Novartis-Abbau «schüttelt» das Fricktal

  28.09.2018 Fricktal

Der massive Abbau von über 2100 Stellen bei Novartis in Basel und Stein bewegt die Region. Unser Wirtschaftsmotor Pharmaindustrie kommt ins Stottern – und mit ihm auch das Fricktal. Wie Studien zeigen, befinden sich mit gegen 6000 Beschäftigten rund 20 Prozent aller Fricktaler Arbeitsplätze in der Pharmaindustrie. Der Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen und unseren Wohlstand ist enorm. Früher waren wir ein armes Bauerntal, heute ein prosperierendes Fricktal-Valley! Pharmaindustrie sei Dank, hiess es bis jetzt.

Novartis (Stein) wie auch Roche (Kaiseraugst) haben in den vergangenen Jahren Hunderte von Millionen Franken in ihre Fricktaler Standorte investiert und Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen. Es gab lange Zeit keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies auch weiterhin so bleiben würde. «Das Wachstum der Pharmaindustrie und deren Stellenzahl dürften sich im Fricktal in den kommenden Jahren fortsetzen», hiess es in vielen Prognosen. Dies könnte sich nun ändern.

Was ist passiert? Wie geht es weiter? Was können wir tun?
Das Überraschende an den massiven Entlassungen von Novartis ist, dass es als Grund für diesen Entscheid weder einen Einbruch im Markt, einen Rückgang beim Umsatz, noch bei den grosszügigen Margen gibt. Auch sind die Produktionsanlagen nicht veraltet, im Gegenteil.

Hauptgrund ist, neben neuen Produktionstechnologien, vor allem eine Verlagerung der Massenfertigung und von Dienstleistungsaufgaben in andere, billiger produzierende Länder. Denn in Indien, Malaysia, Tschechien und Mexico gibt es auch gutausgebildete Arbeitskräfte – und sie kosten kaum die Hälfte. Und in Irland dürften die äusserst günstigen Steuern eine wichtige Rolle spielen.

Die Massnahmen von Novartis in der Schweiz und im Fricktal zielen folglich vor allem in eine Richtung: Kosten senken durch Personalabbau und Maximieren der Gewinne.

Gewinne erzielen ist für den Fortbestand einer Unternehmung wichtig. Die Herausforderungen der Zukunft können aus einer Position der Stärke angegangen werden. Eine freie Marktwirtschaft fördert den Wettbewerb und spornt zu Höchstleistungen an.

In der Pharmaindustrie können wir aber nicht von einem freien Markt sprechen, hier handelt es sich um einen stark regulierten Markt. Der Patentschutz erlaubt über Jahre einen Konkurrenzschutz und unterstützt hohe Preise. Damit wird garantiert, dass genug Geld verdient werden kann, um die hohen Forschungskosten zu refinanzieren.

Fliessen hingegen die hohen Gewinne nicht mehr in genügendem Masse in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte zurück, sondern nur in höhere Dividenden für die Eigentümer, stellt sich für die Gesellschaft die legitime Frage, ob solch extrem hohe Gewinnmargen noch vernünftig und ethisch gerechtfertigt sind. Die Pharmaindustrie ist hier bestimmt gut beraten, wenn sie den Bogen nicht überspannt.

Was können wir aus dieser Situation und der Hiobsbotschaft mit dem Stellenabbau bei Novartis für uns und das Fricktal lernen?
Es gibt keine Garantie und Sicherheit, dass globale, häufig heimat- und seelenlose Unternehmen für immer im Fricktal bleiben, viele gute Arbeitsplätze anbieten und zu unserer Wirtschaftsentwicklung beitragen. Bestimmt müssen wir die Pharmaunternehmen weiterhin gut betreuen und unsere Standortvorteile pflegen. Denn sie sind und bleiben wichtig.

Aber auch alle anderen, bereits in der Region verankerten Firmen, müssen sehr gut umsorgt werden, so dass sie sich hier weiterhin wohl fühlen. Denn langfristig am stärksten und unabhängigsten von externen Einflüssen macht uns eine diversifizierte Wirtschaft. Nur eine breite Vielfalt an Branchen, unterschiedlichen Grossfirmen und KMUs, sowohl beim Gewerbe, der Industrie, wie auch bei den Dienstleistungen sichert uns eine prosperierende Zukunft.

Und ganz wichtig scheint mir der Blick in die Zukunft: Wir brauchen eine grosse Prise Offenheit für Neues. Unterstützen wir neue Technologien, Dienstleistungsunternehmen, Startups oder IT-Firmen bei der Ansiedlung und helfen ihnen, dass sie im Fricktal einen guten Nährboden finden. Ein «Fricktal-Inno-Valley» quasi. Auf diese Weise könnten in hundert kleinen Firmen mit jeweils 20 Angestellten auf einmal wieder 2 000 neue und interessante Arbeitsplätze entstehen!


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