«Auf einen Klapf war alles zu»
11.02.2021 Gesundheit, LaufenburgDie Monate vor seiner Pensionierung hatte sich Heinz Stucki anders vorgestellt
Mehr als ein Vierteljahrhundert hat Heinz Stucki die Geschicke des Alterszentrums Klostermatte in Laufenburg aktiv mitgeprägt. Zu den vielen Herausforderungen als Zentrumsleiter gehörte für ihn auch der mehrjährige Umbau des Altersheimes während laufendem Betrieb. Als intensivste Herausforderung hat er das vergangene Jahr erlebt.
Susanne Hörth
Hätte jemand Heinz Stucki Ende 2019 den Blick in die Zukunft ermöglicht, ihn nur stückweise darauf vorbereitet, was ihn im 2020 erwartet, so wäre das vom Zentrumsleiter des Laufenburger Alterszentrum Klostermatte wahrscheinlich nur mit einem Kopfschütteln quittiert worden. Begleitet von seinem offene Lachen. Heute, fast 14 Monate und viele Erfahrungen reicher, sitzt Heinz Stucki am Tisch in einem der Aufenthaltsräume der «Klostermatte». Sein Büro, in welchem er über zwei Jahrzehnte lang als Zentrumsleiter wirkte, hat er bereits seiner Nachfolgerin Petra Elmiger übergeben. Wie vieles in diesen aussergewöhnlichen Monaten, war auch diese Übergabe ganz anderes als geplant verlaufen.
«Wir haben 2019 mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern 44 Anlässe durchgeführt, viele davon mit den Angehörigen, den Vereinen und der Bevölkerung. Als ich Ende 2019 unsere Traditionsanlässe geplant habe, sagte ich immer: das wird dann mein letztes Osterfest, mein letztes Sommerfest, mein letzter Bazar, meine letzte Weihnachtsfeier als Heimleiter sein. Es war nicht so. Sie fanden erst gar nicht statt.» Am 16. März 2020 verhängte der Bundesrat den Lockdown. «Auf einen Klapf war alles zu». Im Sommer habe es sich zum Glück etwas entspannt. Und dann kam im Herbst die zweite Corona-Welle mit voller Wucht. Rüttelte wie fast überall auch am Fundament der Klostermatte. Da halfen auch die erdbebensicheren Wände, die während der intensiven Umbau- und Ausbauarbeiten in den Jahren 2014 bis 2016 bei laufendem Betrieb (siehe dazu auch Seite 3) erstellt wurden, nicht. Mauern und insbesondere die gross angelegten Schutzkonzepte konnten die Ausbreitung des Virus’ nicht verhindern.
An Corona erkrankt
Heinz Stucki letzter Arbeitstag in dem Haus, in dem er so viel mitgeprägt, so viel Neues erreicht hat und vor allem, in dem ihm die hier lebenden wie auch arbeitenden Menschen stets das Wichtigste waren, war am 5. Februar. Ja, es gehe ihm gut. Wieder gut, geht er auf entsprechende Frage der Journalistin ein. Wenn er auch nicht gerne ein Aufheben um seine Person macht, so ist die Frage nach seiner Gesundheit berechtigt. «Ich habe mich anfangs Dezember mit Corona infiziert. Es hat mich richtig heftig mit allen Symptomen erwischt». Dass es ihm wirklich schlecht ging, er sogar ins Krankenhaus musste, wischt er mit der Bemerkung weg, er habe am 13. Januar wieder zur Arbeit gehen können, damit auch die Übergabe an seine Nachfolgerin Petra Elmiger endlich richtig stattfinden konnte. «Ihr gilt mein allergrösster Respekt.»
Die neue Heimleiterin Petra Elmiger habe ohne Zögern, nachdem er von einem Moment auf den anderen ausgefallen war, sofort ihre neue Aufgabe in der Klostermatte angetreten. Und das mit einer enormen Herausforderung inmitten der zweiten Welle. Eine Welle, welche die Klostermatte nach vielen Monaten ohne eine einzige Ansteckung im Dezember dann mit voller Kraft getroffen hat. Viele Bewohnerinnen und Bewohner infizierten sich, viele starben. «Das ist unendlich traurig», sagt Stucki leise. Dann mit lauterer Stimme und mit Blick nach vorne: «Am 2. Februar haben alle Bewohnerinnen und Bewohner wie auch das Personal die zweite Impfung gegen Covid erhalten.» Sich impfen zu lassen, sei ein wichtiger Beitrag aller, um sich und andere zu schützen. Es sei ein wichtiger Schritt zurück in die Normalität. Für die Altersheime bedeute es zudem, Ängste abzubauen und wieder Vertrauen schaffen zu können.
Heinz Stucki, Zentrumsleiter des Alterszentrums Klostermatte, geht in Pension
In den 25 Jahren, in denen Heinz Stucki im Alterszentrum Klostermatte in Laufenburg tätig war, hat er viel erlebt. Unter seiner Führung hat sich auch vieles verändert. Das letzte Jahr vor seiner Pensionierung war für ihn in jeder Hinsicht aussergewöhnlich.
Susanne Hörth
Herausforderungen annehmen und Verantwortung übernehmen gehören für Heinz Stucki nicht erst seit seinem Stellenantritt 1996 als Pflegedienstleiter, und ab 1999 als Zentrumsleiter des Alterszentrums Klostermatte in Laufenburg zum gelebten Arbeitsalltag. Schon zuvor konnte der gelernte Psychiatriepfleger während 19 Jahren sein Wissen und seine Erfahrungen in verschiedenen Funktionen in den Aufbau von Abteilungen im Kanton Baselstadt einf liessen lassen. Dass ihn mit der Zentrumsleitung in Laufenburg keine einfache Aufgabe erwartet, war er sich bewusst. Er war innert elf Jahren bereits der siebte Stelleninhaber.
Stucki musste nicht lange überlegen, als man ihm den Posten zuerst interimistisch, dann ganz anbot. Er nahm die Herausforderung an, sorgte dafür, dass nach und nach wieder Ruhe im Haus einkehrte. Eine Aufgabe, die gleichzeitig einherging mit vielen Veränderungen und Neuorganisationen. «Als ich begann, gab es keine Stationszimmer, keine Stationsleitungen.» Heinz Stucki führte sie ein, stärkte damit auch die Kompetenzen der Mitarbeitenden, förderte den Teamgedanken: «Die Leute sollen Verantwortung übernehmen, mitdenken und mitdiskutieren können.» Wenn es dem Personal gut geht, strahlt das auch auf die Bewohnerinnen und Bewohner aus. Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden sorge zudem dafür, dass die Fluktuation klein ist. «Viele unserer Mitarbeitenden sind zwischen 15 und 25 Jahre hier», so ein sichtlich stolzer Heinz Stucki. Grossen Wert legt er ebenfalls auf die Förderung einer guten Ausbildung.
Das Qualitätsmanagement, welches er zusammen mit einem Team aus den verschiedenen Abteilungen des Hauses in den Jahren 1999 bis 2002 erarbeitete, wurde 2003 mit einer Zertifizierung belohnt. Es sind aber nicht Labels oder Auszeichnungen, die für Heinz Stucki im Vordergrund stehen. Ihm geht es immer um die Menschen. Ihnen soll es gut gehen und Teil der Klostermatte-Familie sein. Sich immer auf Augenhöhe begegnen können, die Leute stets zu informieren und damit nicht vor böse Überraschungsmomente zu stellen, ist Teil von Stuckis Führungsstil. «Ich bin Partner in der Gesamtverantwortung», sagt er, der den Begriff Zentrumsleiter so gut wie kaum verwendet hat, sich seiner übergeordneten Funktion aber stets bewusst ist. «Ich vergleiche meine Aufgabe oft auch mit einem Schwimmbad. Da darf ich nicht tauchen. Ich muss meine Atemwege über Wasser halten, denn wenn ich tauche, ziehe ich meine Mitarbeitenden herunter.»
Zweijährige Bauzeit bei laufendem Betrieb
Wie wichtig ein eingespieltes Team und ebenso eine gute Führungsstruktur ist, zeigte sich bei dem grossen Umbau der Klostermatte in den Jahren 2014 bis 2016. «Und das bei laufendem Betrieb.» Manchmal sei es eine grosse Belastung gewesen, so Stucki. An alles musste gedacht werden, kein noch so kleines Detail durfte vergessen werden. Mittendrin die Bewohnerinnen und Bewohner. Ihnen durfte es an nichts fehlen. Temporäre Umzüge liessen sich jedoch nicht vermeiden. «Wir hatten sieben Rochaden in dieser Zeit.» Wenn ein Teil der Station umzog und die anderen Bewohnerinnen und Bewohner noch in der bisherigen Etage blieben, wurden sie immer vom gewohnten Personal begleitet. Dies schaffte Vertrauen und die Beziehungen zueinander konnten erhalten bleiben.
Nichts so, wie eigentlich geplant
Und dann kam das Jahr 2020. Ein Jahr, von dem Heinz Stucki dachte, er könne nochmals die vielen, ihm so sehr am Herzen liegenden Traditionsanlässe mit den Bewohnern, ihren Angehörigen, dem Pf legepersonal und der Bevölkerung geniessen. Er wollte das Jahr auch nutzen, um einen reibungslosen Übergang an seine Nachfolgerin Petra Elmiger vorzubereiten. War 2020 doch das letzte Jahr vor Stuckis anstehender Pensionierung.
Doch kaum etwas geschah im zurückliegenden Jahr so, wie es eigentlich hätte sein sollen. Die Corona-Pandemie setzte Bewährtes, Traditionen, Liebgewonnenes und eben auch gewohnte Arbeitsabläufe ausser Kraft. «2020 war für mich das herausforderndste und gleichzeitig belastendste Jahr», blickt Stucki auf die intensiven Monate zurück. Beim ersten Lockdown gehörten tägliche Videokonferenzen mit dem Krisenstab ebenso dazu wie die grosse Herausforderung, an genügend Schutzmaterial zu kommen. «Am Anfang hat die Situation bei mir Ängste ausgelöst. Irgendwann fand ich dann einen Weg für mich und habe seither einen sehr grossen Respekt vor dem Virus.»
Das Leben im Alterszentrum veränderte sich. Die Corona-Pandemie verunmöglichte vieles. Alle Anlässe mussten abgesagt werden. Die Cafeteria, welche von rund 80 Frauen von vier umliegenden Frauenvereinen geführt wird, blieb zu. «Musik, Coiffeure, Fusspflege, alle durften plötzlich nicht mehr kommen.» Schutzkonzepte wurden im Pandemie-Krisenstab VAOF erarbeitet, evaluiert und immer wieder neu angepasst. Spontane Besuche und Begegnungen, Händedruck, wurde plötzlich zu einem No-Go. Das gesamte Personal arbeitet seit 16. März 2020 mit Schutzmasken.
Blieb die «Klostermatte» in der ersten Welle und auch in der zweiten Welle bis Ende November vor Ansteckungen mit Covid 19 verschont, breitete sich dann im Dezember das Virus gleich f lächendeckend aus. Auch Heinz Stucki erkrankte. Spitalaufenthalt und dann zwölf Tage Isolation zuhause, Ehefrau und Tochter nicht sehen zu dürfen, gaben ihm ein Gefühl davon, was Einsamkeit bedeutet.
Einsamkeit macht traurig, weiss er. «Wenn bei uns ältere Menschen in Quarantäne depressiv würden, haben wir hier nicht das Fachpersonal, um die Leute wieder aus der Depression zu führen.» Deshalb ist für Heinz Stucki ganz wichtig, dass sich möglichst viele Leute impfen lassen. Nur wenn eine Herdenimmunität erreicht werden kann, kehre auch wieder ein Stück Normalität ein. Er ist froh, dass in der Klostermatte und Bruggbach alle bereits die zweite Impfung erhalten haben. «Die beiden Alterszentren Laufenburg und Frick vom VAOF bieten heute eine grosse Sicherheit. Seit Januar 2021 ist keine Bewohnerin, kein Bewohner an Covid19 erkrankt.»
Und jetzt kommt die Pension
Pensioniert wird Heinz Stucki eigentlich erst im Mai. Der Grund, weshalb er bereits am 5. Februar seinen letzten Arbeitstag hatte, liegt bei seinem grossen Ferienüberhang. Einfach Tschüss sagen und die Türe hinter sich zuzuziehen, ist nicht seine Art. «Sollte mich meine Nachfolgerin noch für zusätzliche Informationen brauchen, habe ich mir vorläufig die Dienstage reserviert.»
Stucki geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Letzteres wegen der Menschen. Sie wird er vermissen, der Abschied von ihnen tue ihm richtig weh. «Froh bin ich aber, die Gesamtverantwortung nicht mehr tragen zu müssen. Mit 65 Jahren ist man nicht mehr der Jüngste. Mir fehlte die Erholungszeit. Aber wie gesagt, die Menschen in und um die Klostermatte werden mir sehr fehlen.»