«Präsenzunterricht ist, wenn immer möglich, vorzuziehen»
26.01.2021 Rheinfelden, SchuleFernunterricht an der Berufsschule Fricktal
Das Berufsbildungszentrum Fricktal in Rheinfelden zählt aktuell 266 Lernende. Seit gestern gilt die vom Kanton verhängte Fernunterricht-Pflicht. Rektor Tom Krause erklärt im Interview, was das für die Schule bedeutet.
Valentin Zumsteg
NFZ: Herr Krause, der Kanton Aargau hat für die Berufs- und Mittelschulen den Fernunterricht verfügt. Haben Sie Verständnis für die Massnahme des Kantons?
Tom Krause: Ja, absolut. Es bestehen nach wie vor Unsicherheiten durch die Auswirkungen der neuen Virus-Mutationen. Als Beitrag zur weiteren Stabilisierung der Lage beziehungsweise Reduktion der Mobilität habe ich Verständnis für die Massnahme. Lernende aus verschiedenen Regionen werden über den Arbeitgeber ins «home-office» geschickt. Da ist es nur sinnvoll, dass diese Lernenden nun auch so wenig wie nötig in die Schulen kommen.
Die Massnahme gilt vorerst bis Ende Februar. Was sagen Sie zu dieser Dauer?
Der Zeitpunkt ist geeignet. Wegen des Semesterwechsels und durch den Einbezug der Sportferien sind nur drei Schulwochen betroffen. Wenn wir mit diesem Beitrag die Fallzahlen stabil halten oder verringern können, ist dies deutlich besser, als wenn in ein paar Wochen eine längere Schulschliessung bevorsteht. Aktuell gibt es bereits Beispiele, wie durch die Mutationen deutlich mehr Lernende an Schulen angesteckt wurden und ganze Schulen in Quarantäne geschickt werden.
Was bedeutet der Fernunterricht für das BZF konkret?
Der Fernunterricht ist für die Schule und die Lernenden eine andere Form des Unterrichtens. Das Schulleben, die persönlichen Kontakte und Gespräche zwischen allen Beteiligten können durch digitale Formen nur bedingt ersetzt werden. Es ist eben ein grosser Unterschied, ob Lernende einen Schultag in der Schule oder im «home-schooling» erleben. Nach der ersten Phase des Fernunterrichts im letzten Jahr haben wir eine umfangreiche Befragung von Lernenden, Lehrbetrieben und Lehrpersonen gemacht und analysiert. Das Fazit daraus war: Präsenzunterricht ist Fernunterricht, wenn immer möglich, vorzuziehen. Der direkte Kontakt zwischen den Beteiligten schafft eine verbindlichere und motiviertere Arbeitshaltung der Lernenden und hat effizientere Lernfortschritte zur Folge.
Der Kanton sieht Ausnahmen vor. Gibt es teilweise Präsenzunterricht im BZF?
Wir sind froh um die Ausnahmen, die der Kanton formuliert hat. Dadurch ist es möglich, Lernende unter bestimmten Umständen in die Schule kommen zu lassen. Wir machen das für die Lernenden in der Attestlehre (Detailhandelsassistenten) und für einzelne Klassen, um Prüfungsleistungen zu erbringen. Eine weitere Ausnahme ist es, Lernenden auf Gesuch einen Arbeitsplatz zum Fernlernen in der Schule zuweisen zu können. Lernende, die zuhause nicht die Möglichkeiten haben, können so an einem Platz in der Schule konzentriert lernen.
Was sind die Schwierigkeiten beim Fernunterricht?
Neben kleineren technischen Problemen sind es häufig Probleme mit der Motivation der Lernenden. Die Verbindlichkeit im Präsenzunterricht und die Möglichkeit für die Lehrperson, bei Problemen direkt unterstützend einzuwirken, sind im Fernunterricht nicht so gegeben. Eine weitere Schwierigkeit sind valide Prüfungen und die Bewertungen von Online-Leistungen.
«Für alle Beteiligten ist es eine Herausforderung»
Interview mit Tom Krause, Rektor des Berufsbildungszentrum
NFZ: Herr Krause: Begrüssen die Lernenden den Fernunterricht, was sind Ihre Erfahrungen?
Tom Krause: Seit kurzem wünschen sich einige Lernende sogar den Fernunterricht. Sie haben Angst, sich anstecken zu können und das Virus in ihre Familien zu bringen. Die meisten Lernenden bestätigten uns in der Umfrage im Sommer und auch persönlich, dass ihnen Präsenzunterricht lieber ist. Es ist schön von den Lernenden zu hören: «Herr Krause, wir sind froh wieder in der Schule zu sein.»
Werden die Lehrer von zuhause aus oder von der Schule aus Fernunterricht erteilen?
Die Lehrer arbeiten teilweise von zuhause und teilweise in der Schule. Wenn ein Lehrer von zuhause den Fernunterricht in guter Qualität gestalten kann, ist uns das recht. Wenn er ohnehin in der Schule ist, weil er hier im Bereich der Ausnahmen unterrichtet, kann er seinen anschliessenden Fernunterricht auch von hier ausführen. Es gibt auch Lehrpersonen, die extra in die Schule kommen, weil sie hier die bessere Möglichkeit haben, guten Fernunterricht zu machen. Wichtig ist uns ein Fernunterricht, der die Lernenden motiviert und fördert.
Profitieren Sie von den Erfahrungen, die im vergangenen Frühjahr gesammelt werden konnten?
Am BZF haben wir viel Erfahrung mit dem Fernunterricht sammeln können und uns entsprechend weiterentwickelt und vorbereitet. Unser Lehrerteam ist in der Lage, einen guten Fernunterricht zu bieten und wir achten sehr darauf, möglichst alle Lernenden mitzunehmen. Für alle Beteiligten ist es eine besondere Herausforderung und ein höherer Aufwand. Im Grundsatz und vereinfacht gilt: «Guter Fernunterricht ist wie guter Unterricht, eben nur aus der Ferne.» Es ist ein wichtiger Beitrag, den die Sek II-Schulen mit ihren Schülern für die Gesellschaft leisten in dieser schwierigen Zeit.
Wie entwickeln sich die Schülerzahlen am BZF?
Die Schülerzahlen sind sehr stabil. Wir haben glücklicherweise in diesem Jahr wenig Auflösungen von Lehrverträgen erhalten. Wir hoffen, dass trotz Corona auch im nächsten Jahr genug Ausbildungsverträge abgeschlossen werden können. (vzu)