So schützt der Aargau seine Fledermäuse

  02.03.2019 Fricktal

Trotz Schutz sind die Bestände der Tiere gefährdet

1988 hat der Kanton Aargau mit der Inventarisierung der Fledermausvorkommen und mit Massnahmen zur Erhaltung der Wochenstuben und Winterquartiere begonnen. Nach dreissig Jahren ist es Zeit für eine Bilanz.

Andres Beck/Bruno Schelbert

Fledermäuse mögen schreckhaften oder abergläubischen Zeitgenossen unheimlich sein, dem Menschen schädlich sind sie jedoch in keiner Weise. Sie werden deshalb auch nicht aktiv verfolgt oder bekämpft und sind seit 50 Jahren landesweit geschützt. Dennoch sind ihre Bestände gefährdet. Die grösste Gefahr entsteht durch die rege Bau- und Umbautätigkeit. Da viele Fledermausarten Gebäude als Schlaf- und Wochenstubenquartiere nutzen, sind sie von Sanierungen, Umnutzungen oder gar Abbrüchen betroffen. Sanierungen zum falschen Zeitpunkt und ohne Massnahmen zum Erhalt der Quartiere können für die (Jung-)Tiere tödlich sein oder führen zur Abwanderung der Kolonie.

Auch das Nahrungsangebot für Fledermäuse schwindet. Werden Obstgärten, Hecken und Feldgehölze zugunsten intensiverer Nutzung eliminiert, verlieren viele Arten ideale Jagdgebiete und Flugkorridore. Auch der Einsatz von Insektiziden beeinflusst das Nahrungsangebot der Fledermäuse stark. Nach neueren Studien sind in den letzten Jahrzehnten die Bestände verschiedener Insektengruppen um 75 Prozent geschrumpft. Überdies können sich Insektizide in den Fledermäusen anlagern und letztlich zum Tod führen.

Aufwändige Inventarisierung
Als sich die Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons vor 30 Jahren aktiv um den Schutz der Fledermäuse zu kümmern begann, war rasch klar, dass zunächst das Wissen über die bestehende Verbreitung ergänzt und systematisiert werden musste. Zur Aufzeichnung bereits bekannter Quartiere kam deshalb die Suche nach noch nicht erfassten Quartieren. Quer durch den Kanton wurden zahlreiche Dachstöcke von Kirchen, Kapellen, Schulhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden untersucht, ebenso etliche Brücken, Höhlen und Waldabschnitte, bei welchen Hinweise auf ein Fledermausvorkommen bestanden. Ein Aufwand, der ohne Unterstützung durch viele freiwillige Helferinnen und Helfer nicht zu leisten gewesen wäre – und auch in Zukunft nicht zu leisten sein wird. Nach 30 Jahren systematischer Feldsuche verfügt der Kanton Aargau heute über ein gut gesichertes Wissen über seine Fledermausbestände.

Bei einem Viertel der 600 erfassten Quartiere in Gebäuden und Brücken fanden seit 1988 bauliche Veränderungen statt. Hier kam die (für Bauherren kostenlose) Bauberatung und -begleitung durch den Kanton zum Zug. Schon in der Planungsphase flossen die art- und objektspezifischen Schutzmassnahmen in die Bauvorhaben ein, indem Grundeigentümer, Architekten, Projektleiter und Handwerker instruiert wurden. Während des Baus wurden die Massnahmen auf der Baustelle überprüft und in den folgenden Jahren Erfolgskontrollen durchgeführt.

Öffentlichkeitsarbeit
Fledermäuse leben oft in Nähe zu Menschen. Fehlendes Wissen kann zu Störungen oder gar Zerstörungen von Quartieren führen. Deshalb zählen zu den Schutzmassnahmen auch Sensibilisierung und Information der Öffentlichkeit. Das Interesse der Bevölkerung an Fledermäusen ist gross. Besonders beliebt sind abendliche Exkursionen in der freien Natur, wo freilebende Tiere zu sehen und zu hören sind. Wegen der grossen Nachfrage wurden Exkursionsleiter ausgebildet. Das Naturama Aargau vermittelt sie. Ausserdem besteht ein Fledermausexkursionsführer mit Beschrieben geeigneter Routen. So können insbesondere Lehrpersonen mit ihren Klassen Exkursionen selber durchführen. Inklusive Fledermauskoffer mit Ultraschalldetektor, Taschenlampe und Informationsmaterial (Ausleihe über das Naturama Aargau).

Hauptziel des Fledermausschutzes ist es, die Vielfalt der Fledermausarten und ihre Bestände im Aargau zu erhalten und wo nötig zu fördern. Dabei spielt die Erhaltung bestehender Quartiere, insbesondere der Wochenstuben, eine zentrale Rolle. Je nach Fledermausart sowie Funktion des Quartiers und des Quartiertyps sind unterschiedliche Massnahmen notwendig.

Was zu tun bleibt
Ein Rückgang der bekannten Gebäude bewohnenden Fledermäuse konnte im Aargau in den vergangenen 30 Jahren dank unermüdlichen und gezielten Schutzmassnahmen vermieden werden. Dieser Erfolg war nur zu verzeichnen, weil alle wichtigen Fledermauskolonien seit Jahren betreut und überwacht werden. So wurde fast jede bauliche Veränderung an den Quartieren rechtzeitig bemerkt. Bauherren und Planer zeigten in den meisten Fällen grosses Verständnis und boten Hand zu einer einvernehmlichen Lösung. Bei frühzeitigem Einbezug der Fachstelle wurde das Bauvorhaben durch die Schutzmassnahme weder verteuert noch verzögert. Nur in Einzelfällen waren spezielle Vorrichtungen nötig.

Bisher beschränkten sich die Schutzmassnahmen vorwiegend auf Gebäude und Kunstbauten im Siedlungsraum. Dort sind die Aktivitäten am grössten und die Fledermausquartiere potenziell am stärksten gefährdet. Aus diesem Grunde bleibt es wichtig, dass für die Bauherren eine kostenlose Beratung permanent zur Verfügung steht.

Aus methodischen Gründen sind Fledermäuse ausserhalb des Siedlungsraumes schwierig nachzuweisen. Heute bestehen leider immer noch Wissenslücken über genutzte Jagdgebiete, Flugrouten und Baumhöhlen bewohnende Fledermausarten. In Zukunft sollen daher verstärkt auch Erhebungen ausserhalb des Siedlungsraumes, insbesondere im Wald, durchgeführt werden.

Quelle: Sektion Abteilung Landschaft und Gewässer


Sondernummer
«30 Jahre Fledermausschutz im Aargau» ist im November 2018 als Sondernummer 50 von Umwelt Aargau erschienen. Bestellungen beim Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Landschaft und Gewässer, Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau. E-Mail alg@ag.ch


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