Die Kapsel-Künstlerin
18.08.2021 Obermumpf, PersönlichPreis mit Minnie Maus gewonnen
Therese Lanter-Haslimeier aus Obermumpf verarbeitet Kaffeekapseln zu preisgekrönten Kunstwerken. Mit Basteln hat das nur noch wenig zu tun.
Isabel Steiner Peterhans
Die Obermumpferin Therese Lanter-Haslimeier ist nicht nur eine leidenschaftliche Kaffeetrinkerin. Seit geraumer Zeit recycelt sie die gebrauchten Nespressokapseln auch zu Kunstwerken. Ein spannendes Hobby, das inzwischen weit mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung für sie ist. «Ich lerne dadurch auch immer wieder neue Menschen kennen.» Neulich habe sie einen Aufruf auf Facebook starten müssen, verrät Therese Lanter-Haslimeier, «sonst hätte ich mein Projekt nicht beenden können.» Dank diesem Aufruf erhielt die 52-Jährige dann von teils völlig unbekannten Personen die fehlenden Nespresso-Kapseln zugeschickt.
Ein Löwe als Meisterwerk
Aus den gespendeten Teilen ist ein Meisterwerk entstanden: das Porträt eines Löwen, Lanters Sternzeichen. Das Kunstwerk klebt auf einer grossen, extra auf die Kapselmasse berechneten Leinwand. Total 2000 Kapseln hat sie für das Bild mit den Massen 148x185 Zentimeter verwendet – in 47 verschiedenen Farbnuancen.
Der Kaffeehersteller Nespresso gibt jährlich etwa zwölf neue Kaffeesorten heraus, und jede Kapsel hat eine andere Farbgebung. Teilweise bleiben die neuen Sorten lediglich wenige Wochen im Verkauf. Flexibilität ist da gefragt. Die Neulancierungen der Kaffeesorten im Ausland haben wieder andere Kapselfarben. Eine «Stange» enthält jeweils lediglich zehn Kapseln. Lanter orientiert sich mittels einer App und des Newsletters darüber, welche neuen Farben aktuell auf dem Markt sind. Mittlerweile hat sich weltweit eine richtige «Community» gebildet. Damit man die Bilder überhaupt erkennen kann, gilt es, möglichst viele Farbpixel zu verwenden. So werden diese Bilder aber meistens auch viel grösser in den Dimensionen. Deshalb verlegte Lanter ihren Arbeitsplatz kurzerhand nach draussen und heftete die Kapseln für eine gewisse Zeit ans Garagentor. Der positive Nebeneffekt war, dass sie damit im Corona Jahr vielen Passanten nicht nur eine Freude machen konnte, sondern mit den staunenden Fussgängern auch in Kontakt treten konnte.
Arbeit mit Excel-Tabelle
Aber wie entsteht denn überhaupt ein solches Bild? «Zuerst entscheide ich mich für ein Sujet, und danach muss ich Kapseln sammeln. Mehr als zwei Jahre habe ich ausschliesslich gesammelt, bis ich genügend Kapseln beisammen hatte, um das Löwenporträt in Angriff nehmen zu können», erklärt die kreative Frau.
Sie komme sich manchmal wie ein «Clochard» vor, erzählt Lanter lachend. Mit ihrem E-Bike klappert sie die Nespresso-Sammelstellen in der nahen Umgebung ab und fischt das nötige Material aus den braunen Sammelcontainern. Zu Hause schneidet sie den Deckel mit einem Japanmesser weg, entfernt die Reste von gemahlenem Kaffee, wäscht die Kapseln aus und trocknet jede einzeln nach. Eine Kapsel ist 3,7 Zentimeter breit, wenn sie flachgedrückt wird. Also wird das gewünschte Sujetbild auf eine Excel-Tabelle übertragen und so berechnet, wie viele Kapseln benötigt werden.
Damit diese auf dem Bilduntergrund halten, muss ein spezieller Leim verwendet werden. «Es brauchte intensives Tüfteln, bis ich den richtigen Kleber gefunden hatte», erzählt Lanter. Die Nespresso-Kunst ist aber nicht das einzige kreative Standbein der 52-Jährigen. Unter dem Label «Therese’s Design am Bach» gibt Lanter auch Kurse in Silberdraht-Schmuck-Stricken (mit der Strickliesel), Porträts in Windowcolor, Persönlichkeiten aus Blumentöpfen sowie Korkzapfen.
Das kreative Schaffen ist für sie nicht nur ein Hobby, sondern auch eine Form von Therapie. In jungen Jahren war Lanter nämlich erfolgreich als Rennradfahrerin auf den Langdistanzen unterwegs und schaffte in Schötz (LU) einen Weltrekord über 705 Kilometer Distanzfahren. Mit 28 Jahren hatte sie jedoch unverschuldet einen schweren Verkehrsunfall, der ihr Leben massiv geprägt hat.
Sonderpreis für Mini-Minnie-Maus
Schritt für Schritt kämpfte sich Therese Lanter-Haslimeier ins Leben zurück, und ihre kreative Ader hat ihr dabei geholfen, ihr Schicksal zu bewältigen. Sich selber übertroffen hat die Obermumpferin mit ihrem aktuellsten Wurf, der im Rahmen des «22. Kreativwettbewerbs Recyclingkunst aus Metallverpackungen 2021» entstanden ist. Die Vorgaben waren Comics und eine maximale Grösse von 50x50x80 Zentimetern. Am Garagentor war seit geraumer Zeit ein Minnie-Maus-Kapselbild montiert. Das Werk passte zwar zum Thema, war aber viel zu gross. Also fertigte Lanter kurzerhand eine kleinere Version an. Der Aufwand scheint sich gelohnt zu haben – sie gewann damit den Sonderpreis von Nespresso. «Eine immense Wertschätzung», freut sie sich. Als nächstes Projekt wagt sie sich an ein Postautosujet: «Es ist ein Projekt, das ich vor Jahren begonnen habe und das ich nun zu Ende bringen möchte.» Es wird also bloss eine Frage der Zeit sein, bis man an ihrem Garagentor wieder ein neues Werk bestaunen kann.