«Ein Ausdruck von Hilflosigkeit»

  21.04.2020 Rheinfelden

Grenzschliessungen sind für Südbadener «notwendig, aber nicht schön»

Ein persönlicher Austausch zwischen den beiden Rheinfelden ist seit dem 17. März nicht mehr möglich. Die NFZ hat bekannte Gesichter aus Badisch-Rheinfelden gefragt, wie es ihnen mit den Grenzschliessungen ergeht.

Boris Burkhardt

«So etwas habe ich noch nie erlebt. Eigentlich ist das fürchterlich», sagt Helmut Reif. Vom Fenster seines Hauses in der Rheinbrückstrasse in Badisch Rheinfelden aus kann er direkt auf das deutsche Ende der Rheinbrücke sehen: Dort, wo sonst ein emsiges Kommen und Gehen von Fussgängern, Kinderwagen und Velofahrern herrscht, ist es seit über mehrere Wochen sehr ruhig: Wie überall an der Grenze zur Schweiz stehen auch hier Absperrungen, die von Bundespolizisten überwacht werden, um durch die Grenzschlies sungen die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Reif, trotz seines fränkischen Zungenschlags im Schweizer Rheinfelden über 25 Jahre lang bekannt als Planer und Erbauer des neuen Rheinkraftwerks, ist seit 1988 in Rheinfelden daheim und wohnt seit 2000 im Direktorenhaus der ehemal igen K raf tü ber trag u ngswerke Rheinfelden direkt am Rheinufer. «Ich habe schnell festgestellt, dass keine Schweizer mehr kommen», konstatiert der 72-Jährige. Damit meint er für einmal nicht die Einkaufstouristen: «Wir haben einen Hund. Als Hundebesitzer kennt man sich.» Auch zu seinen ehemaligen Schweizer Mitarbeitern pflegt der Pensionär noch regelmässigen Kontakt: «Wir treffen uns alle zwei Monate. Das geht nun erst einmal nicht mehr. Schade.» Gustav Fischer, Vorsitzender des Gewerbevereins Rheinfelden und SPD-Gemeinderat, vermisst es, seine Freunde und Bekannten auf der Schweizer Rheinseite zu sehen und die Möglichkeiten für «Spaziergänge und wunderbare Wanderungen». Der Frühling mache es «doppelt schwer». Für Fischer sind die Grenzschliessungen ein «Ausdruck von Hilflosigkeit: Aber wir müssen uns beugen.» Kein Mensch habe das Entstehen einer dynamischen Situation wie heute beeinflussen können.

Es darf kein Dauerzustand sein
Auch Wolfgang Bocks ist der Meinung, im Moment müsse man den Zustand so akzeptieren wie er ist. Bocks ist seit vielen Jahren im Verein Haus Salmegg für den Arbeitskreis Geschichte verantwortlich, dürfte auf der Schweizer Seite aber vor allem durch den gemeinsamen Kampf mit Peter Scholer in der IG Pro Steg bekannt sein. Als ein solcher Verfechter der grenzüberschreitenden Beziehungen ist für ihn genauso klar, dass aus der jetzigen Situation kein Dauerzustand werden dürfe. Zu gut erinnert sich Bocks an die Zeiten, als er 1964 in die Region zog: «Das gab es noch Devisenkontrollen bei der Einreise nach Frankreich und richtige, echte Grenzen.» Seine ersten Erlebnisse mit Grenzöffnungen hatte er hingegen schon in seiner Heimat im Dreiländereck am Niederrhein, als Holland und Belgien 1960 im Rahmen des Benelux-Vertrags die Grenzkontrollen untereinander einstellten.

Kreative Möglichkeiten finden
«Ich lebe in Nollingen in einer Oase», gibt Alt-Oberbürgermeister Eberhard Niethammer zu: «Ich würde es zu Hause kaum bemerken.» Dennoch weiss er natürlich um die Situation: «Es ist notwendig, aber nicht schön.» Seine beiden Kinder seien Grenzgänger und berichteten ihm von dem täglichen Stau am Autobah nzol l. Sein regelmässiges deutsch-schweizerisches Jahrgangstreffen, das am 1. April stattgefunden hätte, sei natürlich abgesagt worden. «Gott sei dank gibt es Mails und Skype und ähnliches», sagt Niethammer deshalb. Und er hat schon bemerkt: «Ich telefoniere relativ viel und länger als sonst.» Ausserdem ist er sich sicher, dass die Bevölkerung kreative Möglichkeiten finden werde, mit der Situation umzugehen.

Niethammers Amtsnachfolger, Oberbürgermeister Klaus Eberhardt, erlebt die Grenzschliessung persönlich als «erheblichen Einschnitt für das gute Zusammenleben im Dreiländereck». Auch der gebürtige Düsseldorfer hat in seinen 30 Jahren an der Schweizer Grenze eine solche Situation noch nicht erlebt: «Unsere Landschaft ist geprägt vom Miteinander und den Freundschaften über die Grenzen.» Als Chef der Stadtverwaltung ist er froh, dass die meisten Leute bei der Grenzkontrolle einsichtig und vernünftig seien.

Den Kontakt mit Stadtammann Franco Mazzi halte er telefonisch aufrecht. Unter anderem musste entschieden werden, ob der grenzüberschreitende Stadtbus noch fahre. Die beiden mussten auch den geplanten Besuch des Schweizer Botschafters absagen. Eberhardt hat aber die Hoffnung, dass die Grenze bald wieder öffnen.


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