Ein Fricktaler leistete Pionierarbeit im Bier-Transport
26.04.2014 Kultur, Unteres Fricktal, Tradition, Wirtschaft, RheinfeldenRHEINFELDEN. Schon der Standort für die Brauerei Feldschlösschen wurde 1874 von den zwei Gründern Mathias Wüthrich, Landwirt aus Olsberg, und Theodor Roniger, Brauer aus Magden, bewusst gewählt. Anders als die über 500 Brauereien in der Schweiz, die ihr Bier vorwiegend mithilfe von Pferden lokal absetzten, wollten sich die beiden die 1875 eröffnete Bözbergbahn für den Transport des Bieres zu Nutze machen. Denn die Bahn war damals das schnellste Transportmittel, zudem eröffnete sie ihnen die Möglichkeit, ihr Bier in der ganzen Schweiz zu verteilen. Wurde zuerst noch das Bier von der Brauerei zum Bahnhof Rheinfelden mit Pferden transportiert, entstand 13 Jahre nach der Gründung 1876 ein Anschlussgleis zur Brauerei. Mit Ausweitung des nationalen Schienennetzes folgten Depotstellen in der ganzen Schweiz. 23 Jahre nach der Gründung war Feldschlösschen die grösste Brauerei der Schweiz.
«Vor 1950 wurden die rund 30 Feldschlösschen-Depots mit brauereieigenen Bahnwagen beliefert, die mit 200-Liter-Fässern beladen wurden», sagt Urs G. Berger aus Eiken, der die Transportgeschichte von Feldschlösschen ab Mitte der 1940er Jahren aufarbeitete (siehe Textende). Da die wenigsten Depots einen Gleisanschluss hatten, mussten die schweren Eichen-Fässer bei ihrer Ankunft am Bahnhof von Hand auf ein Strassenfahrzeug oder auf ein Pferdefuhrwerk umgeladen werden. «Das Umladen war mit viel Zeit- und Kraftaufwand verbunden, hinzu kam ein grosser Fässer-Verschleiss», sagt Berger. «Insbesondere im Grossdepot Genf hatte man nach dem zweiten Weltkrieg mit dieser Methode Mühe, die gestiegene Nachfrage nach Bier zu befriedigen».
Wüthrich wollte Transport auch qualitativ verbessern
Hans Wüthrich (1912-2002), Brauerei-Ingenieur und Neffe des Mitgründers Mathias Wüthrich, kam 1946 zu Feldschlösschen und war für das Transportwesen verantwortlich. «Er suchte nach Verbesserungen, um das mühsame und zum Teil mehrmalige Umladen zu umgehen», sagt Berger. Ein weiteres Kriterium für die Suche nach neuen Transportmöglichkeiten war das Leiden der Bierqualität in den Fässern, hauptsächlich im Sommer, wenn die Kühlung der Bahnwagen nicht genügte. «Denn die Pasteurisierung kam erst später zur Anwendung», erklärt Berger. Hans Wüthrich, der übrigens schon die 80 x 120 cm Palette noch vor den SBB und der internationalen Konkurrenz einführte, machte sich an die Entwicklung eines neuen Konzeptes des kombinierten Verkehrs. «Die Idee Wüthrichs war, dass die mit der Bahn angelieferte Biermenge direkt von einem Lastwagen weggezogen werden und ins Depot geführt werden konnte», sagt Berger. So entstanden fahrbare Behälter, die später Swiss Container Cars (SCC) genannt wurden. Ein Tank-SCC bestand aus einem Tank auf einem Fahrgestell (Chassis). Das Fahrgestell musste in der Breite die Strassenverkehrsvorschriften einhalten und in der Länge auf die maximale Breite eines Bahnwagens abgestimmt sein. Der Aluminium-Tank musste dem internationalen Eisenbahnprofil entsprechen und isoliert sein. «Wüthrich war stets bestrebt, zu möglichst günstigen Frachtpreisen zu transportieren. Das mindeste Fassungsvermögen eines Tanks hinsichtlich des Frachttarifs musste 5000 Liter betragen.»
Die dafür nötigen Bahnwagen, auf denen die SCC zu den Depots transportiert werden sollten, mussten speziell angefertigt werden. Unter anderem mussten Sicherungseinrichtungen angebracht werden, um die SCC befestigen zu können. Für diese Arbeit wurde die Josef Meyer AG in Rheinfelden engagiert.
Das System wurde patentiert
Im Winter 1949/50 wurde der erste SCC angeliefert. Im darauffolgenden Sommer wurde das «System Feldschlösschen», wie es anfänglich bezeichnet wurde, der SBB vorgeführt. Mit dem brauereieigenen Traktor wurden die Tanks direkt vom Bahnwagen weggezogen und hintereinander hergezogen. Nach der Genehmigung begann man mit einem Tragwagen und drei Containern ein Versuchsbetrieb und bestellte schon bald einen weiteren Tragwagen. «Dieses Transportsystem wurde äusserst positiv bewertet, denn im Gegensatz zu einem bereits bekannten System waren hier für den Abtransport keine Spezialfahrzeuge und kein örtlicher Kraneinsatz erforderlich», erklärt Berger begeistert. «Und laufende Verbesserungen führten dazu, dass die SCC auf allen Flachwagen über die Schiene transportiert werden konnten und keine spezielle Anfertigung mehr nötig war», führt er aus. Diese Vorteile rechtfertigten die über 10 000 Franken Herstellungskosten des Chassis und führten zur Patentierung dieses Systems durch Feldschlösschen. «Allerdings war der hohe Preis wohl der Grund, wieso sich das System nicht im Ausland durchsetzte», sagt Berger. In der Schweiz allerdings, wurde es von anderen übernommen, so wurden insgesamt 550 SCC produziert, wobei verschiedene Bauarten in dieser Zahl enthalten sind. So verwenden sie die Eidgenössische Alkoholverwaltung (heute Alcosuisse) oder die DSM noch heute.
Containercars als gute Reklame
Berger, der neben dem Bahnhof in Eiken aufwuchs, haben die Container schon als kleiner Junge fasziniert. «Die Farben der normalen Züge waren sehr einseitig. Es gab die grünen Personenwagen und die braunen Güterwagen. Jedes Mal wenn aber die weissen Tanks vorbeifuhren, war das ein Highlight», sagt er mit funkelnden Augen. «Die Tanks fielen auf, weil sie eben auch an Personenwagen gehängt wurden. Hans Wüthrich erkannte ihre spezielle Erscheinung und nutzte sie als Reklame, insofern wurde grossen Wert auf die Reinigung der SCC gelegt».
Bis 1965 liess Feldschlösschen insgesamt 143 solcher SCC herstellen. Danach führten mehrere Faktoren dazu, dass ihr Einsatz zurückging. Im Jahr 1964 kam es für die Grossdepots mit Gleisanschluss zur Inbetriebnahme der ersten drei Bahnzisternen mit einem Inhalt von je 54 000 Litern. In Genf wurde 1969 ebenfalls ein Gleisanschluss erstellt. «Mit diesen Zisternen konnte dem in den 60er Jahren weiter ansteigenden Bierkonsum Rechnung getragen werden», meint Berger. Während dieser Zeit wurden die SCC noch für die kleineren Depots eingesetzt. «Da aber der Heimkonsum von Bier über die Detailhändler und damit die Nachfrage nach Flaschenbier immer mehr an Bedeutung gewann und in dieser Zeit auch die in den 1950er Jahren noch hohen Frachttarife für Flaschenbier zurückgingen, wurde zu Beginn der 70er Jahre die Grossabfüllanlage Ost in Rheinfelden gebaut.» Zentral wurde ab 1974 ein grosser Teil in Flaschen abgefüllt und in Bahnwagen an die Depots geliefert. «Womit das Abfüllen in den kleinen Depots entfiel und damit auch der Nutzen der SCC», sagt Berger etwas wehmütig. «Die meisten SCC konnten an andere Brauereien, an eine Molkerei und an die Bauindustrie verkauft werden.» Ein Modell wurde restauriert für das Wüthrich-Museum auf dem Sennhof neben der Brauerei Feldschlösschen. 2006 standen die letzten Tank-SCC für Grossanlässe wie Olma und Muba im Einsatz. «Das ändert nichts an der Tatsache, dass sich das System 55 Jahre am Markt bewährte. Eine Ausnahmeerscheinung im kombinierten Verkehr», sagt Berger stolz. (sbf)
Die meisten hier verwendeten Informationen sind der Broschüre «Swiss Containercars (SCC), Das innovative Transportsystem für den kombinierten Ladungsverkehr Schiene/Strasse Teil 1» entnommen. Diese Broschüre wurde von Urs G. Berger vom Verein «SCC Gruppe» erstellt. Der Zweck des Vereins ist, die historischen Feldschlösschen-SCC aller Bauarten zu erhalten. Der obige Text behandelt nur den Tank-SCC. Berger will mit seiner Aufarbeitung die Fricktaler Pionierleistung Hans Wüthrichs würdigen. Morgen anlässlich des Tages der offenen Tür von Feldschlösschen können SCC besichtigt werden und Berger wird Führungen zur Feldschlösschen-Transportgeschichte durchführen.