Immer brennt da ein Licht…
24.12.2021 FricktalDie Rückkehr auf die Sonnenseite des Lebens
Bernadette Zaniolo
Nichts geschieht durch Zufall: Diese Aussage hörte auch Rebekka mehr als einmal, als sie vor Jahren tief in ein Burnout rutschte. Sie hinterfragte dies mehr als einmal. Heute ist die 55-jährige Fricktalerin überzeugt, dass – trotz der schweren Zeit, die sie durchlebte – etwas Wahrheit dahintersteckt.
«Ich glaube, nichts geschieht aus Zufall. Im Grunde hat alles seinen geheimen Plan, auch wenn wir ihn nicht verstehen», so der Autor Carlos Ruiz Zafón, im Buch «Der Schatten des Windes.» Damit konnte die Mutter einer damals 14-jährigen Tochter nichts anfangen. Rebekka (Name geändert) arbeitete in einem KMU im Raum Baden. Sie war beliebt und engagiert. Unter anderem in einem Frauenverein sowie der Schulpflege. Die aus dem mittleren Fricktal stammende Frau war bei ihren Berufskollegen ebenso geschätzt, wie in ihrem privaten Umfeld. Sie galt als hilfsbereit, arbeitsam, liebevoll, lernwillig, konnte sich und andere motivieren und sie setzte sich für Schwächere in der Gesellschaft ein. Ihren Job liebte sie und gab Vollgas. Auch für die Familie setzte sie sich mit vollem Elan und Freude ein.
Als es in der Firma zu Veränderungen kam, sah es Rebekka mehr als Chance als negativ. Sie krempelte «die Ärmel hoch» und setzte sich noch mehr ein. Einzelne Arbeitskollegen sahen darin eine Konkurrenz oder Gefahr. Sogar ihr Vorgesetzter. Immer mehr wurde Rebekka deshalb gemobbt. Bis sie eines Tages die Arbeit zu verweigern drohte. Nach einem Gespräch mit einem Arbeitskollegen machte sie jedoch die Arbeit an diesem Tag weiter. Als sie am Nachmittag nach Hause ging, war die Welt für sie wieder in Ordnung.
Sie war voller Zuversicht, dass sie am anderen Tag wieder ins Büro gehen würde. Doch nur eine Stunde später, zitterte sie am ganzen Körper. Als ihr Mann von der Arbeit nach Hause kam, fragte er: «Was ist passiert?» Rebekka fing schluchzend an zu erzählen. Ihr Mann sagte, dass er dies hätte kommen sehen, beziehungsweise, dass sie eines Tages wegen der belastenden Situation krank würde.
Das Zittern verschwand nach und nach und Rebekka geht voller Zuversicht, dass sie am anderen Tag wieder zur Arbeit gehen würde, ins Bett. Gegen 2 Uhr morgens wachte sie auf. Ihr ging es miserabel. «Das fühlt sich an, wie ein Lavastrom in meinen Armen, der aus meinem Körper will und darauf sind Ameisen, die so kribbeln», erzählte sie am anderen Morgen dem Arzt. Für ihn war sofort klar, um was es sich hier handelte. Er schrieb sie arbeitsunfähig und gab ihr zur Beruhigung Medikamente.
Ein Bekannter empfahl ihr eine Therapeutin, mit welcher er selbst gute Erfahrungen gemacht hat. Auch wenn Rebekka der Methode der Therapeutin anfänglich skeptisch gegenüberstand, nahm sie deren Hilfe in Anspruch. Sie schöpfte Hoffnung. Der Zustand von Rebekka besserte sich. Sie nahm ihre Arbeit wieder auf.
«Wie, wenn du keine Luft bekommst…»
Doch plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, war sie wieder komplett am Boden zerstört. Sie begriff es nicht. Doch auch diesmal rappelte sich Rebekka wieder auf. Ihr Umfeld riet ihr, sich mehr an der frischen Luft zu bewegen. «Ach, hast du frei?», fragte eine Bekannte, als sie Rebekka auf dem Spaziergang traf. Rebekka erklärte ihr, dass sie gesundheitliche, beziehungsweise psychische Probleme habe. Zugleich schien sie die Gedanken des Gegenübers deuten zu können. «Ach, ja auch eine von denen, die psychische Probleme vorgibt, dass sie nicht arbeiten muss.» Rebekka sah man äusserlich nichts an. Oder sie versuchte, es zu kaschieren. Ihre Psyche steckte jedoch in einer Schlinge, welche sich manchmal mehr zuzog und manchmal weniger. «Es ist, wie wenn du keine Luft mehr bekommst», sagte sie zur Journalistin.
Öfters mal nein sagen
Eines Tages war Rebekka auf dem Heimweg vom Arzt, als sie eine Dorfbewohnerin traf. Diese freute sich sehr über die Begegnung mit Rebekka und fragte: «Wie geht es Dir?». Rebekka brach in Tränen aus und sagte: «Nicht gut.» Die Frau merkte sofort, dass Rebekka jetzt Hilfe brauchte. Sie begleitete sie nach Hause und hörte Rebekka zu. Im Nachhinein, so sagte Rebekka, sei auch diese Begegnung kein Zufall gewesen. Es wurde wieder Licht im Leben von Rebekka. Sie entschloss sich, auch Hilfe beim externen psychiatrischen Dienst zu holen. Die Mitarbeiterin stellte ihr Leben auf neue Pfeiler. «Es war für mich, als hätte mir jemand eine Ohrfeige verpasst», sagte Rebekka. Sie lernte wieder zu leben und auch öfters mal nein zu sagen. Immer mehr gewann sie an Selbstvertrauen. Ihre Augen begannen wieder zu funkeln. Und je mehr sie ihrer Freude freien Lauf liess, desto mehr merkten jene, die sie zu Fall gebracht hatten, dass sie Stärke gewann.
Heute geht Rebekka wieder mit erhobenem Haupt unter die Menschen. «Ich werde manchmal gefragt, wie schaffst du es, so locker zu bleiben», sagt sie angesprochen auf die aktuelle Situation. Sie ist überzeugt, auch diese Situation ist eine Chance. Es sei kein Zufall, «auch wenn wir vielleicht nicht verstehen, was uns dies jetzt sagen will.»