Juli, Monat der Extreme
26.07.2022 FricktalVor genau einem Jahr stand dem Fricktal das Wasser noch bis zum Hals
Ein Blick ins Archiv zeigt: Gewisse Geschichten wiederholen sich. Doch dafür graben im Archiv, muss man immer weniger tief.
Ronny Wittenwiler
Der Möhliner Landwirt Rudolf Urich wünscht sich vor allem eines: Regen, und das nicht zu knapp; eine Woche lang, «das wäre gut». Für Gemüsekulturen ist die anhaltende Hitze Gift. «Bei Temperaturen über dreissig Grad kann das Gemüse nicht mehr richtig wachsen. Dieser Hitzestress macht sich im Ernteertrag bemerkbar», sagt Urich. Die Rede ist vom Mais, von Zuckerrüben, und die Bohnen, sagt Urich, würden derzeit wunderschöne Blüten treiben. «Das ist ein Indiz für den Hitzestress. Sie kämpfen quasi ums Überleben, indem sie ihre eigene Vermehrung vorantreiben.»
Rudolf Urich würde heute wohl wieder genau dasselbe sagen. Ja, diese Worte stammen aus der NFZ vom 31. Juli 2018, und nur ein Jahr später, Juli 2019, schwappt bereits eine nächste Hitzewelle übers Land.
Der Juli – extrem heiss und trocken?
«Wir harren der Dinge, die da kommen», sagt ein angespannter Rheinfelder Feuerwehrkommandant Marc Leber im Juli 2021, und seine Mannen und Frauen bauen gerade eine Hochwassersperre vor die Tore der Altstadt. «Das halbe Fricktal schaut in diesen Stunden auf den Rheinpegel», hält die NFZ an diesem Freitag fest, man kommt mit dem Schrecken und einem blauen Auge davon. «Aufatmen und abbauen», schreibt die NFZ in der neuen Woche am Dienstag, 20. Juli, 2021. Irgendwo bei 3510 Kubikmeter pro Sekunde liegt die Abflussmenge des Rheins in Rheinfelden. Und dann das: Auf den Tag genau (!) ein Jahr später, vergangenen Mittwoch, 20. Juli, liegt die Abflussmenge gerade noch bei 500 Kubikmeter pro Sekunde. Derselbe Monat, wieder eine prekäre Situation, anderes Extrem. «Das ist ein Pegelstand, wie er normalerweise im Januar vorkommt», sagt Rolf Bürgi, Präsident des Fischereivereins Bezirk Rheinfelden – doch weil anders als in den kalten Monaten das wenige Wasser jetzt regelrecht auf heizt, wird es für Fische lebensbedrohlich. Am vergangenen Freitag übersteigt der Rhein bei Rheinfelden die kritische 25 Grad-Marke. «Die aktuelle Situation bereitet uns Sorgen. Gerade dort, wo kaum Fliessgeschwindigkeit herrscht, und damit auch Sauerstoff knappheit, entscheidet dieser Tage jedes einzelne Grad über Leben und Tod.» Diese Aussage von Rolf Bürgi, bissige Ironie, sie stammt vom 31. Juli 2018.
Auch er, genau wie der Landwirt Rudolf Urich, würde heute wieder genau dasselbe sagen – und man merkt, wie sich in zunehmend kürzeren Abständen gewisse Geschichten wiederholen. «Wir harren der Dinge, die da kommen», sagte der Rheinfelder Feuerwehrkommandant praktisch auf den Tag genau vor einem Jahr und wünschte sich, dass die Niederschläge endlich ein Ende nehmen würden. Wieder harrt man jetzt im Fricktal der Dinge – und wünscht sich Regen. Juli, Monat der Extreme.