Traubenzucker und Powernap: Der Rest ist Kopfsache

  30.06.2021 Fricktal

24-Stunden-Wanderung auf dem Fricktaler Höhenweg

Die NFZ begleitete die Ortsgruppe Laufenburg des Schwarzwaldvereins auf einem Teil ihrer Wanderung von Rheinfelden, Samstagmorgen, 8 Uhr, bis Mettau, Sonntagmorgen, 8 Uhr.

Boris Burkhardt

Es ist 2.45 Uhr. Der Vollmond hat die ganze Nacht die sanften Jurahügel und ihre ährenvollen Felder in sein silbernes Licht getaucht; nun ist er hinter Schäfchenwolken versteckt, die den Himmel über den Wipfeln des Waldes in ein wunderschönes Schauspiel von Schwarz, Grau und Silber verwandelt haben. Trotzdem sind einzelne Sterne am Himmel zu sehen. Die Jugendlichen haben sich sofort auf den Asphalt niedergelegt, als Wanderführerin Gerdi Oeschger die Pause von einer Viertelstunde verkündet hatte, den Rucksack als Kissen unter dem Kopf. Die erwachsenen Teilnehmer stehen oder sitzen, trinken ein paar Schlucke, verschwinden kurz für private Geschäfte im Mondschatten der Bäume.

Einige wenige Autos fahren vorbei. Man mag sich fragen, was deren Fahrer mitten in der Nacht noch zu tun haben. Viel mehr werden sich aber hier an der Bushaltestelle der Passhöhe Bürersteig, wo der Fricktaler Höhenweg auf die Straßen zwischen Gansingen, Remigen und Hottwil trifft, wohl die wenigen Autofahrer fragen, was die 17 Wanderer mitten in der Nacht umtreibt. Es ist die Wandergruppe der Ortsgruppe Laufenburg des Schwarzwaldvereins, die kurz Pause macht auf ihrer 24-Stunden-Wanderung, die sie auf dem Fricktaler Höhenweg knapp 70 Kilometer vom Samstagmorgen 8 Uhr von Rheinfelden bis Sonntagmorgen 8 Uhr nach Mettau führen wird.

2000 Höhenmetern auf 60 Kilometern
Gerdi Oeschger, Wanderführerin der Laufenburger Ortsgruppe, sammelte vor drei Jahren Erfahrungen an einer 24-Stunden-Wanderung im Allgäu: 3000 Höhenmeter auf 60 Kilometer. Der Fricktaler Höhenweg von Rheinfelden über den Sonnenberg, Zeiningen, Schupfart, Burg Thierstein, Frick, Schinberg, Cheisacher Turm, Bürersteig-Passhöhe und Laubberg bis Mettau schien ihr mit 2000 Höhenmetern auf 60 Kilometern ideal, selbst eine Wanderung zu organisieren, die einen vollen Kalendertag dauern sollte Auf nur eine Anzeige im Lokalblättchen in Badisch-Laufenburg meldeten sich auf Anhieb 16 Teilnehmer.

Wetterglück
Zur Zeit der kurzen Pause am Bürersteig sind die Wanderer, acht Frauen und zwei Männer zwischen 40 und 70 Jahren, dazu die sechs jungen Männer mit 16 und 17 Jahren, also bereits 19 Stunden unterwegs. Der Tag war warm und schwül, erst gegen Mitternacht fielen die Temperaturen auf angenehme 18 Grad. Grössere Pausen hatte es bei Schupfart gegeben, in Frick und vor allem auf der A mpfer n höhe z w ischen Mönthal und Sulz, wo Mitglieder des Schwarzwaldvereins die Wanderer mit einem Imbiss und Getränken versorgten. Den Sonnenuntergang erlebten die Wanderer auf dem Schinberg; gegen 22 Uhr mussten sie im Wald erstmals die Stirnlampen anknipsen. Grosses Glück hatten die Wanderer mit dem Wetter: Die Nacht von Samstag auf Sonntag war in den vergangenen Wochen fast die einzige ohne Gewitter und Starkregen.

Eine coole Herausforderung
Die Jugendlichen Reto, Moritz, Frederik, Julius, Fynn und Leonhard halten sich mit Traubenzucker, Kaffee und Cola wach. Die Erwachsenen bewundern zudem ihre Fähigkeit zum Powernap, dem Viertelstunden-Sofort-Schlaf, zu dem sie wie auf der Bürersteig-Passhöhe jede Gelegenheit nutzen. Sie sind auf Initiative Retos hier, wie sie später erzählen. Er hatte Oeschgers Anzeige gelesen und fand die 24-Stunden-Wanderung «eine coole Herausforderung». Um den 70-Kilometer-Marsch zu bewältigen, haben sie in den vergangenen Wochen mit Tagestouren bis zu 50 Kilometern geübt. Die Erwachsenen wie Sonja (58) und Gebhard (67) betonen die ganze Nacht hindurch, dass sie nicht müde seien. Wenn die Beine fit sind, sind 24-Stunden-Wanderungen reine Kopfsache.

Vom Bürersteig führt Oeschger die Gruppe auf einem Abstecher durch den Wald zur Passhöhe des Rotbergs zwischen Mandach und Villigen. Hier warten um 4 Uhr die Or tsg r uppenvorsitzende Ines Zeller und weitere Helfer mit dem Zmorge auf die Gruppe. Zmorge in der Tat: Während der anderthalb Stunden Pause malt die Sonne den Himmel im Osten in den herrlichsten Rot- und Gelbtönen. Im Südosten zeichnen sich in der Ferne die Alpenkämme in ungewöhnlicher Schroff heit ab. Die restlichen zweieinhalb Stunden werden ohne grössere Pause gewandert: Die Sonne steigt nun rasch; und schon um sechs Uhr wird es wieder zu warm für Jacken und Pullis. Patrick (39) ist der schwere Gang nicht erst auf den letzten Asphaltkilometern um den Laubberg herum nach Mettau hinunter anzumerken. Er spüre seine Knie vor allem bergab, sagt er. Vor dieser Wanderung sei er längstens 30 Kilometer am Stück gelaufen. Aber alle bis auf einen der Jugendlichen, der ebenfalls wegen seiner Knie die Wanderung auf dem Rotberg beendete, haben es alle geschafft: Das Café Nova in Mettau hat extra für die Wanderer an diesem Sonntag früher geöffnet. Gerdi Oeschger spricht allen Teilnehmern ein grosses Lob aus. Martina (57) verspürt noch immer keine Müdigkeit: «Ich bin begeistert. Es war anstrengend, aber ein einmaliges Erlebnis.»


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