«Die Zeit ist reif für ein Fricktaler Gymnasium»

  28.12.2018 Fricktal

Die Kreisschule Unteres Fricktal wächst. Schulleiter Beat Petermann spricht sich für ein Gymnasium im Fricktal aus. Das dürfe aber nicht zulasten des Berufsbildungszentrums Fricktal gehen.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Petermann, die Aargauer Regierung hat kürzlich das Thema Gymnasium im Fricktal neu lanciert. Würden Sie es begrüssen, wenn es im Fricktal eine Mittelschule gäbe?
Beat Petermann:
Ja, ich befürworte ein Gymnasium im Fricktal. Aufgrund der Wirtschaftsstärke und des Bevölkerungswachstums spricht alles dafür. Durch eine solche Schule würde das Fricktal noch attraktiver. Die Zeit ist reif, nachdem man schon seit Jahrzehnten davon spricht. Im Schulgesetz ist ein solches Fricktaler Gymnasium schon lange vorgesehen.

Wie sehen Sie die Chancen, dass die Idee tatsächlich realisiert wird?
Ich glaube, Bildungsdirektor Alex Hürzeler ist fest entschlossen, zwei neue Gymnasien im Aargau zu schaffen. Eines eventuell in Lenzburg und das zweite im Fricktal. Die Chancen stehen gut.

Welches wäre der richtige Standort?
Es muss verkehrsmässig gut erschlossen und nicht zu nahe bei Aarau sein, da es dort die Kantonsschule gibt. Frick wäre nicht ideal, Laufenburg wäre zu peripher. Aus meiner Sicht wären Rheinfelden oder Möhlin die richtigen Standorte.

Vor Jahrzehnten war aber Stein vorgesehen.
Stein ist zentral gelegen. Aus meiner Sicht sollte eine solche Schule aber in einer Zentrumsgemeinde angesiedelt werden. Stein würde ich aber nicht ausschliessen. Rheinfelden und Möhlin – in dieser Reihenfolge – sind meine Favoriten.

Aber auch wenn es ein Fricktaler Gymnasium gibt, ist es wichtig, dass die Freizügigkeit mit den beiden Basel gewährleistet bleibt. Die Fricktaler Schülerinnen und Schüler sollen auch weiterhin die Gymnasien in Basel besuchen können. Der Bildungsraum Nordwestschweiz darf nicht geopfert werden.

Auf der anderen Seite geht die Angst um, dass das Fricktal das Berufsbildungszentrum in Rheinfelden verlieren könnte.
Es wäre falsch, das Berufsbildungszentrum zu schliessen und durch ein Gymnasium zu kompensieren. Ich würde das sehr bedauern. Das wäre ein Verlust. Es ist wichtig, dass das Fricktal beides hat. Der Wirtschaftsstandort Fricktal braucht das Berufsbildungszentrum.

Das Worst-Case-Szenario wäre wohl, dass das Berufsbildungszentrum Fricktal geschlossen und auf ein Gymnasium im Fricktal verzichtet wird. Was würde das bedeuten?
Dann hätten wir hier im Engerfeld in Rheinfelden ein neues Schulhaus, das leer stehen würde. Doch damit ist nicht zu rechnen. Die Infrastruktur und der Standort sind so gut, dass sich der Kanton dies nicht erlauben kann.


 

Zweiter Teil:

 

«Die Schüler sind heute viel leistungsbereiter»

NFZ: Herr Petermann, Sie sind seit vielen Jahren Lehrer und Schulleiter. Macht es noch Spass, zu unterrichten?

 

Beat Petermann: Ja, auf jeden Fall. Es ist wunderbar, dass ich beides machen kann. Das ist wie der Foifer und das Weggli. Mittlerweile habe ich so viel Routine, dass ich nahtlos zwischen meinen beiden Aufgaben wechseln kann. Es ist manchmal anspruchsvoll: Ich muss immer wieder in eine andere Rolle schlüpfen. Für mich ist es aber ideal.

 

Wie viele Reformen haben Sie in Ihrer Laufbahn als Lehrer und Schulleiter bisher erlebt?
Schon zahlreiche. Aber es hat sich gezeigt, dass alle Reformen sehr schnell den Boden gefunden haben und pragmatisch umgesetzt werden konnten. So wird es auch beim Lehrplan 21 sein, davon bin ich überzeugt. Viele Dinge ändern sich nicht beim Unterrichten, das ist keine Revolution. Mühe habe ich, wenn gewisse Kreise jeweils alles Bisherige über den Haufen werfen wollen. Mein Vater war auch Lehrer. Er hat einmal zu mir gesagt: Wenn du lange genug Lehrer bist, dann kommt alles, was einmal modern war, mit den Jahren wieder.

Sind Sie als Lehrer nicht reformmüde?
Nein. Es ist schon richtig, dass sich die Schule immer weiterentwickelt. Das muss man als Lehrer auch ertragen können. Die Schülerschaft und das Umfeld werden auch anders. Ich finde nicht, dass wir im Kanton Aargau in den vergangenen Jahrzehnten tiefgreifende Reformen erlebt haben. In Basel-Stadt ist dies viel intensiver. Es ist nicht schlecht, dass der Aargau da etwas vorsichtiger vorgeht.

Manchmal hört man: Lehrer haben kaum mehr Zeit zum Unterrichten vor lauter Sitzungen und Administration.
Wie sehen Sie das?

Ich behaupte, dass der administrative Aufwand für Lehrer nicht gestiegen ist, aber er ist anders geworden. Wie bei allen Berufen muss man heute etwas stärker Buch führen und dokumentieren. Bei der Kreisschule Unteres Fricktal versuchen wir, den Ball so flach wie möglich zu halten. Wir wollen die Lehrpersonen nicht mit Neuerungen überrollen. Alle Mitglieder der Schulleitung unterrichten selber auch noch. Ich glaube, das ist ideal.

Das Thema Schule ist heute stärker in der gesellschaftlichen Diskussion als früher. Hat das Ihre Arbeit verändert?
Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Schülerinnen und Schüler heute viel leistungsbereiter sind als noch vor 10 oder 20 Jahren. Das gilt zumindest für die Bezirksschule, an der ich unterrichte. Die Arbeit mit den Schülern ist heute meines Erachtens nicht schwieriger geworden.

Wie erklären Sie sich das?
Die Schüler sind sich sehr bewusst, was später einmal von ihnen verlangt und erwartet wird. Das ist sowohl positiv als auch negativ. Sie wollen gute Voraussetzungen schaffen, um später in der immer anspruchsvolleren Berufswelt bestehen zu können. Deswegen ist der Druck sicher grösser als früher. Vielleicht sind sie darum auch etwas weniger rebellisch als früher; etwas angepasster.

Wie haben sich die Schüler sonst verändert in den vergangenen Jahrzehnten?
Ich stelle fest, dass ihre Agenda sehr voll ist mit ausserschulischen Aktivitäten. Ich möchte das nicht werten. Für viele Schüler ist die Gesamtbelastung – also schulisch und in der Freizeit – deutlich grösser geworden als früher. Wenn ich manchmal den Wochenablauf der Schüler mitbekomme, dann staune ich. Als ich Schüler war, gab es das nicht in diesem Ausmass.

Sind die Lehrer heute ebenfalls weniger rebellisch?
Sie sind auf jeden Fall auch sehr leistungsbereit und engagiert. Früher gab es aber wahrscheinlich tatsächlich mehr rebellische Lehrer.

Und die Eltern, sind sie schwieriger geworden?
Es gibt Eltern, die heute vielleicht etwas hartnäckiger sind als früher. Es wird intensiver nachgefragt und vielleicht auch mal reklamiert. Aber das sind ganz vereinzelte Fälle.

Wie häufig wird mit dem Anwalt gedroht?
Das habe ich als Schulleiter noch gar nie erlebt. Das kennen wir nicht.

Woran liegt das?
Das ist schwierig zu sagen. Ich glaube aber, es ist wichtig, dass die Schule gut kommuniziert und den Kontakt mit den Eltern pflegt. Die Beziehung muss man in guten Zeiten aufbauen, damit bei Problemen ein Vertrauensverhältnis besteht.

Unser Schulsystem ist stark auf Noten fixiert. Die Kreativität  und Neugier der Schüler scheint weniger wichtig. Ist das noch zeitgemäss?
Es ist sicher so, dass sich die Schüler mit der verkürzten Oberstufe und der späteren Aufteilung in verschiedene Leistungszüge innert kürzerer Zeit mehr Wissen und Können aneignen müssen. Dadurch verdichtet sich das Programm an der Oberstufe, was wohl tatsächlich auf Kosten der Kreativität geht. Trotzdem kann man nicht sagen, dass die Schüler heute nicht kreativ sind. Sie sind in Bereichen kreativ, die es vor Jahren gar noch nicht gab – zum Beispiel im Digitalen.

Sind Sie persönlich mit dem Schulsystem glücklich, wie es heute ist?
Im Grossen und Ganzen ja. Denkbar wäre, dass es in der Oberstufe nur noch zwei statt drei Leistungszüge geben könnte. Ob das besser wäre, weiss ich nicht. Viel wichtiger ist, dass die Durchlässigkeit gewährleistet wird.

In zahlreichen Fricktaler Gemeinden gab es viele Wechsel in der Schulleitung. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Das ist eine schwierige Frage. Als Co-Präsident des Aargauer Schulleiter-Verbandes höre ich von vielen solcher Probleme. Es gibt verschiedene Gründe. In manchen Fällen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat, Schulleitung und Schulpflege nicht. Manchmal fehlt die Professionalität. Ein zweiter Grund: Der Markt ist ausgetrocknet. Es ist schwierig, geeignete Schulleiter zu finden.

Grundsätzlich kann man sagen: Das System ist sehr komplex. Wenn irgendjemand im System nicht geeignet ist oder das System in sich selber nicht gut abgestimmt wird, dann gibt es sehr schnell Probleme. Das kann auf die Schule und die Lehrpersonen sehr negativ wirken.

Die Abschaffung der Schulpflegen wird im Aargau diskutiert.
Was halten Sie davon?

Wir vom Schulleiter-Verband unterstützen die Abschaffung der Schulpflegen. Der Vorteil ist, dass dieses komplexe System dadurch ein bisschen verschlankt und vereinfacht werden kann. Der Gemeinderat rückt dadurch näher an die Schule heran, was positiv wäre. Ich möchte betonen: Ich bin glücklich mit unserer Schulpflege an der Kreisschule. Das System ist aber nicht mehr zeitgemäss.

Im Januar wird das neue Schulgebäude im Rheinfelder Engerfeld eröffnet. Welche Bedeutung hat das für die Kreisschule Unteres Fricktal, die auch im Engerfeld untergebracht ist?
Wir bekommen dadurch mehr Platz und mehr Schulraum. Damit werden unsere Bedürfnisse für die kommenden Jahre gut abgedeckt. Nicht zu unterschätzen ist zudem, dass es künftig eine klarere räumliche Abgrenzung zwischen dem Berufsbildungszentrum Fricktal und der Kreisschule geben wird. Das BZF kommt in den Neubau und die Kreisschule hat das bestehende Gebäude zur Verfügung. Es hat auch bisher gut funktioniert, danach ist die Aufteilung aber noch klarer.

Die Kreisschule Unteres Fricktal wächst. Schüler aus Magden, dem Fischingertal sowie Stein stossen dazu. Wo sehen Sie die Herausforderungen?
Aktuell zählt die KUF im Engerfeld 499 Schüler. In Zukunft werden es rund 750 sein. Das ist ein deutliches Wachstum und verändert die Schule sicher auch ein bisschen. Damit sind wir im Aargau aber weiterhin nur eine mittelgrosse Schule. Wir werden auch in Zukunft relativ kleine, überblickbare Einheiten haben. Die Kinder werden hier nicht untergehen.

Im Gegensatz zu Magden bleibt Kaiseraugst ein Aussenstandort der KUF. Wie lange noch?
Ich erwarte, dass dies bis auf weiteres so bleiben wird. Aktuell sind es in Kaiseraugst 113 Schüler in sechs Abteilungen. Das funktioniert gut. Es ist von Vorteil, einen zweiten Standort zu haben.

Zum Schluss: Was wünschen Sie sich und der Schule für 2019?
Für die Schule ist es mein Wunsch, dass der Wechsel funktioniert, dass wir gutes Personal für die zusätzlichen Klassen finden und dass unsere Lehrpersonen weiterhin so engagiert für unsere Schüler arbeiten. Für mich persönlich wünsche ich, dass es meinen zwei erwachsenen Kindern gut geht und ich gesund bleibe.


Beat Petermann und die Kreisschule

Seit 1981 unterrichtet Beat Petermann, der im Luzernischen Nebikon aufgewachsen ist, an der Bezirksschule Rheinfelden. Seit der Gründung der Kreisschule Unteres ricktal (Real, Sek., Bez und RBK) im Jahr 2003 ist er Gesamtschulleiter. Heute arbeitet er mit einem Pensum von je 50 Prozent als Lehrer und Schulleiter. Der 63-Jährige ist Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er wohnt in Wintersingen (BL). «Wenn es die Gesundheit zulässt, möchte ich gerne weiterarbeiten bis ich 65 Jahre alt bin», erklärt er.

Zur Kreisschule Unteres Fricktal gehören die Gemeinden Magden, Olsberg, Kaiseraugst und Rheinfelden. Auf das Schuljahr 2019/2020 stossen die Gemeinden Schupfart, Obermumpf, Mumpf, Wallbach und Stein dazu. (vzu)

 


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