Neue deutsche Autobahn wird eröffnet
19.11.2021 RheinfeldenIm Dezember geht das vierte Teilstück der A98 in Betrieb
Es sind nur 2,8 Kilometer nördlich von Badisch-Rheinfelden: Doch das vierte Teilstück der A98, die einst bis nach München geplant war, war mit zwölf Jahren Bauzeit und 135 Millionen Euro Kosten ein hartes Stück Arbeit.
Boris Burkhardt
Was interessiert im Fricktal der Neubau einer Autobahnstrecke hinter Badisch-Rheinfelden von gerade einmal 2,8 Kilometern Länge mit einem Tunnel, der kaum 500 Meter lang ist? Tatsächlich wird der neue Teilabschnitt 4 der A98 vom Autobahndreieck Hochrhein bis zur neuen Ausfahrt Rheinfelden-Ost im Dürrenbachtal bei Minseln, der zwischen dem dritten und vierten Advent eröffnet werden soll, wohl von sehr wenigen Fricktalern je befahren werden. Denn Richtung Schaffhausen ist die Schweizer A3 noch immer die weit bessere Alternative; und wer nach Badisch-Rheinfelden will, fährt schon hinter dem Autobahnzoll von der kurzen Verbindungsautobahn A861 ab.
Dennoch lohnt sich ein Blick auf dieses Strassenbauwerk, das Rheinfelden vom Transitverkehr entlasten soll und ein weiterer kleiner Schritt der Jahrzehnte andauernden Erschliessung des deutschen Hochrheins durch eine Autobahn ist. Denn es handelt sich nicht nur um eines der wenigen Neubauprojekte auf der grünen Wiese, die es in Sachen Autobahn in Deutschland überhaupt noch gibt; sondern die ständig verlängerte Bauzeit seit 2009 und die Kosten von rund 135 Millionen Euro für diesen kurzen Abschnitt machen auch deutlich, um welche Dimensionen es hier geht, Dimensionen des Eingriffs in die Landschaft, aber auch Dimensionen der modernen Ingenieursbaukunst.
Die beiden Röhren des 480 Meter langen Herrschaftsbucktunnels wurden in den Berg gesprengt; 1,5 Millionen Kubikmeter an Erdaushub wurden in den vergangenen Jahren in Tausenden von Fahrten in gelben Kipplastern weggefahren, für den Tunnel sowie für die Brücke, die nur den Zweck hat, die Kaltluftzufuhr in diesem Waldgebiet aufrechtzuerhalten, und die mit Gewalt in den gigantischen Hang gefräste Anschlussstelle Rheinfelden-Ost, wo die A98 vorerst wieder enden wird. Die Eröffnung dieses Teilstücks musste mehrfach verschoben werden, zuletzt wegen coronabedingter Lieferschwierigkeiten von Mitte 2021 auf Ende 2021. Geplant ist ein Eröffnungsfest für die Bevölkerung am Wochenende des zweiten oder dritten Advents, eventuell mit SWR-Party im Tunnel.
Eine «unendliche Geschichte»
Die Geschichte der A98, die im Autobahndreieck Weil am Rhein von der A5 abzweigt und bis 2002 nur bis Lörrach-Ost führte, wird gelegentlich als eine «unendliche Geschichte» bezeichnet. Erstmals geplant in den Sechzigern sollte sie Teil der Verbindung von Paris nach Budapest sein und dem Hochrhein und Bodensee entlang bis nach München führen. Doch die Weigerung der Schweiz, die Autobahn auf Schaffhauser Gebiet weiterzuführen, machte diese Planung schnell zum Stückwerk. Am Dreieck Weil war ausserdem ein Anschluss über den Rhein an die französische A35 geplant, der inzwischen ebenso ad acta gelegt wurde – man kann das aber noch heute an der ungewöhnlich ausladenden Form der Abbiegespur von der A5 nördlich auf die A98 im Dreieck erkennen.
2002 wurde das Teilstück der A98 zwischen Lörrach und Rheinfelden mit drei grossen Brücken über die Dinkelbergtäler mit einer Fahrbahn eröffnet; erst 2010 wurde die zweite Fahrbahn freigegeben. Der Anschluss an die Schweizer A3 über die A861 erfolgte 2006.
Weiterhin in der Luft
Vorerst wird die A98 auch nach der Eröffnung des Teilabschnitts 4 weiterhin in der Luft enden, diesmal im wahrsten Sinne des Wortes. Geplant ist im Abschnitt 5 eine Brücke über das Dürrebachtal auf den Karsauer Bergrücken. Wie es von dort weiter nach Schwörstadt, Wehr und Bad Säckingen gehen soll, ist noch Teil der Debatte zwischen Behörden, Naturschützern und verkehrsgeplagten Anwohnern: Alleine in Bad Säckingen werden sechs Trassenvarianten geprüft, weil die Säckinger Angst haben, dass ihnen das Thermalwasser abgegraben wird.
Die 480 Meter Herrschaftsbucktunnel werden den modernsten Ansprüchen an Funktion und Sicherheit gerecht: Die Bordsteine wurden für Rollstuhlfahrer auf drei Zentimeter abgesenkt; an allen Notausgängen befinden sich Türöffner in entsprechender Höhe. Selbst die weissen Tunnelwände sind eine Neuheit; bisher war es laut Planer nicht möglich, diese Farbe in Tunnels anzubringen. Die Wände brächten nicht nur mehr Helligkeit und damit Sicherheit in den Tunnel, sondern seien auch viel einfacher zu reinigen.
Das südliche Tunnelrohr hat drei Fahrstreifen, weil hier die Rampe von der A861 einmündet und seit dem verheerenden Brand im österreichischen Tauerntunnel 1999 keine Einfädelspur mehr im Tunnel enden darf. Um vor allem den regelmässigen LKW-Stau vor dem Rheinfelder Autobahnzoll lenken zu können, wurden auf dem kurzen Autobahnabschnitt sechs Schilderbrücken und drei Prismenwände mit veränderlichen Anzeigen angebracht. Derzeit bauen noch vier Arbeiter in mühsamer Handarbeit mit einer Geschwindigkeit von 100 Metern pro Tag sieben Kilometer Wildschutzzaun um das gesamte bergige Gelände des Autobahndreiecks – mit Untergrabschutz gegen Wildschweine und Überkletterschutz gegen Luchse.