Es tönt trotzdem gut

  27.02.2019 Fricktal

Zwei Guggen, die auch mit wenig Mitgliedern noch viel erreichen

Wie viele Vereine kämpfen auch immer mehr Guggenmusiken mit dem Mitgliederschwund. Die Magdemer Bierschnägge und die Chinzhaldeschränzer Eiken sind zwei Beispiele aus dem Fricktal, wie die Fasnacht trotzdem funktionieren kann. Neue Mitglieder nehmen aber beide gerne auf.

Boris Burkhardt

 In der Boomzeit der Guggenmusiken Ende der Achtziger und in den Neunzigern entstanden im Fricktal unter anderem die Chinzhaldeschränzer Eiken (1987) und die Magdemer Bierschnägge (1995). Beide Guggen sind heute noch sehr aktiv, sowohl an der Fasnacht im eigenen Dorf als auch an Guggenbällen und Umzügen in der Region. Doch die grossen Boomjahre sind seit der Jahrtausendwende vorbei; eine Mitgliederstärke von 46 beziehungsweise 43 Musikern erreichten beide Guggen seit damals nicht mehr. Heute spielen in Eiken noch 20 Guggenmusiker, in Magden sogar nur 14. Doch beide Guggen denken nicht ans Aufhören, vertrauen auf ihren Zusammenhalt und suchen weiter nach neuen Mitgliedern. Einen grossen Knall, bei dem sich viele Mitglieder verabschiedet hätten, gab es bei den Bierschnägge nie. Manuela Mayoraz, seit 1997 dabei und damit der dienstälteste Bierschnägg, erinnert sich, dass ab 2005 die Mitgliederzahl langsam abnahm: Viele hätten aufgehört, weil zehn Jahre oder mehr für sie einfach genug gewesen seien. Vielfach seien auch Kinder der Grund für den Abschied aus der aktiven Fasnacht gewesen. «Wir hatten immer einen grossen Frauenanteil. Viele kamen nach dem ersten Kind nicht mehr zurück», bestätigt Präsident Patrick Forster. Mayoraz ist eine Ausnahme: Sie ist seit sechs Jahren Mutter und immer noch dabei – dafür hörte ihr Mann, der allerdings schon länger bei den Bierschnägge spielte, mit der Geburt auf.

Ohne Trompeten
Ein Minimum für eine funktionierende Gugge will Agi Rohrer, Mitglied der Bierschnägge seit elf und Tambourmajor seit neun Jahren, gar nicht an der Mitgliederzahl festmachen. Vielmehr an der Besetzung der Register: Vier Posaunen, fünf Trompeten, ein Euphonium, ein Sousaphon, eine Lyra, zwei «Küchen» genannte fahrbare Schlagwerke und eine Pauke – das sei genug für kraftvolle Guggenmusik. Aber selbst ungenügend besetzte Register sind kein Grund aufzuhören: Bei den Chinzhaldeschränzer geht es sogar ohne – was man eigentlich bei einer Gugge für unabdingbar hielte – Trompeten. Mit sechs Posaunen, zwei Sousaphonen und sechs Euphonien sind die Eikener Guggenmusiker mit Bläsern gut besetzt; dazu kommen sechs Rhythmusmusiker.

In die Situation, die Register neu zu ordnen, kamen die Chinzhaldeschränzer, als vor fünf bis sechs Jahren auf ein Mal neun Mitglieder die Gugge verliessen, weil bei ihnen nach 20 bis 25 Jahren ebenfalls ein natürlicher Punkt zum Aufhören gekommen war. «Wir überlegten damals, etwas ganz anderes zu machen; das war ein kurzer Moment der Schockstarre», sagt Thomas Kopp, seit 15 Jahren dabei, und lacht: «Aber nur ein halbes Bier lang.» Im Ernst habe nie jemand darüber nachgedacht, die Chinzhaldeschränzer aufzulösen, auch nicht, als sie vergangenes Jahr auf den Tiefstand von 16 Musikern angelangt seien, sagt Präsident Simon Schraner, seit zehn Jahren aktiv.

Viele langjährige Mitglieder
Tatsächlich konnten die Chinzhaldeschränzer dieses Jahr vier neue Musiker dazugewinnen: Eine ist die Tochter eines Ehemaligen, eine ist eine Kollegin, die in die Region zog; und bei zweien verfing die Mitgliederwerbung. Besonders erwähnenswert ist die Treue der Chinzhaldeschränzer über grosse Entfernungen hinweg: Mitglieder, die in Schaffhausen, Uri oder Langenthal wohnen, kommen noch immer für die Wochenenden und selbst die wöchentlichen Proben nach Eiken. Kopp selbst wohnt in Thun. Weniger Erfolg mit der Werbung hatten bisher die Bierschnägge: Die Flugblätter, die sie in fast alle Haushalte in Magden und Umgebung warfen, brachten eine magere Resonanz: Kein Interessierter kam an die öffentliche Probe. Für Mayoraz spielt eine Rolle, dass in Magden viele Zugezogenen wohnen, die wenig Interesse an den Traditionen im Dorf hätten.

Die Bierschnägge sind in Magden allerdings nicht die einzige Guggenmusik: Die Sürmelgugge ist heute eine Familiengugge mit 26 Mitgliedern von sieben bis 57 Jahren; lange Zeit war sie aber eine reine Kindergugge. Einige Musiker konnten die Bierschnägge von dort übernehmen, wenn sie alt genug waren. In der Regel gilt bei ihnen eine Aufnahme ab frühestens 18 Jahren; Ausnahmen werden nur für Magdener mit Einverständnis der Eltern gemacht. Mayoraz weiss aber nur von einem Jugendlichen, der von der Sürmelgugge mit 16 Jahren in eine andere Gugge wechselte, weil er nicht zwei Jahre auf seine Aufnahme in die Bierschnägge warten wollte. Auf das Mindestalter von 18 Jahren legen auch die Chinzhaldeschränzer wert: «Wenn die Eltern einverstanden sind, geht es auch jünger», sagt Sonja Hiltmann, mit 20 Dienstjahren der «zweitälteste» Schränzer: «Schule und Lehre dürfen aber nicht beeinträchtigt werden; da sind wir pedantisch.»

Eigene Veranstaltungen
Dass die Grösse nichts über den Zusammenhalt aussagt, beweisen beide Guggen: Beide haben ihre eigenen Veranstaltungen, den Cherusball am 9. März in Magden und den Schränzerball, welcher am vergangenen Freitag in Eiken stattfand, beide sind aktiv in der eigenen Dorffasnacht. Beide Guggen gehen es aber mit dem Programm gediegen an und beginnen die närrischen Aktivitäten nicht vor dem Ersten Faissen, selbst in Jahren wie diesem, wenn die Vorfasnacht sehr lang ist. Die Bierschnägge treffen sich vor jedem Auftritt zum Schminken und Abendessen im Restaurant Rössli in Rheinfelden. Bei ihnen beginnen die Proben für die Fasnacht 2020 wieder ab Ende August. Die Chinzhaldeschränzer haben ihr Domizil in einem kleinen Vereinsraum im Schulhaus Eiken und laden zur «Neumitspielerprobe» bereits am 27. März ein. «Bei uns ist jeder willkommen, jederzeit mit auf Tournee mitzukommen, sich schminken zu lassen und in den Car zu sitzen», ergänzt Präsident Schraner. Und für die Bierschnägge gilt das genauso.

www.bierschnaegge.ch www.chinzhaldeschraewnzer.ch


 


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