Chancen geben, Chancen nutzen
24.12.2019 FricktalEs braucht nicht so wahnsinnig viel und das eigene Leben steht Kopf. Schön ist es, wenn man dann eine Chance bekommt und die Gesellschaft sich nicht von einem abwendet.
Als Journalist darf man viel miterleben. Schönes und Trauriges. Eine Geschichte, die mich in diesem Jahr besonders berührt hat, ist diejenige von Kurt Rolli. Mit 57 Jahren hat der Rheinfelder 2017 seine Stelle verloren. Die Suche nach einer neuen Anstellung gestaltete sich schwierig. Es schien so, als wolle ihm niemand mehr eine Chance geben. Zu alt. Das sagte zwar keiner so deutlich, doch Rolli bekam es immer wieder zu spüren. Auf die vielen Bewerbungen gab es nur Absagen – oder er hörte gar nichts.
Wie in den 1930er Jahren
Rolli blieb optimistisch und setzte alles daran, nicht in die Sozialhilfe abzurutschen. Als er nach eineinhalb Jahren immer noch keine Stelle gefunden hatte, machte er mit Plakaten auf seine Situation aufmerksam. Doch auch dies half nichts. Schliesslich griff er zu einem aussergewöhnlichen Mittel, das viel Überwindung brauchte: Er stellte sich an den Strassenrand mit einem Schild, auf dem stand «suche Arbeit». Dies in der Schweiz, wo es offiziell eine sehr tiefe Arbeitslosenquote gibt. Es erinnert ein wenig an die grosse Depression in den 1930er-Jahren, als weltweit Millionen von Menschen verzweifelt auf Arbeitssuche waren und sich auch solche Schilder umhängten.
Seine Aktion sorgte für Aufsehen. Das grosse Medienecho führte schliesslich dazu, dass er mehrere Stellenangebote bekam. Seit dem 18. November arbeitet er bei einem Medizinaltechnik-Unternehmen – und ist zufrieden. Die Tätigkeit gefällt ihm, die Kollegen sind nett. Er hofft, die Stelle bis zur Pensionierung behalten zu können.
An den Rand gedrängt
Das Beispiel zeigt: Es braucht nicht sehr viel und man wird auch in der reichen Schweiz an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Ein Stellenverlust, eine Krankheit oder ein Unfall – und schon sieht das Leben ganz anders aus. Es gibt viele ältere Stellensuchende, die nur Absagen bekommen.
In solchen Momenten ist es schön, wenn man eine Chance erhält und nicht einfach abgeschrieben wird. Jeder kann im Kleinen etwas Gutes tun – und jeder Mensch ist wohl irgendwann selbst darauf angewiesen, dass er eine Chance erhält. Denken wir daran – auch im neuen Jahr.