21,5 Millionen für Land im Sisslerfeld

  20.05.2021 Aargau, Fricktal

Kanton präsentiert Pläne zur aktiven Bodenpolitik

Die Verhandlungen mit den Grundeigentümern, der Energiedienst Holding AG, der Bernhard Schwarb AG und der Anton Giess AG, sind abgeschlossen. Vorbehalten der Zustimmung durch den Grossen Rat werden Kaufrechtsverträge abgeschlossen.

Simone Rufli

Rund 200 Hektaren Arbeitszone liegen im Sisslerfeld, 80 davon sind noch unbebaut. Knapp 7 Hektaren auf dem Gemeindegebiet von Sisseln und Münchwilen will der Kanton nun zum Preis von 21,5 Millionen von drei Grundeigentümern erwerben, möglichst schnell zur Markt- und Baureife führen und dann wieder verkaufen. Und zwar an wertschöpfungs- und gewinnstarke Unternehmen, die zu den aktuell 5000 Arbeitsplätzen bis zu 10 000 neue Arbeitsplätze schaffen sollen. Die Firmenansiedlung soll auch zu mehr Steuereinnahmen führen in erster Linie aber der Region einen Mehrwert bringen. «Den Kanton langfristig im Boot zu haben, ist eine gute Sache und schafft für Firmen und Investoren eine Unmenge an Vertrauen», meinte der Sissler Gemeindeammann Rainer Schaub im Beisein der Regierungsräte Markus Dieth und Dieter Egli, als diese am Dienstag in Aarau die Hintergründe für den strategischen Landerwerb erläuterten. Das Engagement des Kantons wird für die zukünftige Entwicklung des gesamten Fricktals von Bedeutung sein.

Aufgrund des Pilot-Charakters der Vorlage hat der Regierungsrat eine Anhörung eröffnet. Sie dauert bis zum 13. August. Die Freigabe der Botschaft soll im 4. Quartal erfolgen, die Behandlung im Grossen Rat Ende Jahr oder im ersten Quartal 2022.


Im Sisslerfeld geht es um weit mehr

Der Kanton probt neue Wege in der Bodenpolitik

Mit dem Erwerb von 67500 Quadratmetern Land im Sisslerfeld will der Kanton den Wohn- und Wirtschaftsstandort fördern, neue Firmen im Life Science-Bereich anziehen, neue Arbeitsplätze schaffen, die Entwicklung von bereits ansässigen Unternehmen unterstützen und nicht zuletzt mehr Steuereinnahmen generieren.

Simone Rufli

«Dem Kanton ist es gelungen, aus Betroffenen Beteiligte zu machen», wand der Sissler Gemeindeammann Rainer Schaub am Dienstag im Buchenhof in Aarau dem Regierungsrat einen gehörigen Kranz, als er über die Hintergründe zum geplanten, strategischen Landerwerb im Sisslerfeld informierte (die NFZ berichtete). Anstatt Gräben aufzutun, habe die Regierung die vier Sisslerfeld-Gemeinden Eiken, Münchwilen, Sisseln und Stein sowie den Planungsverband Fricktal Regio (Repla) hinter ihren Plänen vereint, «mit einer Professionalität, wie ich sie in den bald 20 Jahren, die ich die Entwicklung im Sisslerfeld nun schon begleite, noch nie erlebt habe», so Schaub. Für die Gemeinde Sisseln – sie ist mit Münchwilen direkt betroffen, weil sich die betroffenen Parzellen auf ihrem Gemeindegebiet befinden – komme der Landerwerb überraschend, sei aber begrüssenswert. Wäre man auf bisherige Anfragen von wertschöpfungsschwächeren Unternehmen mit geringeren Anforderungen an den Erschliessungsstand und das Umfeld eingegangen, hätte das zu schwer korrigierbaren Fehlentwicklungen geführt.

Auf einer Fläche von 67500 Quadratmetern will der Kanton Land im Wert von 21,5 Millionen Franken erwerben. Für die Arealentwicklung und die Erschliessung in einer späteren Phase rechnet er mit zusätzlichen Kosten von 7 Millionen. Das Verlustrisiko beim Wiederverkauf dürfte sehr gering sein, da der Boden mit der Gebietsentwicklung sicher nicht an Wert verliert. «Die Verhandlungen mit den Grundeigen-

tümern, der Energiedienst Holding AG, der Bernhard Schwarb AG und der Anton Giess AG sind abgeschlossen», betonte Finanzdirektor Markus Dieth. Jetzt würden die rechtlich bindenden Vereinbarungen verbrieft mit Kaufrechtsverträgen, «selbstverständlich unter Vorbehalt der Zustimmung durch den Grossen Rat».

Das Ziel ist der Wiederverkauf
Ziel sei nicht der Landerwerb an sich, sondern der Wiederverkauf. Qualifizierte Arbeitsplätze – gerne mit Bezug zu den bereits ansässigen international tätigen Unternehmen – sollen gesichert und die Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort gestärkt werden. Langfristig soll sich das Gebiet zu einem Life-Science-Cluster Nordwestschweiz formen und in baulicher Hinsicht energetisch und klimamässig den neusten Anforderungen genügen. Die kräftige Unterstützung des Kantons dürfte sich dabei über das Sisslerfeld hinaus auf die zukünftige Entwicklung des ganzen Fricktals auswirken.

Daniel Kolb, Leiter Abteilung Raumentwicklung meinte, es sei nicht komplett ausgeschlossen, dass der Kanton dereinst weitere Grundstücke erwerben könnte. «Je nach den Signalen, die aus der politischen Diskussion hervorgehen.» Finanzrechtlich handelt es sich um Landkauf im Finanzvermögen – im Sisslerfeld wird keine Parzelle zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gekauft – wobei liquide Mittel in eine Sachanlage umgewandelt werden. «Mit dieser Verschiebung innerhalb des Finanzvermögens kommt es auch nicht zu einer Höherverschuldung des Kantons», so Markus Dieth.

Staatliche Bodenpolitik ja oder nein
«Wir sind überzeugt, dass das Parlament mit dem kantonalen Richtplan einen Auftrag erhalten hat, das Gebiet zu entwickeln», zeigte sich Regierungsrat Dieth zuversichtlich im Hinblick auf die Abstimmung im Grossen Rat. An sich könnte der Regierungsrat in eigener Kompetenz über den Kauf in der Höhe von 21,5 Millionen Franken entscheiden. Dass der Regierungsrat die Zustimmung des Parlaments erbittet, ist den besonderen Umständen geschuldet und hängt damit zusammen, dass es sich bei diesem strategischen Landerwerb um eine Premiere handelt. Noch gibt es nämlich keinen Präzedenzfall im Kanton Aargau. «Wir sind zum Schluss gekommen, dass der Einbezug des Grossen Rates in diesem speziellen Fall erwünscht ist», so Regierungsrat Dieth. Denn wie Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli bestätigte, geht es um weit mehr als um das Sisslerfeld. Es geht um die Frage, ob die Aargauer Regierung eine aktive Bodenpolitik betreiben soll oder nicht. Für den Volkswirtschaftsdirektor kämen noch andere Gebiete im Kanton in Frage, sollte sich beim Sisslerfeld zeigen, dass das Kantonsparlament ebenso hinter der Wirtschaft steht, wie die Regierung.

Kommen, kaufen, bauen
Auf den Kaufpreis von 317 Franken pro Quadratmeter habe man sich nach erfolgten Marktwertschätzungen geeinigt, so Urs Heimgartner, Abteilungsleiter von Immobilien Aargau. Zum späteren Verkaufspreis machte er keine Angaben. «Das wäre Kaffeesatzlesen.» Auch wenn der Finanzdirektor immer gerne Geld verdiene, «muss der Preis marktkonform sein und darf den Markt nicht beeinf lussen», so Regierungsrat Dieth. Und der Volkswirtschaftsdirektor hielt fest: «Der Quadratmeter-Preis ist nicht der allein entscheidende Faktor. Für die Unternehmen wichtig ist die schnelle Verfügbarkeit von baureifen Parzellen.» Oder mit den Worten des Finanzdirektors: «Kommen, kaufen, bauen innerhalb von zwei bis drei Jahren – das ist es, was die Firmen erwarten.» 


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