«Das Ziel ist Olympia»
11.04.2020 Herznach, Sport, PersönlichRoger Leimgruber aus Herznach hat grosse Ambitionen
Eigentlich ist er Maurer, aber einen Grossteil seiner Zeit verbringt Roger Leimgruber (27) aus Herznach mit seinem Lieblingshobby, das inzwischen zu seiner grössten Ambition geworden ist: Dem Bobfahren.
Andrea Marti
Die einen haben ein Hobby, das einen Teil ihrer Zeit braucht. Die anderen haben viele Hobbys, die neben dem Beruf den Grossteil ihrer Zeit beansprucht. Er hat ein Hobby, das mehr Zeit in Anspruch nimmt, als er neben dem Beruf eigentlich hat – ein Hobby eigentlich, dass zumindest teilweise zum Beruf geworden ist: Bobfahren. Roger Leimgruber ist 27 Jahre alt, in Herznach aufgewachsen und lebt inzwischen seit einigen Jahren in Laufenburg. Sportlich betätigt hat er sich schon immer sehr gerne: «Ich war von klein auf in Herznach in der Jugi, dann habe ich Fussball gespielt. Später wechselte ich in den Turnverein Herznach und habe dort beim Handball mitgemacht.» 2008 sei als Aktiver beim Turnverein auch noch das Geräteturnen und das Steinstossen hinzugekommen. «Irgendwann habe ich vom Geräteturnen zur Leichtathletik gewechselt und machte die Ausbildung zum Jugileiter.» Leimgruber ist offensichtlich ein vielseitiger Sportler – und ein begeisterter dazu.
Jeden Tag trainieren
Sein anfängliches Engagement beim TV Herznach ist aber kaum vergleichbar mit dem, was er heute für seinen Sport investiert. Dem Bobfahren. Vom TV Herznach ging es für Roger Leimgruber in die Schweizer Nationalmannschaft im Bobfahren und somit in den Profisport. Und das, obwohl er sich dies noch vor einigen Jahren kaum hätte vorstellen können: einmal professioneller Anschieber im Bob zu werden. «Mit einem Kollegen vom TV Herznach habe ich 2015 an einem Anschiebwettkampf des TV Magden mitgemacht. Wir haben nicht einmal gewonnen, aber weil wir im Gegensatz zum Siegerteam noch recht jung waren, bekamen wir die Möglichkeit, ein Wochenende lang in Andermatt auf einer Anschiebebahn ein Probetraining zu absolvieren.»
Bei Leimgrubers Sportlerkarriere handelt es sich also keineswegs um einen in Erfüllung gegangenen Kindertraum oder eine durch und durch geplante Laufbahn, im Gegenteil: «Am Anfang waren wir uns nicht sicher, ob wir das Wochenende überhaupt annehmen wollten. Sowas braucht ja immer auch viel Zeit.», erinnert sich Leimgruber.
Rigider Trainingsalltag
Die viele Zeit, die seine Sportart in Anspruch nimmt, ist für Leimgruber inzwischen kein Hindernis mehr. Die Saison für Bobfahrer dauert von Oktober bis Februar. Aber auch im Sommer, «dann, wenn Olympiasieger gemacht werden», erklärt Leimgruber, trainiere er enorm viel. Neben mehreren Trainingslagern arbeitet er täglich entweder im Kraftraum des STV Laufenburg oder draussen auf der Laufbahn. Bei seinen Trainings mit der ganzen Mannschaft geht es neben Kraft- und Schnellkraftaufbau darum, alle Positionen in einem Schlitten fahren zu können: «Falls einmal einer ausfällt, könnte ich theoretisch, abgesehen vom Piloten, alle Positionen besetzen».
Wettkämpfe in der ganzen Welt
All diese Trainings im Sommer bereiten Leimgruber auf die eigentlichen Herausforderungen vor: Die Wettkämpfe im Winter. Um bei diesen dabei zu sein, ist der 27-jährige Sportler in den Wintermonaten auf der ganzen Welt unterwegs. «Die Wettkämpfe sind meist in Europa, manchmal aber auch in den USA oder in Kanada. Und inzwischen gibt es ja wegen den olympischen Winterspielen sogar eine Bahn in Südkorea, und bald auch eine in Peking.»
Für einen Wettkampf reist Leimgruber mit der Nationalmannschaft zusammen viel und jeder Wettkampf nimmt mindestens eine Woche Zeit in Anspruch. In dieser Zeit können die Athleten auf der Wettkampfbahn trainieren und sich so auf den Wettkampf vorbereiten, den sie am Ende der Woche absolvieren. Dabei stellt der Weltcup jeweils eine Ausnahme dar: «Bei der WM haben vor allem die Piloten kaum mehr Zeit, sich an die Wettkampf bahn zu gewöhnen. Da muss man dann einfach wirklich Bobfahren können!», lacht Leimgruber.
Nächster Halt Olympia?
Beim Bobfahren ist natürlich auch das Anschieben wichtig, und das kann Leimgruber. Dieses Jahr durfte er an der 4er-Bob-WM im deutschen Altenberg starten, ausserdem wurde er in St. Moritz im 4er-Bob Schweizermeister und letztes Jahr wurde er am Europacup in Deutschland ebenfalls im 4er-Bob Sechster. All diese Erfolge führten dazu, dass er langsam einen grossen Traum entwickelte: «Ich habe mir inzwischen schon höhere Ziele gesetzt: 2022 an der Winterolympiade in Peking dabei zu sein.»
Bis dahin dauert es noch zwei Sommer und einen Winter. Deshalb ist es momentan auch für Leimgruber schwierig zu sagen, wie die Chancen stehen, dass er sich seinen Traum erfüllen kann: «Es braucht natürlich immer noch ein bisschen Glück. Man darf sich vorher nicht verletzen, es geht um viele verschiedene Faktoren. Aber ich gebe Vollgas, und ich will es auf jeden Fall versuchen. Ich will alles geben.»
Viel Unterstützung
«Alles geben», das heisst für Leimgruber auch: Weniger Zeit mit seinen Freunden, seiner Familie und vor allem mit seiner Freundin. Ausserdem auch, oft lange für Wettkämpfe von zuhause weg zu sein. «Es braucht schon viel Unterstützung aus dem Umfeld, und dafür bin ich sehr dankbar», ist sich der Sportler deshalb bewusst. Sein Umfeld schaut sich dann jeweils den Wettkampf im Fernsehen an. «Das ist wirklich toll!». Neben seiner Familie und seinen Freunden muss auch sein Beruf – vor allem im Winter – hinter seinem Sport zurückstehen: «Während der Saison nehme ich jeweils unbezahlten Urlaub und arbeite im Frühling wieder. Das konnte ich zum Glück mit meinem Arbeitgeber sehr gut regeln. Und irgendwann kommt ja in meinem Leben eine Zeit nach dem Bobfahren.»
Doch bevor diese Zeit nach dem Bobfahren anfängt, will Leimgruber zuerst noch seine Ziele erreichen: Nächste Saison wieder gute Ränge erreichen, so dass die Startbedingungen für die Schweiz an den olympischen Spielen 2022 so gut wie möglich sein werden. Und dann natürlich: Selbst an den Spielen dabei sein. Es ist klar: Roger Leimgruber gibt bis dahin alles, um seinen Traum zu verwirklichen – und so nach den Gebrüdern Acklin als dritter Herznacher an den olympischen Spielen teilzunehmen.