«Mich als Tierquäler abzustempeln, ist eine Frechheit»
06.08.2021 Brennpunkt, GansingenDer 72-jährige Georg Oeschger setzte einen Gasdetonationsapparat zur Mäusebekämpfung ein. Vom Bezirksgericht Laufenburg wurde er wegen mehrfacher versuchter Tierquälerei gemäss Tierschutzgesetz schuldig gesprochen. Ein Affront, findet Oeschger, denn gemäss dem FiBL in Frick und weiteren Fachstellen ist der eingesetzte Rodenator nicht verboten.
Bernadette Zaniolo
Der pensionierte Ausführungsprojektleiter, Juraparkführer und Nebenerwerbslandwirt Georg Oeschger aus Gansingen versteht die Welt nicht mehr. «Ich bin ein aktiver Naturschützer und kein Tierquäler», sagt er im Gespräch mit der NFZ. Oeschger engagiert sich in der gemeinnützigen Vereinigung Fructus und hegt und pflegt auf seinem 1,6 Hektaren grossen Landstück 75 alte, resistente Obstbäume. Um der zunehmenden Mäuseplage Herr zu werden, setzte Oeschger einen Rodenator ein, welchen er von einem Berufskollegen ausgeliehen hatte. Dabei wird mit einem Propangas-/Sauerstoff-Gemisch versucht, das Erdreich von Feldmäusen zu befreien.
Die dadurch hörbaren Explosionen veranlassten eine Anwohnerin, die Polizei zu rufen. «Sie hat klar gewusst, was ich da mache und wer ich bin. Sie gab an, irgendjemand sprenge herum», betont Oeschger gegenüber der NFZ. Bei der Augenscheinnahme der Polizei vor Ort sei ihm von dieser mitgeteilt worden, dass diese Methode seit vier Tagen verboten sei. «Keiner der vor Ort anwesenden Polizisten hat jedoch kontrolliert, ob in den durch die Explosion offenen Mausgängen noch lebende oder tote Tiere waren», kritisiert Oeschger. Bei der Explosion gebe es innerhalb einer Millisekunde einen kontinuierlichen Druckaufbau. «Dabei könne es keiner Maus Extremitäten abreissen. Das hat mir eine Fachperson, die sich mit Explosionen auskennt, erklärt.»
Eine Antwort auf seine Fragen, seit wann diese Art der Mäusebekämpfung beziehungsweise der Rodenator verboten sei oder welche Fachstelle ein solches Verbot ausgesprochen habe, erhielt der 72-jährige Oeschger bis heute nicht. Im Februar erhielt er von der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg einen Strafbefehl. Dagegen erhob er Einsprache. «Ich habe mit einigen kantonalen Fachstellen mehrmals Kontakt gehabt. Es zeigt sich klar, dass der Rodenator eingesetzt werden darf und die Aussage der Polizei am 13. November 2020 falsch ist», so Oeschger. Er habe auch ein Gespräch mit einer Naturwissenschaftlerin geführt, um festzustellen, welche Tiere mit diesem System getötet werden. «Ich erklärte ihr, wo diese Tiere leben. Ich stellte auch die Frage, wie sie erkenne, was für eine Maus hier im Boden wohnt. Ich weiss es», sagt Oeschger beim Gespräch am Dienstagmorgen.
«Der Baum ist ein Prachtstück»
Die alten Obstbäume hat er teils von seinem verstorbenen Vater übernommen. «Hier, diese Maushäufen sind in den rund zehn Tagen, als ich weg war, entstanden. Ich hege und pflege die Obstbäume um die Biodiversität zu erhalten und nicht aus kommerziellen Gründen. Das rechnet sich eh nicht. Ich verwende für diese Birnenbäume keine Spritzmittel», sagt Oeschger und nimmt nebenan einen Gravensteiner Apfel vom Boden und verzehrt diesen gleich. An einem Baum weiter oben im Gelände zeigt er der Redaktorin, wie er dort vor 32 Jahren einen jungen wilden Kirschbaum gepropft hatte. Dieser hat jetzt einen Durchmesser von 46 Zentimeter. Die Rinde der wilden Unterlage verläuft waagerecht um den Stamm. Beim oberen Stammbereich verläuft die Borke senkrecht und ist rauer. «Der Baum ist ein Prachtstück und hat eine gewaltige Energie», sagt Oeschger voller Freude.
«Es zeigt sich klar, dass der Rodenator eingesetzt werden darf»
Das Obergericht wird sich jetzt mit dem Fall befassen müssen
Der Bauernverband Aargau hinterfragt die Beurteilung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), welches die vom Gansinger Georg Oeschger angewandte Schadnagerbekämpfung als «nicht zulässig und potenziell qualvoll» bezeichnet.
Bernadette Zaniolo
Das eingesetzte Gasdetonationsgerät wurde von Georg Oeschger nicht auf Empfehlung von Fructus eingesetzt, «es wird jedoch von Agroscope als eine mögliche und zugelassene Bekämpfungsmethode von Wühlmäusen in der aktuellen Pflanzenschutzempfehlung für den Erwerbsobstbau (Agroscope Transfer Nr. 309, Januar 2020, Seite 51) aufgeführt», wie es in einer Stellungnahme der Geschäftsstelle von Fructus vom 29. März 2021 heisst. Wie das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) in Frick auf Anfrage von Georg Oeschger festhält, sind «Mäuse mit Abstand die grössten Schädlinge bei den Obstkulturen. Sie können immense Schäden, vor allem im Kernobst und bei Hochstammbäumen verursachen. Ohne eine wirksame Regulierung ist der Anbau und die Erhaltung der für die Biodiversität und die Landschaftsästhetik sehr wertvollen Hochstammbäume nicht möglich.» Für die Regulierung stünden im biologischen Landbau deshalb Methoden wie das Abfangen mit Fallen wie zum Beispiel Topcat-Fallen, das Vergasen mit CO-Vergasern (Beispiel einem Mauki Gerät) und die Regulierung mit dem Gasdetonationsapparat zur Verfügung.
Im Schreiben vom 16. April 2021 hält das FiBL weiter fest, dass beim Fallenfang nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Mäuse nicht gleich tot sind, wenn sie von der zuschnappenden Falle nicht optimal erfasst werden. Auch beim Einsatz der Mausvergasung oder des Rodenators könne ein 100-prozentiger mortaler Effekt nicht absolut garantiert werden, «bei korrekter Anwendung sind diesbezügliche Risiken aber stark eingeschränkt». Abschliessend hält das FiBL in der Beurteilung des Mäuseregulierungsgerätes «Rodenator» fest: «In Einbezug aller Aspekte, sowohl der Notwendigkeit den Mausbesatz regulieren zu können, wie auch die Beurteilung der Wirkung und der möglichen Nebenwirkungen, sind im Bioanbau sowohl Fallen wie auch die Verwendung des Mausvergasers und des Rodenators bewilligt.»
«Schuldig der mehrfachen versuchten Tierquälerei…»
Ende Juni erhielt Georg Oeschger das 26-seitige Urteil des Bezirksgerichts Laufenburg. «Schuldig der mehrfachen versuchten Tierquälerei gemäss Tierschutzgesetz.» Er muss eine Busse von 800 Franken sowie Gebühren von 2500 Franken bezahlen und eine bedingte Geldstrafe von 3300 Franken. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung erfolgt auch ein Eintrag im Strafregister. Das Bezirksgericht stützte sich offenbar auf den Fachbericht der Gruppe Umwelt- und Tierdelikte der Kantonspolizei und jenen des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
«Eine Schwachstelle des Rodenators sei, dass bei der ‘Tiertötung mittels Explosion ein verzögerungsfreier Ablauf der Tötung nicht sichergestellt und der Vorgang des Tötens auch nicht überwacht werden kann», wie die «Bauernzeitung» in einem Artikel zu diesem Fall schreibt. «Ich habe jahrelange Erfahrung mit Fallen und anderen Fanggeräten. Der Einsatz des Rodenators ist die effizienteste Methode. Das haben mir auch andere Obstbauern bestätigt», betont Oeschger.
Das Gericht hat zur Beurteilung auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BVL) konsultiert. Dieses beurteilte die Schadnagerbekämpfung mittels Explosiva (beispielsweise Propangas und Sauerstoff, wie im Rodenator verwendet) als «nicht zulässig und potenziell qualvoll». Die Methode führe nicht sicher zum Tod aller betroffenen Tiere. Es könne im Gegenteil zu schweren Verletzungen mit abgeriessenen Gliedmassen bei den Mäusen kommen.
Sein oder Schein…
Auf Anfrage von Georg Oeschger hält Agroscope (Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF) fest: «Es ist uns keine Studie bekannt, die untersucht, ob das Gerät zum schnelleren und sicheren Tod der Tiere führt.» In der Schweiz seien schätzungsweise 100 bis 200 Rodenatoren verkauft worden. Seit ein paar Jahren sei das Gerät nicht mehr im Handel erhältlich. Seit dem Inkrafttreten der Tierschutzverordnung 2018 «scheint die Regelung des Einsatzes vor allem durch die Tierschutzverordnung bestimmt zu sein.» Also «scheint» man auch hier nichts von einem Verbot zu wissen. Stattdessen heisst es: «Bei Anwendungen gegen Schädlinge gelten weniger strenge Vorschriften als für andere Tiere. Sie werden im Einzelfall beurteilt. Dafür ist das BLV zuständig», so Agroscope.
Oeschger wandte sich auch an den Bauernverband Aargau (BVA) und bat diesen um eine Beurteilung. Dieser beschied ihm, wie in der «Bauernzeitung» weiter zu lesen ist, eine grosse Erfahrung und Kompetenz bei der korrekten Anwendung des Geräts und Beurteilung des Wirkungsfeldes. Der BVA hinterfragte die Beurteilung des BLV, wonach der Rodenator abgerissene Extremitäten bei Mäusen verursachen könnte. «Andernfalls hätte das BVL den Rodenator verbieten müssen», zitiert die «Bauernzeitung» Ralf Bucher vom BVA.
Aussergewöhnliche Tötungsmethode?
Das Gericht befand, dass zwar die Bekämpfung von Feldmäusen mittels Explosiva in der Tierschutzgesetzgebung nicht ausdrücklich verboten sei. «Wer aber ein Gasgemisch einsetze, das zur Explosion gebracht wird, entscheide sich für eine aussergewöhnliche Tötungsmethode, die mit erheblichen Risiken verbunden sei. Daher habe sich die Person, die damit hantiere, vorgängig vertieft mit der tierschutzrechtlichen Problematik auseinanderzusetzen», so die Urteilsbegründung des Bezirksgerichts Laufenburg gemäss dem Artikel in der «Bauernzeitung». Das habe der Beschuldigte aber nicht gemacht, beziehungsweise erst nach der Strafanzeige. Er habe in Kauf genommen, dass an der Peripherie des Explosivgemisches Tiere nicht getötet, sondern nur verletzt werden und dann qualvoll sterben. «In diesem Sinne ist die eventualvorsätzliche Tatbegehung zu bejahen», so das Gericht. In Fachkreisen löste das Urteil Unverständnis aus.
«Dies ist aus der Luft gegriffen»
Georg Oeschger hat das Urteil mit Unterstützung des Aargauer Bauernverbandes («auch der Schweizer Bauernverband steht hinter mir») weitergezogen. «Ich bin nicht bereit, die Zeche zu zahlen, wenn der Behördenapparat nicht funktioniert», so Oeschger. Damit meint er konkret, dass weder das BLV noch Agroscope ein Verbot für den Einsatz dieses Gerätes erlassen hätten. Gemäss dem Gansinger wurden unbelegte Behauptungen in den Raum gesetzt, dass den Mäusen Extremitäten abgerissen würden. «Dies ist aus der Luft gegriffen. Weder der Tierschutz noch die Polizei waren bemüht, auf meinem Feld dies zu kontrollieren. Ich habe die toten Mäuse den Greifvögeln bereit gelegt. Es gab nie lebende Mäuse mit Verletzungen. Alle Mutmas-sungen sind absurd und sind keine Beweismittel», so der Obstbauer und Naturschützer gegenüber der NFZ. «Falls jemand einen Fliegenfänger aufhängt, muss er sich in acht nehmen, nicht dass er wegen Tierquälerei angezeigt wird. So weit sind wir heute», sagt Oeschger kopfschüttelnd. «Mich als Tierquäler abzustempeln und meinen guten Ruf zu beschmutzen, ist eine Frechheit.» Zugleich stellt er die Frage in den Raum: «Welcher Landwirt hat heute noch die Zeit tagelang hinter den Mäusen her zu jagen?»