Als Rheinfelden eine Kaserne hatte

  04.01.2022 Rheinfelden

Wechselhafte Geschichte der Liegenschaft Kupfergasse 5

Wo heute das Restaurant Post ist, waren früher Soldaten untergebracht. Die Stadt hatte das Gebäude 1779/80 erstellen lassen und Kaiser Joseph II. geschenkt. Später wurden dort Schüler unterrichtet und Zigarren hergestellt.

Valentin Zumsteg

«Die kleine Stadt mit den grossen Erinnerungen», dieser Slogan wird gerne dazu benutzt, um Touristen und Einheimische für Rheinfelden zu interessieren. Tatsächlich hält das Städtchen viele Geschichten bereit. So gibt es in der Altstadt zahlreiche Gebäude, die über eine wechselhafte Geschichte verfügen. Zum Beispiel die Liegenschaft an der Kupfergasse 5. Dort befand sich früher das Haus «zum Babylonischen Turm», das 1764 mit drei Gewölbekellern urkundlich erwähnt wurde. 1779/80 errichtete die Stadt an seiner Stelle und auf eigene Kosten eine Kaserne für 200 Mann.

Die erste Truppenunterkunft
«Es handelte sich um die erste eigens errichtete Truppenunterkunft Rheinfeldens; zuvor waren die Garnisonssoldaten bei Bürgern oder in den drei Zunftstuben einquartiert», heisst es dazu im Buch «Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau: der Bezirk Rheinfelden» von Edith Hunziker und Peter Hoegger. Vom Haus «zum Babylonischen Turm» wurde die Westwand in die Kaserne integriert, davon zeugen die zwei nachgotisch gekehlten Rechteckfensterchen im Giebel. Die Stadt schenkte das neue Bauwerk Kaiser Joseph II. für die K.&K. Infanterieregimenter. Die Stadt gehörte damals noch zu Österreich und wollte sich wahrscheinlich gut stellen mit dem Herrscher. Zudem bedeuteten Soldaten innerhalb der Stadtmauern auch Schutz vor Angreifern.

Doch die Truppenunterkunft wurde nicht sehr lange für den ursprünglichen Zweck genutzt. 1818, 20 Jahre nach Aufhebung der Kaserne, liess die Stadt das Gebäude als Schulhaus einrichten; die 1831 gegründete Bezirksschule war hier bis 1862 beheimatet. Danach ging die wechselhafte Geschichte weiter: Nach der Renovierung und Umnutzung durch die Zigarrenfabrik Fendrich&Münch im Jahre 1874 enthielt das Gebäude neben einer Wohnung sechs Arbeitssäle, drei Magazine und einen Laubenanbau; es verfügte über eine Luftheizung sowie eine Gaszufuhr. Auch das dauerte allerdings nicht allzu lange: 1899 übernahm die Metzgerfamilie Meyer das Gebäude und richtete im Erdgeschoss das Gasthaus zur Post ein, das 1926 umgebaut wurde.

Wappen kamen erst in den 1970er-Jahren
So viel Geschichte auf so kleinem Raum: Erst kamen die Soldaten, dann die Schüler, dann die Zigarrenfabrikanten und schliesslich die Gastwirte. Wer heute dort einkehrt und sich eine Pizza oder etwas anderes genehmigt, denkt wohl kaum je daran, was alles in diesen Mauern schon stattgefunden hat. Übrigens: Die Wappen (Fricktal, Österreich, Rheinfelden) an der Fassade wurden erst in den 1970er-Jahren hinzugefügt, sie zeugen von der grossen Geschichte.

Quelle: «Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band IX: der Bezirk Rheinfelden». Von Edith Hunziker und Peter Hoegger.


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