Von Glatteis und Widerständen

  07.01.2020 Fricktal

Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Schweizer Salinen AG

Er ist der Kopf des Unternehmens, das auf den Plan tritt, wenn im Land Glatteis droht: Urs Hofmeier, 57, Geschäftsführer der Schweizer Salinen AG. Die NFZ hat sich mit ihm unterhalten; über Salz und den bitteren Geschmack von Polemik.

Ronny Wittenwiler

Die NFZ trifft ihn zwischen Weihnachten und Neujahr, an seinem Wohnort im Bezirk Dorneck, Solothurn. Weit und breit kein Schnee. Der werde noch kommen, sollte er während des Gesprächs meinen; nur so ein Gefühl. Beim Salz hingegen, da weiss er genau, wovon er spricht.

Diverse Fragen
Der studierte Chemiker Urs Hofmeier ist Geschäftsführer der Schweizer Salinen AG, damit auch verantwortlich für die Saline Riburg auf Rheinfelder Boden; in gefühlter Nähe zu Möhlin. Hier also, wo alles ein bisschen ruhiger zu und her geht als derzeit im wilden Baselbiet. In Muttenz wehren sich Exponenten gegen einen geplanten Salzabbau auf dem Gebiet der Rütihard. Hofmeier, der Kopf des Unternehmens, das auf den Plan tritt, wenn im Land Glatteis droht – er ist auch in dieser Angelegenheit der Gefragte. Im Lokalfernsehen, in den Basler und Baselbieter Zeitungen nahm er bereits mehrfach Stellung. Die NFZ hat ihn auch gefragt: weshalb es im Fricktal, wo ebenfalls Abbaupläne existieren, so ruhig ist, ob die Salinen heimischen Boden ausbeuteten und was ihn am Widerstand im Baselbiet besonders ärgert. Daraus entstanden ist ein Gespräch über vieles: Besitzanspruch und Monopolisierung, soziale Medien, Klimawandel und – natürlich Salz.

Von Letzterem befinden sich derzeit rund 230 000 Tonnen in der Saline Riburg, weitere 170 000 Tonnen lagern draussen bei den Kunden. «Mit 400 000 Tonnen Salz sind wir parat für diesen Winter», sagt Hofmeier, Chef von schweizweit zweihundert Angestellten und Familienvater von vier Kindern.

Herausforderungen, auf und neben dem Glatteis
Im Mai werden es acht Jahre sein, seit er die Nachfolge von Jürg Lieberherr als Geschäftsführer angetreten hat. Dabei sah er sich nie als Verwalter. Im Gegenteil. «Es ist nicht so, dass man ein Unternehmen verändert, weil man es lustig findet, sondern weil sich die Welt verändert und das Unternehmen darauf reagieren muss, um erfolgreich zu sein.»

Eine Veränderung, sagt Hofmeier, bedeute auch die Digitalisierung. «Die eigenen Leute mitnehmen und ihnen zeigen, wie sie dieser Veränderung zu begegnen haben – das wird nun eine der grössten Herausforderungen für die gesamte Unternehmung.» Hofmeier, so macht es den Eindruck, scheut sie nicht, diese Herausforderung.

Ganz am Ende des Gesprächs stellte sich dann noch eine letzte Frage: Trotz aller Herausforderungen, wo hat es den Geschäftsführer der Schweizer Salinen das letzte Mal auf dem Glatteis erwischt? «Das war auf dem Platz vor unserem Haus. Der private Winterdienst hatte versagt.»


«Unschön ist, wenn immer die gleichen falschen Aussagen kursieren»

Urs Hofmeier, Geschäftsführer der Schweizer Salinen AG

Im Interview mit der NFZ spricht Urs Hofmeier über den Widerstand im Baselbiet, die Ruhe im Fricktal und wo er, seiner Ansicht nach, viel Lärm um nichts ausmacht.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Urs Hofmeier, mögen Sie es lieber süss oder salzig?
Urs Hofmeier:
An und für sich sehr gerne süss. Seit ich mit Salz und seinen vielfältigen Möglichkeiten zu tun habe, durchaus auch salzig.

Was bedeutet Salz für Sie?
Salz ist ein hochfaszinierendes Produkt von enormer wirtschaftlicher und kulturhistorischer Bedeutung. Von Kies und ähnlichen Materialien einmal abgesehen, ist es der einzige Rohstoff, den wir in der Schweiz zur Selbstversorgung in grösseren Mengen abbauen.

Kann man Besitzansprüche für etwas geltend machen, das uns die Natur gegeben hat?
Salz gehört in der Schweiz der Öffentlichkeit. Es gibt keine privaten, sondern vielmehr hoheitliche Besitzansprüche: Sie liegen bei den Kantonen.

In Muttenz regt sich Widerstand gegen den geplanten Salzabbau im Gebiet Rütihard. Beuten die Schweizer Salinen heimischen Boden aus?
Wir bauen über hundert Meter unter der Erde Salz ab. Die verantwortungsvolle Nutzung eines heimischen Rohstoffes ist nachhaltiger als der Import. Natur, Mensch, Landwirtschaft und Salzgewinnung stehen sich nicht im Weg. Sie haben in vielen Fällen sogar etwas voneinander.

Schaden angerichtet wird nicht?
Ein Schaden soll durch den Salzabbau niemandem entstehen. Wir sind uns unserer grossen ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst. Die unterirdischen Abbauf lächen sind sehr weitläufig, die Auswirkungen der Bohrfelder an der Oberf läche räumlich und zeitlich sehr begrenzt. Selbst ein riesiges Pfadi-Lager, wie es letztmals 1983 auf der Rütihard stattfand, könnte man künftig durchführen, ohne zu merken, dass Salz abgebaut wird. Sie könnten nun natürlich die Senkung im Jahr 1986 zwischen Rheinfelden und Möhlin erwähnen.

Richtig.
Die genauen Hintergründe konnten nie ganz geklärt werden. Es hatte sicher mit dem Salzvorkommen und auch mit dessen Abbau zu tun. Damals war das Verfahren aber ein ganz anderes als heute. Vermutlich entstand unbemerkt eine zu grosse Salzkaverne, die einsank. Der Vorfall war eine Zäsur. Wir änderten das Verfahren so, dass wir heute europaweit führend sind bei der Sicherheit. Die Kavernen werden heute auch viel stärker überwacht.

Auch im Fricktal sollen neue Bohrfelder erschlossen werden. Hier ist es im Moment ruhig. Sind Fricktaler friedliebender als Baselbieter?
Im Fricktal ist die Situation mit den vielen verschiedenen Landbesitzern eigentlich komplexer. Deshalb haben wir früh das Gespräch mit allen Parteien gesucht. In Muttenz ist die Bürgergemeinde die einzige Landbesitzerin. Seit fünfzig Jahren bauen wir dort Salz ab. Wohl nahmen wir die Muttenzer Öffentlichkeit anfangs zu wenig mit: Wir dachten, das sei längst bekannt, mussten aber feststellen, dass dem nicht so war. Und obschon die Salinen vor Jahren darüber informierten, dass die Rütihard in den Planungen als Abbaugebiet vorkommt, wurde mitunter eine Geschichte konstruiert, als hätten wir heimlich agiert.

Ärgert Sie das?
Es zeigt mir, dass wir uns das Vertrauen der Menschen immer erarbeiten müssen. Wir unternehmen darum viel, um den Dialog mit unseren Nachbarn an allen Standorten zu suchen. Wir nehmen ihre Sorgen und Wünsche ernst und passen uns an. Unschön ist, wenn immer die gleichen falschen Aussagen kursieren. Das stiftet viel Unsicherheit und gestaltet einen zielführenden Dialog manchmal schwierig.

Oft entsteht auch über soziale Medien eine Eigendynamik.
Die hohe Geschwindigkeit und die oftmals emotional aufgeladenen Beiträge verstärken das vermutlich. Fundierte Hintergründe und grössere Zusammenhänge fallen da mitunter unter den Tisch. Ich glaube, das nimmt auch in der Schweiz zu, darum müssen wir uns dem stellen und damit umgehen lernen, denn: Viele Menschen sind nicht grundsätzlich gegen etwas – es soll bloss nicht vor ihrer Haustüre geschehen.

Gehen Sie einig, dass die Gesellschaft heute Grosskonzerne kritischer beobachtet?
Die Transparenz hat stark zugenommen, was ja auch begrüssenswert ist. Die Öffentlichkeit ist auch mit Recht kritisch; weil es durchaus schlechte Beispiele gab und gibt. Genau hinzuschauen bedeutet aber auch, verantwortungsvoll mit Fakten und Aussagen über Dritte umzugehen.

Zum Beispiel?
In Muttenz machte der Kanton eine Untersuchung zu Bodensenkungen, mit denen es seit Jahren Probleme gibt. Es stellte sich heraus, dass die Senkungen nichts mit dem Salzabbau der Salinen zu tun haben. Kurz darauf schrieb ein Politiker in seinem Tweet: In Muttenz senkt sich der Boden – wir wollen nicht wissen, was erst passiert, wenn die Salinen Salz abbauen. Damit wird eine Angstkulisse aufgebaut, obschon das eine nichts mit dem anderen zu tun hat.

Sie sagen, viele Menschen seien nicht grundsätzlich gegen etwas – es soll bloss nicht vor ihrer Haustüre sein.
Darum tragen wir als Salinen eine grosse Verantwortung, dies so verträglich wie möglich zu machen. Wenn wir einen Bodenschatz haben und ihn hier verbrauchen, sollten wir ihn auch hier abbauen. Lokal produzieren, lokal verbrauchen. Das ist von all den Anliegen zur Nachhaltigkeit eine der ganz grossen Forderungen. Dem kommen wir nach, dabei entwickeln wir uns ständig weiter: zum Beispiel mit der Umstellung auf 100 Prozent Strom aus Schweizer Wasserkraft.

Die Salinen haben das Monopol und können machen, was sie wollen – hört man immer wieder.
So ist es aber nicht. Die Kantone besitzen das Monopol auf Salz, wir als Salinen verwalten es im Auftrag der Kantone. Da sind wir wieder am Ausgangspunkt: Salz ist öffentliches Gut, das durch die Saline verwaltet wird – zugunsten und im Auftrag der ganzen Schweiz. Neben den Kantonen schaut auch der Preisüberwacher, ob unsere Preise korrekt sind, die Wettbewerbskommission prüft, ob wir die Bedingungen erfüllen – es sind viele Institutionen, die hinschauen.

Mit einem strengen Winter lässt sich viel Geld verdienen. Was für einen Winter wünschen Sie sich?
Wir haben nicht den Auftrag, möglichst viel Geld zu verdienen und hohe Dividenden an die Kantone auszuschütten. Unser Auftrag lautet, die Schweiz sicher, verlässlich und solidarisch mit Salz zu versorgen, möglichst ökonomisch. Ein Extremwinter wirkt dabei belastend: Einerseits für die Kantone mit ihren Winterdiensten, andererseits für die Salinen punkto Manpower und Maschinen. Ich wünsche mir einen durchschnittlichen Winter.

Der durchschnittliche Winter ist vielleicht bald Geschichte.
Mit Verlängerung der Konzession bis ungefähr ins Jahr 2075 stellt sich für uns die Frage, wie sich das Klima verändern wird. Eine in Auftrag gegebene Studie besagt, dass die Erwärmung ab 2050 eine Reduktion beim Salzverbrauch zur Folge hat. Man geht aber auch von Wetterextremen aus – auf eine Serie milde Winter folgt ein intensiver. Die Kantone erachten deshalb das System der Versorgungssicherheit mit den Salinen weiterhin als wichtig. Nehmen wir England als Beispiel: Drei, vier milde Winter; die öffentliche Hand und die Privaten, alle fuhren die Lagerbestände runter, dann kam ein strenger Winter – und drei Wochen lang ging nichts mehr. Milliardenschäden für die Volkswirtschaft.

Und der Blick in die Zukunft beim Stichwort Digitalisierung: Benötigen die Salinen bald weniger Angestellte?
Es wird mit der Digitalisierung andere Ausbildungen brauchen. Für gewisse Arbeiten wird weniger Personal benötigt, für gewisse Arbeiten mehr. Darum müssen wir uns auch im Wettbewerb um die besten Kräfte gut positionieren.

Und unterm Strich weniger Angestellte?
Ja, aber nicht von heute auf morgen. In den nächsten zehn Jahren erreichen ausserdem 75 von unseren 200 Angestellten das Pensionsalter. Die Salinen leben eine starke Sozialverantwortung, darum bin ich zuversichtlich, dass wir alle Mitarbeitenden auf diesem Weg mitnehmen können. Manuelle Arbeitsplätze, gerade mit einer einfachen Ausbildung, wird es aber immer brauchen. Wenn mal zwanzig Tonnen Salz neben dem Förderband durchlaufen, dann muss jemand diese zwanzig Tonnen Salz wegschaufeln. Oder einen Bahnwagen von A nach B rangieren – das ist immer ein Mensch, den es braucht. Trotz ganz vieler Automationen.

Eine letzte Prognose: Wird es im Fricktal diesen Winter einmal schneien?
Das kommt sicher noch. Ich mag Schnee – und es ist gut, wenn es einmal richtig schneit im Unterland, damit die Gemeinden ihre Salzsilos leeren können.

Wann ist es soweit?
Ende Januar – ohne Garantie (lacht).


«Reden wir darüber!»

Neben der Digitalisierung bezeichnet Hofmeier die Nachhaltigkeit als zweite grosse unternehmerische Herausforderung. Dabei würden die Schweizer Salinen nicht erst seit den Freitagsdemonstrationen nachhaltig handeln und zum Beispiel Ressourcen einsparen. «Jede verschwendete Ressource ist auch verschwendetes Geld. Gute Unternehmer verschwenden kein Geld und gehen grundsätzlich verantwortungsvoll mit allen Ressourcen um. Das Problem ist, dass wir zu wenig darüber reden: Unternehmen sollten mehr aufzeigen, was sie punkto Nachhaltigkeit bereits alles erreicht haben. Und dann stellt man fest: Ja, es wurde viel erreicht und wird viel investiert.»

Man nehme die mobilen Silos für Streusalz, sagt Hofmeier. «Das ist nichts anderes als ein rezyklierbares Retourgebinde. Letzten Winter sparten wir so allein eine halbe Million Plastiksäcke, in denen Salz in die Gemeinden ausgeliefert worden wäre. Wir sparten eine Plastikfolie in der Länge von hier bis Florenz. Über solche konkreten Sachen reden wir noch zu wenig.» (rw)


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