Essigwasser und Pinsel in der Tasche
12.06.2021 FricktalUnterwegs mit dem Rheinfelder Wanderwegebetreuer
Max Mietrup (78) betreut die Wanderwege zwischen Rheinfelden, Kaiseraugst und Olsberg. Die NFZ nahm er mit auf seinen Kontrollgang entlang des Rheins.
Boris Burkhardt
Sogenannte «Grosse Wegweiser» stehen an Punkten, wo sich die Wanderwege treffen: Sie teilen schwarz auf weiss Name und Höhe der Stelle mit, wo sie stehen, in diesem Fall «Rheinfelden Schifflände, 270 m», und weisen schwarz auf gelb in alle Richtungen, die Nahund Fernziele, sortiert nach ihrer Entfernung. Max Mietrup (78) besprüht die Tafeln des Wegweisers zunächst vom Boden aus mit Essigwasser und steigt dann jeweils auf der Vorder- und Rückseite auf seine auf klappbare Dreisprossenleiter, um die Tafeln mit einem Lappen zu reinigen. Nach Kaiseraugst, wohin die heutige Strecke entlang des Via Rhenana von Kreuzlingen nach Basel führen wird, sind es laut Wegweiser eine Stunde und 15 Minuten, zehn Minuten weniger als am Startpunkt am Bahnhof.
Auf die Frage muss Max Mietrup kurz lachen: Nein, im Endeffekt finde er die Angaben der Wanderstrecke in Stunden und Minuten, wie es die Schweizer Wanderwege seit ihrer Gründung 1934 pf legen, in Ordnung. Er deutet aber an, dass es durchaus Diskussionen gab, eine Signalisation in Kilometern einzuführen, wie sie zum Beispiel der Schwarzwaldverein nutzt. Die Entfernungen auf den Wanderwegen in seinem Zuständigkeitsbereich zwischen Rheinfelden, Kaiseraugst, Möhlin und Giebenach kennt der freiwillige Mitarbeiter der Aargauer Wanderwege sowieso: 18 Kilometer sind es insgesamt; knapp sieben auf der heutigen Strecke.
«Kaum Frauen, vor allem Rentner»
Mietrups offizielle Bezeichnung im Verein Aargauer Wanderwege als Sektion der Schweizer Wanderwege ist wie erwähnt «Freiwilliger Mitarbeiter»: Man könnte ihn auch einen Wegewart nennen; Mietrup selbst bezeichnet seine Aufgabe als Wegebetreuer. Diese besteht kurz erklärt darin, die Wege auf ihre Begehbarkeit und die Signalisation auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen. Etwa einmal im Monat fährt Mietrup mit dem Velo die Wanderwege seines Zuständigkeitsbereichs ab. Für die NFZ ist er heute zu Fuss unterwegs, in blauer Arbeitshose, blaukariertem Hemd mit dem Logo der Aargauer Wanderwege, die Umhängetasche mit Werkzeug und Ersatzschildern über der Schulter und die Klappleiter in der Hand.
Etwa 100 Ehrenamtliche kümmern sich um die Wanderwege im Aargau, 14 im Fricktal: «Kaum Frauen, vor allem Rentner», sagt Mietrup. Er selbst begann vor 13 Jahren nach seiner Pensionierung, als ihm der Job von einem Bekannten vorgeschlagen wurde. In früheren Jahren wanderte Mietrup viel in den Alpen und brachte unter anderem als Mitglied der Nahkampfgruppe Fricktal 250 Waffenläufe zwischen 16 und 42 Kilometer hinter sich.
Wegweiser putzen
Normalerweise reiche Essigwasser aus, erzählt Mietrup über das Putzen der Wegweiser einmal im Jahr: Saharasand und andere Staube trockneten ein und klebten mit dem nächsten Regenschauer fest. Für hartnäckige Auf kleber oder Graffiti trage er spezielle Lösungsmittel in seiner Tasche mit sich. Im schlimmsten Fall müsse er die Tafel ersetzen. An der Sekundarschule Schützenmatt musste Mietrup allerdings einen seiner eigenen Aufkleber entfernen: die typische gelbe Raute mit dem Piktogramm eines Wanderers. Mutmasslich hatten ihn Schüler vom Kandelabermast abgepult und zerrissen an eine andere Stelle geklebt.
Die Signalisation ist der auffälligste Bereich von Mietrups Aufgaben. Zwischen den grossen Wegweisern zeigen die kleineren gelben Rauten, auch Rhomben oder Karos genannt, wo es entlanggeht. Mindestens alle 700 Meter sollte eine Signalisation erfolgen, sagt Mietrup; im Jargon der Schweizer Wanderwege heisst das erste Zeichen nach einer Kreuzung «Quittung». Je nach Untergrund, auf denen die Zeichen aufgebracht werden, sind es metallene Schilder oder Aufkleber; oder sie werden mit dem Pinsel aufgetragen. Letzteres ist bei Bäumen der Fall; Metallschilder mit Nägeln dürfen heute nur an Totholz angebracht werden.
Mit einem starken Bleistift zeichnet Mietrup auf der Baumrinde zunächst die Schablone (mit integrierter Wasserwaage) der Raute nach und klebt die Umrisse mit Paketband ab. Die gelbe Farbe trägt er mit dem Pinsel auf. Die typische Farbe ist das Markenzeichen der Schweizer Wanderwege. Einmal, erzählt Mietrup, habe er selbst neue Farbe kaufen wollen. «Der Technische Leiter hat darauf bestanden, dass ich die Originalfarbe nur von ihm beziehe», sagt Mietrup lachend. Nicht glücklich ist er allerdings damit, dass das Aargauer Wappen auf den Rauten landeseinheitlich durch das Wanderer-Piktogramm ersetzt wird.
Begehbar halten
Mietrup muss nicht nur dafür sorgen, dass der Weg für die Wanderer klar ersichtlich ist, er muss ihn auch begehbar halten. Pflanzen, die auf dem Rheinuferweg seitlich oder bis zu einer Höhe von 1,80 Metern von oben in den Weg hineinragen, schneidet er mit der Schere ab. Auch auf kranke Bäume, die auf den Wanderweg fallen könnten, achtet Mietrup. Er meldet sie der zuständigen Gemeinde, wie etwa die grosse Tanne beim Klärwerk Rheinfelden oder die Esche, die dort bereits schräg über den Pfad liegt und auf den Zaun drückt. Wann die Gemeinde auf seine Meldung reagiere, sei ihre Sache, sagt er etwas verärgert, weil besagte Bäume noch immer stehen. Erfreut ist Mietrup aber über den neuen Mergelweg auf Höhe des Kloosfelds, den die Gemeinde im Winter angelegt hat: Wie an anderer Stelle am Rheinufer rutschte dort der Hang ab.
Die Kommunikation mit den Einwohnergemeinden, aber auch mit den Förstern ist laut Mietrups Aussage schlechter, als man annehmen könnte. Selten werde er informiert, wenn Bäume gefällt würden, auf die er Wegzeichen angebracht habe, sagt er. Eine Ausnahme sei der kürzlich pensionierte Kaiseraugster Förster André Schumacher, mit dem er ein gutes Verhältnis habe: Wie Mietrup später auf dem Rohrweg zufrieden bemerkt, hat Schumacher erneut mit Rücksicht auf die Wanderer einen sterbenden Baum oberhalb des Zeichens abgehauen, das Mietrup angebracht hatte.