Kanton wird Eigentümer im Sisslerfeld

  20.01.2022 Aargau, Wirtschaft, Fricktal

25,7 Millionen Franken investiert der Kanton Aargau in den Kauf und die Erschliessung einer 61 690 Quadratmeter grossen Fläche im Sisslerfeld. Für die vier Ammänner von Stein, Eiken, Sisseln und Münchwilen ist nun der Kanton gefordert. Nicht nur bei der angestrebten Firmenansiedlung, sondern auch beim Thema Verkehr.

Susanne Hörth

Mit 90 Ja- gegen 42 Nein-Stimmen bewilligte der Grosse Rat am Dienstagmorgen den Landkauf im Sisslerfeld. Dem Entscheid mit einer Kostenfolge von 25,7 Millionen Franken (19,7 Mio. für Landkauf, 6 Mio. für Sondernutzungsplanung und Erschliessung) gingen Wortmeldungen aller Parteien voraus.

Eine deutlich ablehnende Haltung nahm die SVP ein. «Der Kanton soll sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Er hat weder als Landkäufer noch als Landverkäufer aufzutreten», so Grossrat Stefan Giezendanner im Namen der Partei. Es sei nicht Aufgabe des Kantons, Erschliessungen zulasten des Steuerzahlers vorzunehmen.

Eine wahrzunehmende Chance
«Es ist eine einmalige Chance, den Wirtschaftsstandort Aargau weiter zu stärken», zeigte sich Werner Müller von der Mitte vom Landerwerb überzeugt. Der Kanton Aargau könne so einen wichtigen Schritt im Prozess Gebietsentwicklung Sisslerfeld beisteuern. Etwas kritisch, nicht aber ablehnend, stehen die Grünen dem Vorhaben gegenüber. Ziel könne es nicht sein, jeden freien Quadratmeter zu überbauen. Eine «Smart City» auf dem Sisslerfeld, klimaneutral und mit qualitativ hochwertigen Aussenräumen, kann sich die Partei aber durchaus vorstellen. Sie befürwortet den Landerwerb, sieht aber beim Thema Verkehr noch Handlungsbedarf. So soll beim Mobilitätskonzept der Fokus vor allem auf dem öffentlichen Verkehr liegen. Die GLP sprach sich ebenfalls für den Kauf aus. Ebenso die SP, die auf die regionale, kantonale und nationale Bedeutung des Sisslerfeldes hinwies und die aktive Bodenpolitik des Kantons befürwortet.

«Wir können entweder nichts tun oder die Chance, das Gebiet qualitativ gut zu entwickeln, ergreifen», so tönte es von der EVP. Die FDP stellte sich ebenfalls hinter das Vorhaben Landerwerb. Gleichzeitig müsse das Sisslerfeld aber eine Ausnahme bleiben, sagte Gabriel Lüthy. Regierungsrat Markus Dieth wies in seinen Worten darauf hin, wie wichtig Schnelligkeit sei, wenn Unternehmen mit Interesse für das Sisslerfeld anklopfen würden. Als Landeigentümer könne der Kanton rasch reagieren.

Reaktionen
Es ist nun entschieden, sagte der Steiner Gemeindeammann Beat Käser gegenüber der NFZ. Jetzt gelte es darauf zu achten, dass etwas Nachhaltiges entstehe. Zwingend bei dem nun startenden Prozess ist für Käser der Einbezug des Verkehrs. Schon heute sind die vier Sisslerfeld-Gemeinden vom täglichen Verkehrsauf kommen stark belastet. «Der Verkehr ist ein integrierender Bestandteil», bekräftigt Rainer Schaub, Gemeindeamman von Sisseln, Käsers Aussage. Das sieht der Eiker Gemeindeammann Stefan Grunder ebenso. Wie er, äussern sich auch Beat Käser und Rainer Schaub eher verhalten zum Landerwerb. Schaub sieht den grössten Vorteil darin, dass der Kanton nun aktiv gefordert ist, die Entwicklung auf dem Sisslerfeld voranzutreiben. Münchwilens Gemeindeammann Bruno Tüscher zeigt sich zufrieden. «Ich erhoffe mir, dass dieser Landkauf hilft, zukünftige Landumlegungen einfacher zu vollziehen, um dem Ziel in kleinen Schritten näher zu kommen.»


Silicon Valley im Fricktal

Bericht aus dem Grossen Rat

Die verschiedenen Kräfte im Parlament waren sich nicht einig, ob der Kauf des Sisslerfeldes durch den Kanton eine gute Idee oder ein Sündenfall sei. Die konservativ-liberalen Kräfte geisselten die Vorlage als marktverzehrend und es sei keine Kernaufgabe des Staates sich in den Landhandel einzumischen. Andere lobten die aktive Bodenpolitik als vorausschauend und innovativ.

Blumenkohl oder Blumenkohlaroma
Die Grünen stehen der Tendenz, jeden Quadratmeter Land zu erschliessen und zu überbauen kritisch gegenüber. Oder anders ausgedrückt: «Wir wollen keine neuen Produktionsstätten für Produkte, die wir nicht brauchen, mit Personal, das wir nicht haben und Verkehr, den wir nicht wollen.» Es muss vorausgeschickt werden, dass grosse Teile der Fläche im Sisslerfeld bereits heute als Bauzone ausgeschieden sind und die Erschliessung und Überbauung dieser Fläche wohl beschlossene Sache sind. Für die Verwendung des künftigen Kantonslands sollen aber besondere Kriterien gelten.

Klimaneutral und Ressourcenschonend
Die vorgesehenen Stossrichtungen der Gebietsentwicklung gehen in die richtige Richtung. Es ist wichtig, dass die Anforderungen an eine qualitativ hochstehende Entwicklung nicht einer schnellen Umsetzung geopfert werden. Es soll einen Industrie- und Gewerbepark im Sinne einer Smartcity entstehen. Konkret heisst das klimaneutral, minimaler Verbrauch der natürlichen Ressourcen Energie, Wasser und Boden sowie qualitativ hochwertige Aussenräumen.

Das zusätzliche Verkehrsaufkommen ist ungelöst. Insbesondere die ÖV-Erschliessung unseres nördlichen Nachbarn ist ungenügend. Können wir diesbezüglich Einfluss nehmen? Das Sisslerfeld braucht ein Mobilitätskonzept mit der Zielsetzung, dass 80 Prozent der künftigen Arbeitsstellen durch öffentliche Verkehrsmittel, Fuss- und Veloverkehr erschlossen werden.

Fachkräftemangel
Wir haben jetzt schon einen Fachkräftemangel. Gleichzeitig versuchen wir mit aller Kraft – beispielsweise durch Steuersenkungen und Gebietsentwicklungen – neue Unternehmen anzuziehen. Damit die Fachkräfte auch kommen, braucht es zusätzlich f lankierende Massnahmen. Der Ressourcen-Index kann nicht immer die relevanteste Zielgrösse sein. Wir wollen einen lebenswerten Kanton mit guten Schulen, Hochschulen und Kinderbetreuung. Wir brauchen urbane Zentren mit einem ansprechenden Kulturangebot und Naherholungsgebiete mit einer funktionierenden ökologischen Infrastruktur. Der Kanton Aargau muss diese Chance wahrnehmen und einen innovativen Wohn- und Arbeitsstandort schafft – mit einer Vorbildwirkung weit über die Kantonsgrenzen hinaus.

Strassenverkehrsamt, Erneuerung der Prüfhalle
Die Erneuerung der Prüfhalle Strassenverkehrsamt Schafisheim liess niemanden kalt. Obwohl das Geschäft gänzlich unbestritten war, liessen sich alle Fraktionen ausführlich vernehmen. Sicherheit, dezentrale Prüfmöglichkeiten, energetische Fragen, naturnahe Umgebungsgestaltung. Gar die Frage, was geschehe, wenn die Prüf halle einmal nicht mehr gebraucht werden würde, wurde gestellt. Die Antwort darauf wäre wohl, dass wir dann unsere Schuhe prüfen könnten…

Stellvertreterregelung bei Mutterschaft
Junge Frauen im Parlament stossen Veränderungen an. Schwangerschaft und Geburt waren in der Vergangenheit häufig der Grund, dass Frauen ihr politisches Amt abgaben. Der Mutterschaftsurlaub und die Zusatzbelastung trugen das ihre dazu bei. Glücklicherweise hat der Rat heute die Möglichkeit beschlossen, dass bei Mutterschaft oder bei länger dauernder Krankheit, von einer Stellvertreterregelung Gebrauch gemacht werden kann. Diese Regelung kann auch von den Einwohnerräten übernommen werden.


KOMMENTAR

Solaroffensive oder Solardefensive

Die Klimawissenschaf terinnen und die Klimawissenschafter warnen seit Jahren vor immer extremeren Witterungsereignissen. Jahrhunderthochwasser treten schon bald im 5-Jahresturnus auf. Frostschäden an landwirtschaftlichen Kulturen im Kanton Aargau waren während Jahrzehnten kaum ein Thema. Jetzt bangen jedes Jahr Winzerinnen und Obstbauern dem Frühjahr entgegen und hoffen, dass nicht schon wieder der Frost zuschlägt.

Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen unsere Ansprüche in Bezug auf Mobilität und Wohnen besser auf die Tragbarkeit der Umwelt abgestimmt werden. Hier steht die Gesellschaft und stehen wir als Parlament in der Pflicht. Wir müssen und können die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzen. Die Grünen fordern seit Jahren mehr Geld für die Gebäudeprogramme. Wir unterstützen ein konsequenteres Vorgehen beim Heizungsersatz mit entsprechenden Fristen und wir erwarten, dass die Solaroffensive so ausgestaltet wird, dass sie ihrem Namen gerecht wird und nicht zur Solardefensive verkommt.

Alle, von der Wissenschaft bis zum Axpo-Chef raten zu einem massiven und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energie. Wecken wir die Lust an der Selbstversorgung nicht nur bei den Rüebli und Randen, sondern auch bei Strom und Wärme.

GERTRUD HÄSELI, WITTNAU


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