Ein Narrennest mit 360'000 Litern Fassungsvermögen

  10.10.2022 Rheinfelden

Hinter verschlossenen Türen: der Wasserturm in Badisch-Rheinfelden

Der Wasserturm gilt heute als eines der Wahrzeichen Badisch-Rheinfeldens. Gebaut wurde er vor allem zur Versorgung der Industrie, die sich mit dem Kraftwerkbau angesiedelt hatte. In den Achtzigern wäre er fast abgerissen worden, wenn sich nicht die Narren dort eingenistet hätten.

Boris Burkhardt

Es hätte nicht viel gefehlt und die braune, leicht verwitterte Doppeltür aus Eichenholz, eingefasst in einen Steinbogen mit der Jahreszahl 1898 auf dem Schlussstein des Türsturzes, wäre heute gar nicht mehr da. Sie ist der Eingang zum Wasserturm von Badisch-Rheinfelden, Turmstrasse 3, exakt 35,34 Meter hoch mit einem Kesselinhalt von 360 000 Litern Wasser, bis 1971 in Betrieb. 1981 wurde im Rheinfelder Gemeinderat der Abriss des baufälligen Gebäudes diskutiert. Ironisch, wenn man bedenkt, dass der Wasserturm heute eines der Wahrzeichen der ehemaligen Industriestadt Badisch-Rheinfelden ist.

Für 750 000 Deutsche Mark saniert
Gerettet wurde der Turm, als die Narrenzunft Rheinfelden Interesse an seiner Nutzung bekundete. Für rund 750 000 DM wurde er bis 1989 saniert. Am 7. Oktober bezog die Narrenzunft ihr Domizil und weihte 1993 das Narrenmuseum Rheinfelden ein. Einer, der den Schlüssel für die Tür am Fuss des Wasserturms hat, ist deshalb Wilfried Markus. Der gebürtige Rheinfelder ist nicht nur Glaskünstler, der zuletzt die Jubiläumstaler für die 100-Jahr-Feier der Stadterhebung herstellte, sondern war auch lange Jahre Oberzunftmeister, also Chef aller Narren in Rheinfelden. Noch immer übernimmt Markus jeden ersten Sonntag in den Monaten Mai bis Oktober Führungen durch den Turm und das Narrenmuseum.

Vier Stockwerke des Turms sind ausgebaut: Zehn Meter betragen sie im Durchmesser; die Metalltreppe verläuft an der Nordwand entlang. Im zweiten Stock findet sich ein erster Teil des Museums, in dem in einer Vitrine alle Fasnachtsplaketten aus Rheinfelden untergebracht sind. Auf einem Tisch liegen Narrenzeitungen und Schnitzelbänke bis in die Fünfziger zurück.

Ein Tisch mit einer Kurve
Im dritten Stock befindet sich die Zunftstube: An einem halbrunden Tisch, der den Kurven des Turms angepasst ist, kommt hier der Zunftrat zu Vorstandssitzungen und Generalversammlungen zusammen; hier probt das Zunftchörli und findet die eine oder andere Feier unter Narren statt. Eine Mini-Bar im wahrsten Sinne des Wortes ist auf vielleicht anderthalb Quadratmetern zwischen den beiden mächtigen Wasserrohren eingerichtet; an der Wand hängen Urkunden und Geschenke befreundeter Fasnachtsvereinigungen, darunter auch eine vom Blumenkarneval in Nizza, wo die Rheinfelder vor Jahrzehnten mehrfach zu Gast waren.

Der Wasserturm feierte 1998 sein 100-jähriges Bestehen mit einem illuminierten Kessel. Er ist also deutlich älter als die Stadt Rheinfelden, die heuer 100 Jahre Stadterhebung feiert. Er diente der Wasserversorgung der Industrie, die sich nach dem Bau des Kraftwerks in Rheinfelden ansiedelte, sowie der ersten Arbeiterhäuser im heutigen Oberrheinfelden. Das Wasser wurde mit Pumpen in den Behälter gepumpt. Durch den Fall aus dem Behälter in die im Boden liegenden Rohre baute sich ein Druck von drei Bar auf. Um den Tank herum führt ein Aussengeländer. Dorthin ist der Zugang laut Markus aber nicht erlaubt: «Das darf nur die Stadt, wenn sie die Weihnachtsdekoration anbringt.»

Reich an Geschichte
Beim Bau befand sich der Turm wie die Industriebetriebe auf Karsauer Bann. Die damals selbständigen Gemeinden Karsau und Nollingen beschlossen 1900 den Verkauf an letztere. Auf dem Nollinger Bann entstand die Stadt Rheinfelden; Karsau kam erst 1974 zur Stadt.

Im vierten Stockwerk schliesslich sind die Häser und Kostüme fast aller Rheinfelder Fasnachtscliquen und seiner Ortsteile bis auf Karsau ausgestellt, darunter die ältesten unter ihnen wie vor dem Krieg die «Draischiibe» 1937 und die weit über Rheinfelden hinaus bekannte «Latschari-Clique» 1938. Rheinfelden hat mit seinem Narrenmuseum ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Es existierte wohl nicht, wenn die Stadt sich 1981 zum Abriss des Wasserturms und der Doppeltür aus Eichenholz entschieden hätte. Wilfried Markus schliesst letztere übrigens auch ausserhalb der monatlichen Führungen nach Vereinbarung auf.

Anmeldung für Führungen bei Wilfried Markus: 0049 7623 3611


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