfahrung.» Ob sie also ihre Wiederholungskurse an einer CATrophy machen werden? Noch wissen sie es nicht.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote