Zwischen Himmel und Erde
02.05.2021 FricktalZwischen Himmel und Erde
Leidenschaftliche Modellflugzeugbauer und Piloten in zwei Fricktaler Vereinen
Die Faszination des Fliegens vereint in zwei Fricktaler Modellfluggruppen alle Alterskategorien. Nach kreativem, handwerklichem Geschick im Hobbyraum erobern sie mit ihren Flugobjekten den Himmel oder erleben Bruchlandungen bis zum Grounding.
Paul Roppel
Wie ein Düsenjäger schiesst das schnittige Flugzeugmodell über den Zenit des Sissler Feldes und praktiziert akrobatische Figuren am stahlblauen Himmel. Für den faszinierten Beobachter am Wegrand ist nur ein dezentes Rauschen vernehmbar. «Modelle mit elektrischem Impellerantrieb sind eine meiner Leidenschaften», sagt Peter Scheibli, der den blauen Kunstf lieger stets im Auge behält und mit feinem Gespür am Bedienpanel an der Fernsteuerung hantiert. In unzähligen Stunden und regen Diskussionen optimiert der Tüftler das Flugverhalten seiner vielen Modelle und freut sich mit seinen Kollegen der Modellfluggruppe (MG) Basilisk über die Fortschritte. Er ist seit 27 Jahren Präsident des 1964 gegründeten und 23 Mitglieder zählenden Vereins, der seit rund 50 Jahren ein Flugfeld in Münchwilen betreibt.
Viele Einschränkungen
«Dieser Platz ist uns heilig, deshalb haben wir uns proaktiv viele restriktive Einschränkungen im Betriebsreglement auferlegt; besonders in Bezug auf Sicherheit, dem Flugrayon mit dessen grosser Distanz zum Sportplatz und zum Dorf, sowie der Mitgliederzahl und Lärmminderung», ergänzt der 66-jährige Diego Haenzi, der als 14-Jähriger mit der Modellfliegerei startete. Sein Vater war ein Pionier in der Schweizer Szene der Modellf liegerei und erwirkte über die damalige Ciba in Basel die Benutzung des abseits gelegenen Geländes. Trainingsmöglichkeiten für Wettbewerbsf lieger werden nicht mehr angeboten. Deshalb wird die 100 Meter lange und 10 Meter breite, grasbewachsene Piste nur zweimal wöchentlich benutzt. Zudem erfolgte schon früh und mehrheitlich die Umstellung auf die kaum hörbaren elektrobetriebenen Motoren. Reklamationen hat man seit Jahren nicht mehr. Besonders stolz ist der Verein auf das vor vier Jahren in Zusammenarbeit mit dem Flugplatz Schupfart in Betrieb genommene Flugzeug-A larmierungssystem Ground FLARM. Diego Haenzi malt mit seinem knallroten Doppeldecker mit über zwei Metern Spannweite, 15 Kilogramm Gewicht und einem 100 Kubikzentimeter Viertaktmotor akrobatische Figuren in den klaren Frühlingshimmel. Für den Bau des massstabsgetreuen Modells Red Eagle stand er rund 600 Stunden im Hobbyraum.
Viel Zeit im Hobbyraum
«Unser Hobby beruht auf rund 70 Prozent Bauen, Vorbereiten und Anpassen und 30 Prozent auf dem Flugfeld, wobei das Fliegen nur ein Bruchteil davon ist», verrät Flugplatzchef Markus Fischler, der Elektronikspezialist ist und die Sicherheitsbestimmungen durchsetzt, den Platz unterhält, den Rasen mäht und auch regelmässig Hundekot einsammelt. Sein Stolz ist das imposante gelbe Modellflugzeug Extra 260, das ihn vor 10 Jahren rund 6000 Franken gekostet hat. Der Sekretär des Vereins, Arthur Wegmann, hat sich schon seit 50 Jahren ganz dem lautlosen Segelf liegen verschrieben. Anscheinend hat sich dies auf einen seiner Söhne übertragen, der nebenamtlich als Segelfluglehrer amtet. Den Nachwuchs nachziehen, ist denn auch eine Aufgabe des Vereins, der zudem die Geselligkeit gross schreibt. Die Corona-Pandemie hat diese zum Erliegen gebracht. Erfreulicherweise konnte aber das Fliegen weiter praktiziert werden.
Flugbetrieb gestoppt
Wesentlich schlechter ist es dem zweiten Verein im Fricktal ergangen. «Die Corona-Pandemie hat dem Verein mit der Absage der regelmässigen monatlichen Treffen fast das restliche Lebenslicht gekostet, nachdem schon ab 2016 jegliche Flugaktivitäten gestoppt wurden. Der Verein war nahe der Auf lösung», erzählt Tommy Bieri der NFZ. Er hat vor drei Jahren das schwierige Amt als Präsident der 1969 gegründeten Modellfluggruppe Fricktal angetreten, die ihr Flugfeld nach Bundesgerichtsentscheid im Gebiet Grossgrütt in Rheinfelden aufgeben musste. Bieri leitete die Arbeitsgruppe, welche über drei Jahre 39 mögliche neue Standorte im Umkreis von 15 Kilometern evaluiert hat. Ein neuer Standort nahe der Autobahn im Gebiet Langacher in Möhlin wurde gefunden, welcher mit Gutachten, vielen selbst auferlegten Massnahmen zur Wahrung der umliegenden Interessen und mit der Übereinkunft der Anliegen aus Natur- und Vogelschutzkreisen, sowie der Jagd versehen war. Der Gemeinderat erteilte im Frühjahr 2020 die Bewilligung. Die Kritiker des Unterfangens, hauptsächlich von angrenzenden Reiterhöfen, welche bereits beim Baugesuch interveniert hatten, reichten Beschwerde beim Regierungsrat ein. «Diese ist vor kurzem abgelehnt worden und wir haben keine zusätzlichen Auflagen erhalten», sagt Bieri, womit das jahrelange Grounding ein Ende finden könnte, falls der Entscheid demnächst rechtskräftig wird. Dann könnte das Flugfeld teilweise provisorisch hergerichtet und der im Hobbyraum mit CAD und CNC-Fräse entstandene, serienfertige und im Fachhandel erhältliche Elektro-Hochleistungssegler «Covid-19» auf Thermiksuche gehen, freut sich Bieri mit seinen durchhaltewilligen Mitgliedern auf belebende Aktivitäten.