Eine Kindergärtnerin mit Herz bricht auf zu neuen Ufern
18.05.2021 Rheinfelden, SchuleEeva Szeszak probiert Neues aus
Sie hat mit ihrer herzlichen und unkonventionellen Art Generationen von Kindern geprägt: Nach 38 Jahren als Kindergärtnerin im Rheinfelder Augarten hört Eeva Szeszak im Sommer auf. Sie will einen Neuanfang wagen.
Valentin Zumsteg
Es ist ein Abschied mit Ankündigung: Schon vor einem Jahr hat Eeva Szeszak ihr Pensum auf 45 Prozent reduziert. Im Sommer hört die 59-Jährige nun ganz auf. Damit geht eine Ära zu Ende. 1983, also vor 38 Jahren, hat sie im Augarten ihre erste «und letzte Stelle» als Kindergärtnerin angetreten. Sie ist dem Augarten und seinen Menschen über all diese Zeit treu geblieben. In diesen fast vier Jahrzehnten hat sie Hunderte von Kindern mit ihrer herzlichen, fantasieanregenden und unkonventionellen Art geprägt. Heute besuchen bereits Kinder von ehemaligen Kindergärtlern «ihren» Kindergarten.
Die Fantasie anregen
«Die Kinder sind noch in der magischen Phase, wenn sie zu uns kommen. Für sie lebt alles. Es ist wichtig, dass wir viel singen, tanzen, Theater spielen und sprechen», sagt Eeva Szeszak. Ein besonderes Gewicht legt sie auf die Raumgestaltung. «Das ist das A und O.» Unvergessen sind die Fantasie-Reisen, die sie jedes Jahr im Kindergarten organisiert. Als die imaginäre Reise nach Madagaskar ging, war der ganze Kindergarten mit tropischen Pflanzen dekoriert. Der Raum hatte sich in einen veritablen Dschungel mit Vogelgezwitscher verwandelt, der für die Kinder erlebbar wurde. Die aktuelle Reise geht in die andere Richtung, nach Island. Zuhause näht sie derzeit gerade die Mützen für die Trolle, die alle ein Gemüse darstellen werden.
Eeva Szeszak, die finnische und ungarische Wurzeln hat, fühlt sich wohl im Augarten mit seiner multikulturellen Bewohnerschaft. «Der Ausländeranteil im Kindergarten liegt derzeit bei 100 Prozent», schmunzelt sie. Die Sprache ist der Theaterenthusiastin wichtig. Zum täglichen Ritual gehört ein Türspruch, den die Kinder beim Eintreten aufsagen. Sie selber spricht bei Bedarf ein lupenreines Bühnendeutsch, mit dem sie so manche Situation auflockert.
Der Anfang war nicht einfach
Eeva Szeszak erinnert sich noch lebhaft an die Anfangszeit als Kindergärtnerin im Augarten; die damals 22-Jährige kam direkt vom Seminar. «Zu Beginn fand ich die Arbeit sehr anstrengend, ich fühlte mich auch etwas hilflos und allein gelassen.» Doch schon bald gewann sie an Sicherheit, die Kinder liebten sie sowieso von Anfang an. «Bei den Erwachsenen gab es aber Diskussionen darüber, wie sich eine Kindergärtnerin anzuziehen hat. Ich fiel mit meinen rosaroten Militärhosen und der indischen Fransen-Bluse ziemlich auf», erzählt sie mit einem Lachen. Doch diese Diskussionen flachten im Laufe der Jahre ab, denn die Behörden wussten, was für eine engagierte Vollblut-Kindergärtnerin Eeva Szeszak ist.
Wenn sie zurückblickt, stellt sie einige Veränderungen fest: «Die Kinder wissen heute mehr, wenn sie in den Kindergarten kommen. Doch die Fingerfertigkeiten haben abgenommen.» Nicht verändert habe sich, dass die Kinder sehr loyal und begeisterungsfähig seien.
«Ein freieres Herz»
Jetzt hört Eeva Szeszak, Mutter von zwei erwachsenen Kindern, Ende Juni auf, ein paar Jahre vor der ordentlichen Pensionierung. «Es liegt nicht an den Kindern. Die Arbeit mit ihnen und auch den Eltern macht mir immer noch grosse Freude.» Die Bürokratie habe in den vergangenen Jahren zugenommen, damit hat sie mehr Mühe. Deshalb hat sie sich dazu entschieden, nochmals ein neues Kapital aufzuschlagen. Sie will zwar bei Bedarf weiterhin als Vertretung an Kindergärten arbeiten, ihre Zukunft sieht sie aber mehr in der therapeutischen Theaterarbeit. Daneben gibt Szeszak, die Mitgründerin der Rheinfelder Theaterwerkstatt ist, weiterhin verschiedene Theaterkurse für die Musikschule Unteres Fricktal. Auch wenn sie etwas Wehmut verspürt, dem Augarten Adieu zu sagen, freut sie sich auf den neuen Abschnitt: «Ich habe vielleicht künftig weniger Geld, aber ein freieres Herz.»