Windmühlen gibt es im Fricktal nicht

  19.01.2022 Fricktal

In einer Serie stellt die NFZ die Herkunft und Bedeutung der Gemeindewappen des Fricktals vor. In der siebten und letzten Folge geht es um Wappen, die Bezug nehmen auf ortstypische Gegebenheiten.

Boris Burkhardt

Es ist natürlich der Sinn von Wappen, dass sie einzigartig sind: Keine Kombination von Wappenfiguren in derselben Tingierung sollte zweimal vorkommen. Daneben gibt es aber auch einzelne Motive in Gemeindewappen, die einzigartig sind, nicht, weil sie einfach nur selten wären wie die Morcheln aus Hellikon oder die Hindin aus Gipf-Oberfrick; sondern, weil sie etwas darstellen, das es so nur in der entsprechenden Gemeinde gibt. Ein Paradebeispiel dafür ist im Fricktal das Wappen von Kaiseraugst: in Rot ein schwarz gefugter, silberner römischer Wachturm, silbern bedacht.

Der römische Wachturm ist bereits Bestandteil des Siegels von 1811. Dieses Wappenbild blieb bis heute erhalten, wenn sich die Form des Turms auch mehrfach änderte (mal schlanker und höher, mal ohne Dach) und erst 1960 endgültig festgelegt wurde. Türme kommen in Wappen natürlich in den unterschiedlichsten Formen und Anordnungen vor: gemauert, aus Holz, mit einer oder mehreren Türen, mit Zinnen oder einem Dach bedeckt, sogar als Ruine. Heraldisch zu unterscheiden von der allgemeinen Wappenfigur Turm sind der Kirchturm und der Glockenturm.

Kaiseraugst ist im Fricktal die einzige Gemeinde, die ein einzelnes, singuläres Gebäude im Wappen trägt, wobei der römische Turm so auch nicht in der Realität existiert, sondern das römische Erbe im Ort an sich symbolisiert. Ein real existierendes Gebäude stellen in der Region mit dem Geburtshaus Johann Peter Hebels hingegen das Wappen der Gemeinde Hausen im Wiesental dar sowie das Wappen der Gemeinde Habsburg mit der Habsburg. Auch das Wappen der ehemaligen Gemeinde Etzgen (Mettauertal) hat mit einem goldenen Fährschiff auf silbernen Wellen in Blau einen einzigartigen Bezug zum Ort: Das Schiff soll die Fähre nach Hauenstein symbolisieren, deren Betrieb seit 1448 nachgewiesen ist.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, aus der Kombination der Wappenbestandteile einen Ort in einzigartiger Weise zu definieren: Im Sissler Wappen, in Grün ein silberner Schräglinksfluss mit Einmündung vom linken Schildfuss her, im rechten Obereck ein schräggestelltes dreizackiges silbernes Fischspeereisen, steht der der Bach etwa für die Sisseln, die in den Rhein mündet. Die Ortsbürgerversammlung von Sisseln entschied sich 1949 für das Wappen. Zuvor hatte es in der Gemeinde keine Wappen oder Siegel gegeben.

Der ursprüngliche Vorschlag eines Sissler Bürgers hatte einen silbernen Schrägf luss mit Fischspeereisen und Fisch vorgesehen. Die ehrenamtliche Wappenkommission der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau von 1945 bis 1966 fügte aber die Sisseln hinzu und verzichtete auf den Fisch, den schon viele anderen Wappen beinhalteten. Der grüne Grund soll darüber hinaus die fruchtbare Sissleraue symbolisieren. Mit einem Weidling auf einer Flussmündung (die Aare in den Rhein) wählte auch Koblenz ein ähnliches Motiv, wenn aufgrund der Tingierung auch kein heraldisch glückliches.

Mumpf entschied sich 1953 für das heutige Wappen: in Grün ein silberner Schrägfluss, begleitet von goldener Speerspitze und goldenem Ruder, beide schräggestellt. Fluss und Ruder sollen die Verbundenheit zum Rhein symbolisieren; die Speerspitze wünschte sich die Gemeinde, um den Wehrwillen im fricktalischbadischen Bauernaufstand 1612 bis 1614 zu würdigen. Zuvor führte die Gemeinde verschiedene Bilder im Siegel: Aus einer Chronik von 1548 ist ein schwarzes Tatzenkreuz überliefert, das keine historische Rechtfertigung hat.

Zwischen 1811 und 1952 führte die Gemeinde ein «heuhaufenartiges Gebilde», das als 1890 als Bienenkorb identifiziert wurde. Einen Bienenkorb führt auch der heutige Rheinfelder Stadtteil Karsau im Wappen. Er steht, wie die Bienen selbst, in der Heraldik symbolhaft für den Fleiss der Einwohner. Napoleon verlieh den Städten seines Empires, auch den eroberten und in Frankreich eingegliederten deutschen Städten wie beispielsweise Mainz, als grosse Ehrerweisung Bienen für ihre Wappen.

Ueken wählte sich die alte, unter Heimatschutz stehende Mühle im Ort als Vorbild für das Gemeindewappen: in Gold ein schwarzes Wasserrad mit acht Schaufeln. Von 1945 bis 1963 musste die Gemeinde auf eine Stellungnahme der chronisch überlasteten Wappenkommission warten. Während der Wartezeit gab es verschiedene weitere Vorschläge: Hufeisen, Pflug, Ähre und die Attribute des Schutzpatrons Antonius. Den schliesslich unterbreiteten Vorschlag der Kommission, ein goldenes Rad in Blau, nahm die Gemeinde an, änderte aber die Farben.

Die Mühle beziehungsweise ihre Bestandteile tauchen in Fricktaler Wappen bemerkenswerterweise nur in Ueken auf. Dabei sind sie wie das Getreide (siehe Folge 6) ein allgemein sehr häufiges Motiv. Wird die Mühle komplett dargestellt, dann fast ausschliesslich als Windmühle. Als einzelne Bestandteile gibt es neben Windrädern aber auch Wassermühlräder wie im Uekener Wappen. Die Verteilung dürfte geographisch bedingt sein, gibt es doch in unserer Region so wenig Windmühlen wie in Norddeutschland Wassermühlen. Auch der Mühlstein und vor allem das Mühleisen, die Nabe des Mühlsteins, sind im deutschsprachigen Raum keine seltenen Wappenmotiven.

Sehr ähnlich zum Uekener Wappen sind jene von Mühlau (Bezirk Muri) und Mülligen (Bezirk Brugg): Mülligens Wappen unterscheidet sich nur durch einen grünen Dreiberg vom Uekener Wappen; das Mühlauer Wappen zeigt ebenfalls einen grünen Dreiberg auf goldenem Grund, dafür aber nur ein waagrecht geteiltes Mühlrad. Das Wappen von Mülligen geht auf die Herren von Mülinen zurück und ist bereits seit 1872 in Gebrauch. Im Gegensatz zu Ueken sind die Wappen von Mühlau und Mülligen zusätzlich Redende Wappen.

Rekingen (Bezirk Zurzach) und Wiliberg (Bezirk Zofingen) führen jeweils ein waagrecht halbiertes goldenes Mühlrad auf blauem Grund in der unteren Hälfte, also jene Tingierung, die die Wappenkommission auch ursprünglich für Ueken vorschlug. In der obigen Hälfte zeigt das Rekinger Wappen in Gold den schwarzen Buchstaben R für den Ortsnamen, das Wiliberger Wappen in Silber eine blaue Traube mit grünen Blättern. In Rekingen standen tatsächlich drei Mühlen. In Wiliberg lässt sich das Mühlrad im Wappen auf eines der beiden Dorfgeschlechter namens Müller zurückführen; die Traube steht dabei für die «Lässer», die (Wein-)Leser.


Rechts und links in Wappen

«Heraldisch rechts» ist die vom Betrachter aus linke Seite (manchmal auch als vorn benannt). Entsprechend ist «links» oder hinten die rechte Seite eines Wappens. Diese Seitenbezeichnung leitet sich noch aus der Zeit her, als das Wappen auf dem Schild im Kampf oder Turnier getragen wurde. (mgt)


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