Warum im Stäghold Wachholder wachsen
25.04.2021 Fricktal4. Teil der Flurnamen-Serie
In Möhlin liegt am nordwestlichen Siedlungsrand des Dorfes, in der Schlaufe der Heimenholzstrasse, der Flurname Stäghold. Der Name scheint sonderbar, da dieses Gebiet in einer sich weit erstreckenden, sehr flachen Landschaft liegt und weit und breit keine Holde oder Halde, also Abhang, zu sehen ist.
Beatrice Hofmann-Wiggenhauser
Die gleichnamige Strasse, Stegholdstrasse, liegt weiter südlich in Richtung Dorfkern. Dies liegt daran, dass früher die Flur Stäghold auch das Gebiet umfasste, auf der die heutige Überbauung steht, die sich von der äusseren Frankenstrasse bis zur Salinenstrasse zieht, die vor Riburg endet. Die historische Siegfriedkarte zeigt deutlich auf, dass zu Beginn des 20. Jahrhundert das Gebiet Stäghold noch unbebaut war. Der Name liegt wahrlich an einer ungewöhnlichen Stelle. Denn Flurnamen mit dem Element Stäg gehen entweder auf Althochdeutsch «steg» zurück und bezeichnen somit aus Brettern und Bohlen hergestellte Übergänge über Gewässer und deren Umgelände. Dies trifft wohl auf die Stägmatt in Villnachern zu, die direkt an einem Flusslauf liegt.
Stäg-Namen können aber auch auf Althochdeutsch «stega» verweisen und sind somit vom Verb steigen abgeleitet. Somit verweisen diese Namen auf Treppen, zum Beispiel in steil ansteigenden Wegen oder auf treppenförmig gestuftes Gelände. Dies trifft etwa auf die «Stäge» in Obermumpf zu, die direkt am Fusse eines Steilhangs liegt. Bei der Stägmatt in Zeiningen kann beides zutreffen, liegt doch die Flur direkt am Möhlinbach, aber auch an einem steilen Hang. Bei der Stäghold in Möhlin ist nun aber weit und breit keine Anhöhe zu sehen, so dass die Treppen-Deutung schon mal ins Wasser fällt. Und wie sieht es mit einem Wasserlauf aus? Tatsächlich fliesst der Möhlinbach heute noch am Rande des Gebiets Stäghold. Bezeichnet der Flurname also einen kleinen Bachübergang?
Reckholder als beliebtes Motiv
Das Grundwort des Flurnamens Stäghold, also «hold» bezeichnet meist einen Abhang; die Varianten sind im Schweizerdeutschen zahlreich und regional unterschiedlich: etwa Halde, Halle, Holde, Holle, wobei alle auf Althochdeutsch Hald im Sinne von Hang, Abhang, Anhöhe oder Abgrund zurückgehen. Holde kann aber auch auf Holder zurückgehen und somit etwa den Wachholderbusch meinen. Wie lässt sich aber das Wort «Stäg» in Kombination mit «Hold» in diesem Flurnamen erklären?
Somit liegt ein Bezug zu Reckholder bzw. Räckholder, eine alemannische Nebenform zu Wachholder, nahe. Die Reckholder-Namen erscheinen in der restlichen Deutschschweiz sehr zahlreich, der Wachholderbusch scheint sehr auffällig, zahlreich und somit namensgebend gewesen sein. Auch im Aargau können solche Namen angetroffen werden, etwa die Reckholdere in Laufenburg, der Reckholderhübel in Meisterschwanden oder die Recholder in Sarmenstorf.
Mit der Stechpalme ins Schwarze treffen
Im Baselbiet in der Gemeinde Biel-Benken gibt es den Flurnamen Räckholdere, der historisch gut belegt ist. Der Name ist zum ersten Mal bereits im Jahr 1356 verzeichnet als «vnum zweiteil vnder den Regkoltern», im 1625 in einer anderen Form «in Steckholdteren … stosst nitsich vff Thieffenthalhalden.» Das Beispiel zeigt, dass Steckholder ein Verschrieb von Reckholder ist, der aufgrund derer Ähnlichkeit von R und St im Schriftbild der damaligen Handschrift entstand. Gleiches könnte auf Stäghold zutreffen. Gut möglich, dass eine ältere Schreibung Rägghold oder Räckhold vorliegt, so dass der heutige Name ebenfalls eine verschliffene Form darstellt. Möglich ist aber auch ein Bezug zum Namen Steckholder, auch als Stechpalme bekannt, jedoch in der Namenlandschaft weniger vertreten.
Ob es nun ursprünglich Steckholder oder Räckholder geheissen hat, kann nur nach intensiver Suche im Archiv gelöst werden. Klar aber ist, dass in beiden Fällen der Flurname mit einer Pf lanzenbezeichnung zu tun hat und somit ein Gebiet bezeichnet, auf dem entweder Wachholder oder Stechpalmen so markant vorkamen, dass sie namengebend geworden sind.